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EVP-Fraktionschef Manfred Weber lobt Italiens Regierungschefin Meloni für ihre Mitarbeit beim EU-Migrationsabkommen mit Tunesien.

© AFP/Christof Stache

Europas Christdemokraten und Meloni: Unbehagen über Webers gefährliche Partnerschaft

EVP-Chef Weber sieht in der Kooperation mit der ultrarechten italienischen Regierungschefin Meloni kein Problem. Vor der Europawahl stößt dieser Kurs in CDU und CSU auf Kritik.

Mehr als eine Woche ist es her, dass Manfred Weber im EU-Parlament bei einer Abstimmung über ein Gesetz zur Renaturierung krachend gescheitert ist. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) unterlag mit seinem Versuch, das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu kippen.

An seinem Widerstand gegen das Vorhaben will der 51-jährige CSU-Vizechef dennoch festhalten – genauso wie an seiner Zusammenarbeit mit der postfaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni.

Die Niederlage der von Weber geführten EVP bei der Abstimmung über das Renaturierungsgesetz wirkt bis heute nach. „Ich weiß nicht, ob das Gesetz der richtige Angriffspunkt war“, sagt ein deutscher Europaabgeordneter im Nachhinein selbstkritisch mit Blick auf das Umwelt- und Klimaprojekt, das den Schutz von einem Fünftel der Land- und Meeresfläche der EU vorsieht. Von einer „Ohrfeige für Weber“ spricht er. Nach seinen Worten habe die Abstimmung deutlich gemacht, dass der EVP-Fraktionschef „nicht einmal eine Verhinderungsmehrheit“ habe.

Die Skepsis gegenüber Webers Kurs im EU-Parlament ist insofern von Bedeutung, als im Juni 2024 die Europawahl ansteht. Ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl wird es dann für die deutschen Kandidatinnen und Kandidaten für das EU-Parlament auch um die Frage gehen, wie deutlich sie sich nach rechtsaußen abgrenzen.

Vor allem der Umstand, dass sich Weber nach der Wahl Melonis zur Regierungschefin vom vergangenen Jahr mehrfach mit der ultrarechten Politikerin traf, war im Europaparlament auf Unverständnis gestoßen. Denn Meloni gehört nicht zu Webers Lager der EVP, sondern ist Vorsitzende der weiter rechts stehenden Parteifamilie der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). „Es geht nicht, dass man eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl als Wackelkandidat im Verhältnis zur AfD wahrgenommen wird“, sagt der deutsche EU-Abgeordnete mit Blick auf die Positionierung der EVP bei der bevorstehenden Europawahl.

Doch Weber lässt sich davon nicht beirren. „Die EVP steht in den Umfragen stabil da. Unser Ziel ist, als stärkste Kraft aus der Europawahl zu kommen und weiter wesentlich den Weg Europas mitzuprägen“, sagte er dem Tagesspiegel. 

„Ich glaube an eine Volkspartei, die gleichzeitig christlich, sozial, liberal und konservativ ist“, sagte Weber weiter. In einer Zusammenarbeit mit Meloni sieht der EVP-Chef indes kein Problem. „Wir werden, wie bisher auch, mit den europäischen Kräften zusammenarbeiten, die konstruktiv sind und die EU nach vorne bringen wollen“, erläuterte er. 

In der EU sind parteipolitische Wettbewerber häufig auch Partner, weil es einen Kompromiss braucht.

Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP)

„Wenn Frau Meloni weiter auf Zusammenarbeit und europäische Lösungen wie beim Tunesien-Abkommen setzt, ist sie für uns genauso Ansprechpartner wie Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala und viele Liberale“, zeigte sich Weber überzeugt.

Meloni war am vergangenen Wochenende am Zustandekommen eines Abkommens zwischen der EU und Tunesien beteiligt, mit dem die irreguläre Migration in die EU eingedämmt werden soll. Seinen Vergleich zwischen Meloni und dem liberalkonservativen tschechischen Premier Fiala begründete Weber so: „In der EU sind parteipolitische Wettbewerber häufig auch Partner, weil es einen Kompromiss braucht.“ 

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni wirkte an der Migrationsvereinbarung mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied (links) mit.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni wirkte an der Migrationsvereinbarung mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied (links) mit.

© dpa/AP/Tunisian Presidency/Uncredited

Weber will zudem den Kampf um das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das demnächst noch mit den EU-Mitgliedstaaten endgültig abgestimmt werden muss, noch nicht endgültig verloren geben. „Wir akzeptieren natürlich das Votum im Europaparlament“, sagte er. Im weiteren Trilog werde es aber darum gehen, das Gesetz so auszugestalten, „dass es von den Menschen wirklich akzeptiert wird“.

Der CSU-Vize beklagte, dass der stellvertretende EU-Kommissionschef Frans Timmermans und manche Grüne bei der Ausgestaltung der Renaturierung „mit dem Kopf durch die Wand“ wollten und damit Spaltungen in der Gesellschaft hervorrufen würden.

Meloni steht unter Beobachtung

Innerhalb der CSU und der CDU ist es aber vor allem Webers Kurs gegenüber Meloni, der Unbehagen auslöst. „Politiker wie Meloni, die aus dem postfaschistischen Lager kommen, stehen noch einmal ganz anders unter Beobachtung als etwa der liberalkonservative tschechische Ministerpräsident Petr Fiala“, sagte der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Gunther Krichbaum, dem Tagesspiegel.

Es ist unklar, ob es sich um eine ehrliche Läuterung handelt oder eher um bloße Strategie.

Dennis Radtke, CDU-Europaabgeordneter, über Italiens Regierungschefin Meloni

Nach den Worten des CDU-Politikers müssten für die EVP beim Umgang mit neuen, teils populistischen Bewegungen deutliche Leitplanken gelten. Dazu zählten „ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration und zum Euro, zur Nato und zur Unterstützung der Ukraine sowie zum Kampf gegen den Antisemitismus“, sagte Krichbaum weiter.

Dass die Regierungspartei „Fratelli d’Italia“ unter dem Vorsitz von Meloni immer noch ein Problem mit der Aufarbeitung des Faschismus in Italien hat, zeigte sich im vergangenen März. Damals erklärte Meloni anlässlich des Jahrestages des Nazi-Massakers in den Ardeatinischen Höhlen, dass seinerzeit im Jahr 1944 „unschuldige Italiener“ niedergemetzelt wurden – und verschwieg dabei, dass sich unter den Opfern auch jüdische Geiseln befanden.

Auch der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke hält es für geboten, der italienischen Regierungschefin weiterhin genau auf die Finger zu schauen. „Frau Meloni hat sich mit Blick auf die EU noch keine groben Schnitzer geleistet“, sagte er. Radtke merkte allerdings auch an: „Es ist unklar, ob es sich dabei um eine ehrliche Läuterung handelt oder eher um bloße Strategie.“

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