zum Hauptinhalt
Till Lindemann bei einem Auftritt in Moskau im September 2021.

© imago images/ITAR-TASS/Marina Lystseva

Die Unschuld von Till Lindemann: Was dran ist am „nichts dran“

Die öffentlichen Mutmaßungen über angebliche Untaten des Rammstein-Sängers waren auch ein Ausdruck von überzogenen Erwartungen an das Strafrecht – die Politik hat es so gewollt.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Zögernd hat die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann aufgenommen, um sie dann zügig abzuschließen. Das eine kann man kritisch sehen, das andere weniger.

Der vielfach erweckte Eindruck, hier überwältige eine Art Ungeheuer hinter oder unter der Bühne arglose Frauen, hat sich in Luft aufgelöst. Es meldete sich keine einzige Betroffene bei den Strafverfolgern, die dergleichen berichten konnte. Dass dies aus Furcht geschah, man würde ihr nicht glauben, ist angesichts der Umstände fernliegend.

Es meldete sich offenbar überhaupt niemand, der Wesentliches berichten konnte. Und befragen konnten die Ermittler auch niemanden, denn sie wussten nicht, wen - die Journalisten, die die Vorwürfe an die Öffentlichkeit transportierten, beriefen sich auf Informantenschutz. So bleibt der Nachhall eines dröhnenden medialen Szenarios, während der ehedem Beschuldigte, nun ja, triumphieren darf.

Eine Situation, an die man sich wohl gewöhnen muss. Die Erwartung, dass jegliche Form als anstößig empfundenen Intimverhaltens – Stichwort Machtmissbrauch – sanktioniert gehört, hat die Politik mit geschürt. Jahrelang ist das Sexualstrafrecht verschärft worden, wo es ging. Auch die sexuelle Belästigung ist ein Tatbestand geworden – nicht zuletzt, um dadurch die sittliche Ächtung solchen Tuns zum Ausdruck zu bringen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Justiz muss es genauer nehmen als die Skandalreportage

Kein Wunder also, dass beides schnell in eins gesetzt wird, das anstößige Verhalten als solches und die Straftat. Doch weil der Vorgang dann aus dem weiten gesellschaftlichen Kontext in ein enges rechtliches Verfahren überführt werden muss, ist Enttäuschung programmiert. Am Ende kommt nichts heraus. Die Justiz muss es genauer nehmen als die Skandalreportage.

Was dran war am Fall Lindemann: Ein sinnvolles Innehalten über die Gepflogenheiten vergangenen und gegenwärtigen Groupietums sowie ein Anlass für Eltern, ihre Töchter zur Vorsicht zur mahnen. Manche Männer nutzen ihren Status für Sex aus, und manche Frauen lassen sich darauf ein. Ein Drama, das uns weiter beschäftigen wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false