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Till Lindemann, Frontsänger der deutschen Rockband Rammstein, singt in der Commerzbank-Arena. Die Band tritt hier im Rahmen ihrer «Europe Stadion Tour 2019» auf.

© dpa/Boris Roessler

Verdachtsberichterstattung über Till Lindemann: „Rammstein“-Sänger verliert vor Gericht gegen die „SZ“

Es ist ein weiteres Urteil zur Medienberichterstattung über den Sänger gefallen. Das Landgericht Frankfurt hat einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ für zulässig erklärt.

Während derzeit kein Ermittlungsverfahren mehr gegen Till Lindemann läuft, beschäftigt die Verdachtsberichterstattung über den „Rammstein“-Sänger weiter die Gerichte. Teilweise konnte Lindemann dabei Unterlassungserklärungen erwirken. Im Falle eines Artikels der „Süddeutschen Zeitung“ und des „NDR“ ist das nun aber nicht gelungen, wie die „SZ“ in eigener Sache berichtet.

Es geht um den Artikel „Am Ende der Show“ vom 2. Juni 2023. Es war eine der ersten großen Medienrecherchen zur Causa Lindemann, nachdem die Konzertbesucherin Shelby Lynn in sozialen Netzwerken behauptet hatte, auf einem „Rammstein“-Konzert unter Drogen gesetzt worden zu sein.

Im Artikel wird das – vom Sänger und seinen Anwälten nicht bestrittene – Casting-System geschildert, mit dem Lindemann während und nach Konzerten junge Frauen zugeführt wurden. Der Zweck bestand in Partys und Sex. . Außerdem werden im Artikel mehrere sexuelle Kontakte zwischen Lindemann und Konzertbesucherinnen beschrieben. Die „SZ“ behauptet in diesem Zusammenhang, dass „mehrere Frauen dem Rammstein-Sänger Till Lindemann Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorwerfen“. 

Lindemanns Anwälte argumentierten in ihrem Unterlassungsbegehren nach Darstellung der „SZ“, dass „die im Artikel beschriebenen sexuellen Handlungen einvernehmlich gewesen seien und damit in die Intimsphäre des Sängers fielen, die sie durch die Berichterstattung verletzt sahen“. Zudem sei der Artikel unausgewogen.

Gericht weist Unterlassungsbegehren komplett zurück

Wie die „SZ“ berichtet, hat das Landgericht Frankfurt das Unterlassungsbegehren komplett zurückgewiesen. Die Beschreibung des Casting-Systems sei im „überragenden öffentlichen Informationsinteresse“, vor allem unter Gesichtspunkten der Prävention. In diesem Zusammenhang sei auch die Schilderung der sexuellen Kontakte zulässig.

Schließlich gehe es bei den Zuführungen um ein organisiertes System, das junge Frauen betreffe. Sie könnten „in diesem Rahmen aufgrund ihrer Unerfahrenheit in Situationen geraten, in denen es zu sexuellen Handlungen kommt, aus denen sie sich aus Angst oder Scham oder einer erheblichen Alkohol- oder Drogenintoxikation nicht mehr herauszulösen vermögen“, zitiert die „SZ“ aus der Urteilsbegründung.

Maßstäbe der Verdachtsberichterstattung erfüllt

Das Landgericht Frankfurt sehe in einer Schilderung im Artikel „durchaus einen Verdacht eines möglichen sexuellen Übergriffs erweckt“, schreibt die „SZ“. Die strengen Maßstäbe, die Medien bei einer Verdachtsberichterstattung erfüllen müssen, seien jedoch erfüllt worden. Zu diesen Maßstäben gehören eidesstattliche Versicherungen der mutmaßlich betroffenen Frauen und die Möglichkeit einer Stellungnahme, die Lindemann und seiner Band demnach eingeräumt wurde.

Gegenüber dem Portal „LTO“ kündigte Lindemanns Anwalt Simon Bergmann an, vor dem Landgericht Frankfurt in Berufung zu gehen.

Die gerichtliche Auseinandersetzung über die Verdachtsberichterstattung zu Till Lindemann ist also nicht beendet. Bisher urteilten die Gerichte teilweise zugunsten des Sängers, teilweise gaben sie den Medien und Shelby Lynn recht. Ein Überblick: 

  • Dem „ORF“ wurde vom Landgericht Hamburg gerichtlich untersagt, den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe im Zuge einer Rammstein-Tour gewalttätige Handlungen an einer Frau gegen deren Willen vorgenommen.
  • Der „NDR“ und die „Süddeutsche Zeitung“ dürfen laut Landgericht Hamburg nicht den Verdacht erwecken, dass Lindemann eine „Sybille Herder“ genannte Frau vergewaltigt bzw. sexuelle Handlungen an ihr ohne deren Einwilligung vorgenommen habe.
  • Der „NDR“ darf nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg nicht den Verdacht erwecken, Lindemann habe mit zwei Frauen – im Artikel „Cynthia A.“ und „Kaya R.“ genannt – sexuelle Handlungen gegen ihren Willen vorgenommen.
  • Der Youtuberin Kayla Shyx wurden vom Landgericht Hamburg mehrere Behauptungen verboten.
  • Shelby Lynn hingegen darf die von Lindemann vor dem Landgericht Hamburg beanstandeten Aussagen weiterhin tätigen, wie das Gericht entschied.
  • Ein Unterlassungsantrag gegen die Plattform „Campact“ wurde von Lindemanns Anwälten zurückgezogen. Hintergrund waren Formulierungen in der Petition „Keine Bühne für Rammstein“.
  • Im Fall eines „Spiegel“-Artikels gab das Landgericht Hamburg teilweise Lindemann recht und „in weiten Teilen“ dem „Spiegel“, wie das Magazin in eigener Sache berichtete.

Die Band Rammstein kündigte unterdessen eine neue Tour für 2024 an, die auch wieder Stationen in Deutschland hat. Dagegen wurde die Zusammenarbeit von Till Lindemann und der Plattenfirma Universal Music vorerst ausgesetzt.

Dem Sänger Till Lindemann wurde von mehreren Frauen – teils anonym – vorgeworfen, er lasse systematisch junge Fans für Sex rekrutieren. Bei Aftershowpartys soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Lindemann weist die Vorwürfe gegen ihn zurück.

Seine Anwälte verweisen auf Behauptungen in sozialen Netzwerken, Frauen seien bei Konzerten „mithilfe von K.-o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte von Amts wegen und wegen Anzeigen von nicht beteiligten Personen „wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln“. Die Ermittlungen wurden aufgrund eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt. (mit dpa)

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