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Die Demonstranten in Warschau trugen polnische und EU-Flaggen.

© AFP/Wojtek Radwanski

„Europa, wir entschuldigen uns für die PiS“: Zehntausende demonstrieren in Warschau gegen Polens Regierung

Am 4. Juni 1989 fanden in Polen die ersten freien Wahlen statt. Am Sonntag drückten Zehntausende ihren Unmut über die Regierung aus. Berlin ist in Sorge um das Verhältnis zu Warschau.

In Polen sind am Sonntag Zehntausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS auf die Straße gegangen. Dichtgedrängt zogen die Teilnehmer des Protestmarsches durch das Zentrum von Warschau.

Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift „Europa, wir entschuldigen uns für die PiS“, „Abrakadabra – weg ist das PiS-Makaber“ und „PiS ins Pissoir“. An der Demonstration nahm auch der Friedensnobelpreisträger und einstige Chef der Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, teil.

Zu dem Protest hatte der frühere Regierungschef und Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform aufgerufen. Aber auch andere Oppositionsparteien schlossen sich an. Veranstalter und Polizei machten zunächst keine Angaben zur genauen Zahl der Demonstranten.

Wir sind heute hier, damit ganz Polen, ganz Europa, die ganze Welt sehen kann, wie stark wir sind, wie viele von uns bereit sind, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, so wie vor 30 und vor 40 Jahren.

 Donald Tusk, früherer Regierungschef und Oppositionsführer

Der 4. Juni ist in Polen ein wichtiges Datum: 1989 fanden an diesem Tag die ersten teilweise freien Wahlen statt – ein Triumph der Demokratiebewegung und der Gewerkschaft Solidarnosc, der zugleich das Ende der kommunistischen Herrschaft einleitete.

„Wir sind heute hier, damit ganz Polen, ganz Europa, die ganze Welt sehen kann, wie stark wir sind, wie viele von uns bereit sind, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, so wie vor 30 und vor 40 Jahren“, sagte Tusk vor den Demonstranten.

Der Protest richtet auch gegen ein neues Gesetz, das die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vorsieht. Kritiker werfen der PiS vor, sie wolle mit diesem Gesetz wenige Monate vor der Parlamentswahl Oppositionspolitiker wegen angeblicher Russlandfreundlichkeit an den Pranger stellen.

Die Kommission soll prüfen, ob Amtsträger in den Jahren 2007 bis 2022 unter dem Einfluss Russlands Entscheidungen getroffen haben, die Polens Sicherheit gefährden.

Polnische Medien sprechen von einer „Lex Tusk“ – einem auf Tusk gemünzten Gesetz. Der Danziger war von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef und gilt als schärfster politischer Gegner von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Die PiS-Regierung wirft ihm vor, er habe unvorteilhafte Gasverträge mit Russland abgeschlossen.

Der frühere Ministerpräsident und heutige Oppositionsführer und der frühere polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa (links) sprachen bei der Demonstration.

© Reuters/Kacper Pempel

Auch der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Dietmar Nietan, krisierte das Gesetz. Nietan spricht vom „größten Angriff auf den Rechtsstaat“, den es seit 1990 in Polen gegeben hat. Das Gesetz diene dazu, „Leute politisch mundtot zu machen“.

Regierungsbeauftragter in Sorge um Verhältnis zu Polen

Die Kommission fungiere zugleich als Richter und Ankläger. „Diese Qualität pseudogerichtlicher Strukturen ist in der EU nicht akzeptabel“, kritisierte Nietan im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“.

Nietan sagte weiter, er sei in Sorge um das deutsche Verhältnis zu Polen. Die Beziehungen seien „in keinem guten Zustand“, sagte der SPD-Politiker. Wer im Warschauer Regierungsmilieu als Freund der Deutschen gelte, der habe in der Regierungspartei PiS „keine Chance, und das macht die größten Probleme“.

Die Verschlechterung der Beziehungen führt Nietan auch auf den heraufziehenden Wahlkampf zur Abstimmung für den Sejm im Herbst zurück: „Ich fürchte, wir erleben gerade nur die Ouvertüre.“

Im Laufe des Wahlkampfs würden die antideutschen Attacken vermutlich zunehmen. Er hoffe darauf, dass sich die Stimmung beruhigt, wenn der Wahlkampf vorüber sei. (dpa, lem)

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