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Shelby Lynn (l.) im Gespräch mit Dorothee Bär (CSU), stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

© dpa/Christoph Soeder

Shelby Lynn spricht über Causa Rammstein: „Ich würde es zehn Mal wieder tun“

Die Irin brachte den Rammstein-Skandal ins Rollen, nun war sie bei der Unionsfraktion im Bundestag zu Gast. Bei dem Abend in Berlin ging es auch um die angekündigten Rammstein-Konzerte.

„Zehn Mal wieder“ würde sie tun, was sie getan hat, sagte Shelby Lynn am Mittwochabend in Berlin. Sie ist die Frau, die mit Social-Media-Postings den Rammstein-Skandal ins Rollen brachte. Auf Einladung der Unionsfraktion im Bundestag war sie nun zu Gast bei deren frauenpolitischen Abend mit dem Namen „Ladies Circle“. Das Thema der Veranstaltung: „Gewalt gegen Frauen – Das Schweigen brechen“.

Dorothee Bär (CSU), stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, interviewte Lynn. Es solle nicht darum gehen, was genau passiert oder nicht passiert sei, sagte Bär zu Beginn. Sondern sie wolle mit Lynn darüber sprechen, wie es ihr ergangen sei, nachdem sie an die Öffentlichkeit gegangen sei.

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Sie habe die ekelerregendsten Dinge lesen müssen, die ihr im Leben begegnet seien, sagte Lynn. „I have a really thick skin“, sagte sie mehrfach – sie sei alles andere als dünnhäutig. Aber sie glaube, andere Frauen hätten nicht überstanden, was sie habe erleben müssen. Sie haben sehr viel Unterstützung von Familie, Freundinnen und Freunden und auch am Arbeitsplatz. Das habe ihr sehr geholfen.

Die Welt ist zugeschnitten auf weiße Cis-Männer, das ist die traurige, kalte Wahrheit.

Shelby Lynn

Die Irin hatte sich im Mai nach dem Besuch eines Rammstein-Konzerts in Vilnius auf Twitter sowie Instagram über ihre Erfahrungen geäußert. Diese Berichte waren der Grund, warum sich viele weitere junge Frauen mit ihren Schilderungen an die Presse wandten. So konnte ein System aufgedeckt werden, das darauf ausgelegt ist, Till Lindemann während und nach Konzerten viele junge Frauen zuzuführen.

Die Gesellschaft müsse sich ändern, Frauen dürfe nicht entgegenschlagen, was ihr entgegengeschlagen sei. „Die Welt ist zugeschnitten auf weiße Cis-Männer, das ist die traurige, kalte Wahrheit“, sagte Lynn. „Frauen müssen schreien, um überhaupt gehört zu werden.“ Sie selbst würde wieder so handeln wie sie es getan habe: „ten times over, again and again and again“. Sie sagte aber auch, der Schritt habe Mut erfordert, und sie wolle nicht behaupten, es sei einfach gewesen.

Teilnehmende forderten Stopp der Rammstein-Tour

Ihre Heimat Nordirland sei beim Thema Gewaltschutz für Frauen viel weiter als Deutschland. Lynn reagierte ungläubig und emotional sichtlich angefasst auf die Schilderung einer Diskussionsteilnehmerin, sie habe drei Jahre auf den Prozess gegen ihren gewalttätigen Ex-Partner warten müssen. Es handelte sich um Iris Brand, Gründungsmitglied der Initiative #DieNächste gegen häusliche Gewalt.

Lynn sagte, sie sei stolz, dass sie andere Frauen habe retten können. Es gebe Gewaltopfer, die durch ihre Geschichte ermutigt worden seien, sich Hilfe zu suchen. Diese Frauen sollten nicht auf sie angewiesen sein, sondern andere Unterstützung haben, sagte Lynn. Doch davon gebe es nicht genug.

Zwei Personen aus dem Publikum brachten zur Sprache, dass Rammstein vor kurzem eine neue Tour angekündigt haben. Sie forderten die Union auf, diese Auftritte zu verhindern, wo sie lokalpolitisch in der Verantwortung sei. Diese Forderung wurde aber zurückgewiesen.

Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, ergriff das Wort. Sie sagte, in einem Rechtsstaat könnten solche Konzerte nicht einfach verboten werden, solange juristisch nichts erwiesen sei. Die Politik könne nicht der Aufforderung nachkommen, „nach Gutdünken“ zu entscheiden. Sie habe darüber unter anderem mit dem Berliner Kultursenator Joe Chialo (ebenfalls CDU) gesprochen.

Dem Sänger Till Lindemann wurde in diesem Frühjahr von mehreren Frauen – teils anonym – vorgeworfen, er lasse systematisch junge Fans für Sex rekrutieren. Bei Aftershowpartys soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Lindemann weist die Vorwürfe gegen ihn zurück.

Seine Anwälte verweisen auf Behauptungen in sozialen Netzwerken, Frauen seien bei Konzerten „mithilfe von K.-o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte von Amts wegen und wegen Anzeigen von nicht beteiligten Personen „wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln“. Die Ermittlungen wurden aufgrund eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Viel Handlungsbedarf bei Themen wie Sorgerecht und Frauenhäusern

Im Rahmen des Abends gab es auch zwei Paneldiskussionen, eine davon zum Stand der Dinge im politischen Kampf gegen Gewalt.

Die Diskussionsteilnehmerinnen waren sich einig, dass es noch viel Handlungsbedarf gibt. Beispielsweise wenn um Sorgerecht oder Umgang gestritten werde. Gisela Pingen-Reiner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins Frauenhauskoordinierung, berichtete von einem zehnjährigen Jungen, der aus dem Frauenhaus zu einem Umgang mit dem gewalttätigen Vater habe aufbrechen müssen. „Meine Mutter schützt ihr, aber mich nicht“, habe er gesagt.

In Großbritannien sei man weiter, dort würde Gewalttätern standardmäßig das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Auch sei es sehr problematisch, dass Frauen, die nicht von Transferleistungen leben, für einen Aufenthalt im Frauenhaus selbst zahlen müssten. Daran würde es in der Praxis oft scheitern.

Das derzeit laufende Förderprogramm des Bundes für den Ausbau der Frauenhäuser sei zu bürokratisch für kleine Träger, es müsse unbedingt vereinfacht werden und es brauche Planungssicherheit für eine Fortführung des Programms.

Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die Frauenhausfinanzierung zu schaffen sowie einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus für Gewaltopfer. Einen konkreten Vorschlag dazu gibt es aber noch nicht.

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