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AfD-Chefin Alice Weidel spricht beim Parteitag in Magdeburg.

© AFP/Ronny Hartmann

„Irrenhaus“ und „Dexit“ : Wie die AfD mit EU-Hass Politik macht

Die AfD will ins Europaparlament - doch für einige in der Partei geht es nur darum, so schnell wie möglich aus der EU auszutreten. Höcke fordert die Auflösung der Gemeinschaft.

| Update:

Christine Anderson setzt auf Krawall. „Die Irren haben das Kommando übernommen“, ruft die AfD-Politikerin, als sie auf dem Parteitag in Magdeburg ihre Bewerbungsrede beginnt. Die EU ist aus ihrer Sicht ein „einziges Irrenhaus“ und „nicht reformierbar“. Zum Schluss schreit sie fast: „Dexit, jetzt gleich und sofort.“ Anderson wird auf Platz vier der Europaliste der AfD gewählt.

Der Dexit – der Austritt Deutschlands aus der EU. Eigentlich ist der innerhalb der Parteiführung umstritten. Denn die Forderung, die die AfD 2021 in ihr Wahlprogramm schrieb, verunsicherte Wähler und irritierte europäische Partner. Im Programm zur Europawahl am 9. Juni 2024 soll nach dem Willen unter anderem von AfD-Chefin Alice Weidel deshalb nicht die „Auflösung der EU“ gefordert werden. Stattdessen soll da stehen: „Wir wollen eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen.“

Weidel gegen „Auflösung der EU“

Doch in Magdeburg schaffen radikale Rechte wie Anderson mit ihrer „Dexit“-Forderung bereits rhetorisch Fakten. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der auf dem Parteitag in fast jede Kamera spricht, sagt gar: „Die EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.“

30
Listenkandidaten für die Europawahl will die AfD aufstellen. Insgesamt schickt Deutschland 99 Abgeordnete nach Brüssel.

Das Problem der AfD in Magdeburg: Weil sie aufgrund ihrer hohen Umfragewerte voraussichtlich deutlich mehr Parlamentarier als bislang in das ihr verhasste EU-Parlament entsenden kann, braucht sie entsprechend viele Listenkandidaten. Um einen Puffer zu haben, hat sie sich 30 als Zielmarke gesetzt. Deutschland entsendet 99 Abgeordnete ins Europäische Parlament, 2019 gewann die AfD 11 Prozent und damit elf Sitze.

Zwei Wochenenden hat die AfD für ihre Vorbereitungen zur Europawahl 2024 angesetzt. Eigentlich soll am Ende des zweiten Wochenendes noch das Parteiprogramm verabschiedet werden.

Bei der AfD platzen immer wieder Absprachen

Doch lange sah es so aus, als würde es nicht dazu kommen, denn die AfD kam bei der Wahl ihrer Kandidaten zunächst nur sehr langsam voran. Immer wieder platzten Absprachen. Mehrfach traten in Stichwahlen Kandidaten gegeneinander an, von denen dann keiner eine Mehrheit bekam, sodass der Wahlgang wiederholt werden musste. Schließlich schaffte sie am ersten Wochenende 15 Listenplätze.

Wie die AfD zur EU steht, wird in Magdeburg aber auch ohne Programm deutlich. Petr Bystron, gewählt auf Platz 2, sagte Sätze wie „Das Gift kommt aus Brüssel“ und raunte von „Globalisten“, die die Menschen versklaven wollten.

Die AfD will sich bei aller EU-Distanz weiter mit anderen europäischen Rechtsaußenparteien vernetzen. Ein Widerspruch ist das aus ihrer Sicht nicht. AfD-Politiker sprechen vom „Europa der Vaterländer“. Zu Gast waren am Freitag stramm rechte Politiker aus Portugal, Bulgarien, Rumänien und Belgien. Der extrem rechte FPÖ-Chef Herbert Kickl, den sie in der AfD bereits als nächsten Kanzler in Österreich sehen, schickte eine Videobotschaft.

SPD wirft CSU-Mann Weber eine Nähe zu den Rechten vor

Die anderen Parteien kritisieren die AfD erwartungsgemäß, wobei die SPD der Union eine Nähe zu den radikalen Rechten vorwirft. „Die Exportnation Deutschland war in den letzten Jahren der große ökonomische Gewinner der EU. Genau diese Grundlage unseres Wohlstandes will die AfD zerstören“, sagte der SPD-Europapolitiker Dietmar Nietan dem Tagesspiegel.

An der europäischen Spitze der Union stehe mit Manfred Weber (CSU) jemand, „der unverhohlen darüber sinniert, mit den rechtspopulistischen Kräften anderer EU-Mitgliedsstaaten nach der Europawahl ein neues Bündnis im Europäischen Parlament zu bilden“. Wem die Zukunft der EU am Herzen liege, „kann bei der Europawahl folgerichtig weder die AfD, noch CDU/CSU wählen“.

„Faschistischer Flügel um Höcke kontrolliert die AfD“

Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen sagte, auch wenn es der AfD nicht gelungen sei, ein Programm zur Europawahl zu verabschieden, so seien die bisher bekannt gewordenen Positionen ein „Wohlstandsvernichtungsprogramm für Deutschland und Europa“. Wer die Axt an die EU lege, schade Millionen von Arbeitnehmern, denen der EU-Binnenmarkt Arbeitsplätze und höhere Löhne garantiert.

„Die AfD radikalisiert sich weiter“, sagte Andresen dem Tagesspiegel: „Die Partei wird durch den faschistischen Flügel um Höcke kontrolliert.“ AfD-Spitzenkandidat Krah sei dafür das beste Beispiel. „In Brüssel fällt Herr Krah mehr durch Intrigen und Konflikte statt durch parlamentarische Arbeit auf“, sagte Andresen. Dessen Bilanz als Abgeordneter sei „erschreckend schlecht”.

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