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17.07.2023, Berlin: Carola Rackete, Umwelt und Flüchtlingsaktivistin spricht bei einer Pressekonferenz der Partei Die Linke. Die Bundesvorsitzenden der Linken schlagen Rackete als Kandidatin für die Europawahl 2024 vor. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© Britta Pedersen/dpa

Linke vor der Europawahl: Eine Aktivistin gegen Sahra Wagenknecht

Die Linke ist derzeit wenig beliebt, und Sahra Wagenknecht macht ihr das Leben schwer. Nun will sie mit der Klima- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete zur Europawahl antreten.

Wird Sahra Wagenknecht eine Partei gründen, damit schon bei der Europawahl antreten? Gut möglich. Aufgrund der gesetzlichen Fristen aber müsste sich Wagenknecht nach der Sommerpause recht rasch entscheiden. Eine Parteigründung erfordert Zeit. Gewählt wird das Europäische Parlament am 9. Juni 2024.

Die Linke will nun mit einem vierköpfigen „Spitzenteam“ in die Europawahl ziehen, unter ihnen die parteilose Kapitänin und Flüchtlingshelferin Carola Rackete. Rackete soll auf Platz Zwei antreten, nach dem Parteivorsitzenden Martin Schirdewan, derzeit Fraktionschef der Linken im Europaparlament. Das letzte Wort hat der Linken-Parteitag im November.

Abgrenzung zu Wagenknecht

Mit der Nominierung der 35-jährigen Rackete grenzen sich die Linken ab von Wagenknecht, ihrer Ex-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und deren national-sozialen Tönen. Rackete war 2019 international bekannt geworden, als sie mit aus Seenot geretteten Flüchtlingen auf dem Schiff Sea Watch trotz eines Verbots der italienischen Behörden die Insel Lampedusa anlief.

Rackete präsentierte sich am Montag während einer Pressekonferenz der Linken als eine Außenseiterin im parteipolitisch-parlamentarischen Betrieb. Die wenigsten hätten wohl mit ihrer Kandidatur für das Europäische Parlament gerechnet, „ich auch nicht“. Sie wolle sich stark machen für Verteilungsgerechtigkeit, Menschenrechte, eine gesunde Umwelt und ein „stabiles Erdklima“.

Ihrer gesamten „Bewegung“ helfe eine „gute Vernetzung in den Institutionen“, sagte Rackete in Berlin. Sie warf der EU-Kommission vor, sich in einer „black box“ mit Lobbyisten zu treffen. Auch welche Branchen ihr Vorwurf der Kumpanei der Kommission mit Lobbyisten zielt, hielt die Aktivistin offen.

Ich erwarte mehr von der Partei.

Carola Rackete über die Linke, auf deren Liste sie kandidieren will

Rackete beklagt Richtungsstreit bei der Linken

Die Gewährung von politischem Asyl sei in der EU, anders als einst, „alles andere als selbstverständlich“, sagte Rackete. Für die Klimakrise machte sie „kapitalistische Misswirtschaft“ verantwortlich. Sie forderte: „Lebensmittel und Ackerböden müssen der Finanzspekulation entzogen werden.“

Mit Blick auf die Linke sagte Rackete: „Ich erwarte mehr von der Partei. Der Richtungsstreit hat Vertrauen verspielt.“ Der Begriff Richtungsstreit bezieht sich auf den parteiinternen Zoff über die Migrationspolitik. Wagenknecht will, anders als die Mehrheit der Linken-Funktionäre, eine restriktive Ausländer- und Asylpolitik. Sie setzt, wie etwa die dänischen Sozialdemokraten, alles auf die nationale und soziale Karte. Die Mehrheits-Linken geben sich internationalistisch.

Die Linke dümpelt in Umfragen bei vier bis fünf Prozent. Bei der Europawahl 2024 gibt es keine Sperrklausel, was der Linken strategisch hilft: Jede Stimme zählt. Bei der Europawahl 2019 hatte sie 5,5 Prozent errungen und sechs Abgeordnete nach Straßburg entsandt.

Angesichts der Wahlaussichten wirkt ein „Spitzenteam“ mit vier Köpfen ziemlich aufgebläht. Auf Platz drei kandidiert die Abgeordnete Özlem Demirel, 2019 hatte sie auf Platz 2 gestanden. Sie sei „sehr glücklich“ über Racketes Kandidatur, sagte Demirel, und sie trete „aus Überzeugung auf Platz 3“ an.

„Ich bin wieder da“

Auf Listenplatz Vier kandidiert der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert, der 2022 für die Linken für das Amt des Bundespräsidenten angetreten war. „Ich bin wieder da“ sagte Trabert bei seiner Vorstellung. Anders als seine „aussichtslose“ Kandidatur für das höchste Staatsamt sieht er nun eine reale Chance, Abgeordneter zu werden. Er warf Politikern anderer Parteien wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor, „weit weg von der Lebensrealität vieler Menschen“ zu sein.

Wagenknechts Einfluss

Das Ergebnis der Linken bei der Europawahl 2024 dürfte auch davon abhängen, ob Wagenkecht tatsächlich eine Partei gründen und antreten wird. Viele Wähler der ohnehin schwächelnden Linken, aber auch der erstarkten AfD, würden wohl zu einer Wagenknecht-Liste wechseln. Jüngste Umfragen sprechen einer solchen Partei ein enormes Erfolgspotenzial zu. In Thüringen läge eine Wagenknecht-Partei gar bei 25 Prozent vorn, wie Insa jüngst erfragte.

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