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Vom Böhmermann-Beitrag bis heute: Der Fall Arne Schönbohm im Überblick

Die Absetzung des BSI-Chefs beschäftigt die deutsche Politik noch immer. Schönbohms Kampf um seinen Ruf bringt nun auch Innenministerin Faeser in Bedrängnis.

Die Causa des geschassten Leiters des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, erhält ein weiteres Kapitel. Wie nun bekannt wurde, soll Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) noch nach dessen Absetzung den Inlandsgeheimdienst angewiesen haben, Informationen über Schönbohm zu sammeln.

Schönbohm leitet seit Januar die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV). Ihm war ein umstrittener Beitrag im ZDF-„Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann zum Verhängnis geworden. Dort war behauptet worden, dass Schönbohm über einen Lobbyverein einer mit dem russischen Geheimdienst verbandelten Firma nahestehe. Hinreichenden Gründe für eine Absetzung lieferte die Recherche nicht und das Innenministerium hat bis heute keine weiteren möglichen Gründe genannt.

In einer von der Unionsfraktion einberufenen Sitzung des Innenausschusses des Bundestags zum Thema am Dienstag bestätigte das Innenministerium die Echtheit einer Mail von März 2023. Konkret heißt es dort: „Wir sollten nochmals BfV abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen.“ Das BfV ist das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Inlandsgeheimdienst. „Wir“, das ist in diesem Fall Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

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Dem Innenausschuss des Bundestags soll die Regierung erklärt haben: „Es gab keine nachrichtendienstlichen Ermittlungen gegen Schönbohm.“ Es besteht aber die Möglichkeit, dass er nicht selbst abgehört wurde, sondern eine andere Person Ziel der Überwachung war und daher auch Gespräche von ihm mit abgehört wurden.

Arne Schönbohm wehrt sich gegen seinen Rausschmiss.
Arne Schönbohm wehrt sich gegen seinen Rausschmiss.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Bei der Ausschusssitzung war die Ministerin nicht anwesend, da sie sich bereits zuvor für die gesamte Woche krankgemeldet hatte. Trotzdem soll sie bei einem Wahlkampfauftritt in Hessen gewesen sein. Ihr Ministerium verwies am Mittwoch auf „einen wichtigen Arzttermin infolge ihrer überstandenen Corona-Infektion, der in ihrem Heimatort war. Weil sie aus diesem Grund gestern früh nicht in Berlin sein konnte, war sie im Deutschen Bundestag entschuldigt“.

Am Donnerstagmorgen habe Faeser Medienberichten zufolge erneut nicht an einer kurzfristig anberaumten Sitzung des Innenausschusses des Bundestags teilnehmen können. Die Ministerin habe sich bei der Sitzung über die umstrittene Abberufung von Cybersicherheitschefs von einer Parlamentarischen Staatssekretärin vertreten lassen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die Union pocht indessen weiter auf Aufklärung durch Faeser.

Schönbohm fordert 100.000 Euro vom ZDF

Bereits vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Schönbohm vom Bund und ZDF Schadenersatz verlangt. Schönbohm macht in der Klage gegen den Bund einen Schadenersatzanspruch von 5000 Euro wegen einer Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht geltend. Vom ZDF fordert der Ex-BSI-Chef eine Entschädigung von 100.000 Euro und eine Unterlassungserklärung. Auf der Klageebene ist das Ganze bislang noch nicht.

Der Fall Schönbohm – was bisher passiert ist

Schönbohm war seit 2016 Leiter des BSI. Sein Berufsleben verändert sich am 7. Oktober 2022 schlagartig. An diesem Tag schaltet das ZDF die Folge „Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt“ in der Mediathek frei. Ihm wird in der ZDF-„Magazin Royale“-Sendung mit Jan Böhmermann Nähe zu russischen Geheimdiensten vorgeworfen – ohne konkrete Anhaltspunkte dafür zu nennen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ein heikler Vorwurf.

Bereits einen Tag später gibt es Berichte, wonach das Ministerium prüfe, wie man den BSI-Chef „von seinem Posten abberufen könne“. Allerdings muss das Innenministerium dafür rechtsrelevante Verstöße nachweisen – oder ihn auf einen gleichwertigen Posten versetzen. Und den gibt es zunächst nicht.

Faeser beantwortet Schönbohms Brief nicht

Am 10. Oktober schreibt Schönbohm an Faeser. Er wehrt sich gegen die Vorwürfe und bittet „um Schutz vor unberechtigten Angriffen“. Die Ministerin ist per Gesetz verpflichtet, sich vor ihre Beamten zu stellen. Faeser beantwortet Schönbohms Brief nicht.

Kurz darauf schreibt auch BSI-Vize Gerhard Schabhüser einen Brief an sie und wirft ihr vor, seine Behörde im Stich zu lassen. Das Ministerium schaue dabei zu, wie „die Vertrauenswürdigkeit des BSI und seiner Leitung“ öffentlich infrage gestellt werde. Der Brief landet bei den Medien. Dort wird Schönbohm inzwischen zunehmend als Opfer gesehen.

Da war alles noch harmonisch: Faeser und Arne Schönbohm bei einem gemeinsamen Auftritt im August 2022.
Da war alles noch harmonisch: Faeser und Arne Schönbohm bei einem gemeinsamen Auftritt im August 2022.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Faesers Staatssekretär Richter legt Schönbohm am 14. Oktober in einem Telefonat nahe, den Job zu wechseln, weil sonst ein Disziplinarverfahren drohe. Gründe dafür hat Schönbohm bis heute nicht erfahren. Schönbohms Anwälte interpretieren das als Erpressung.

Das Ministerium bietet Schönbohm den Posten als Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) in Brühl an. Die Akademie ist mit 100 Beschäftigten deutlich kleiner als das BSI. Es wäre eine Versetzung bei gleichen Bezügen, die Besoldung für den BAköV-Präsidenten wird angehoben auf die Gehaltsstufe, bei der Schönbohm keine Einbußen hätte. Nun gibt es den gleichwertigen Posten also zumindest gehaltstechnisch doch.

Doch Schönbohm will das nicht so einfach hinnehmen. Er beantragt ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst, um das Ministerium zu zwingen, ihm seine Vergehen zu nennen.

Innenministerium unter Faeser schasst Schönbohm am 18. Oktober

Am 18. Oktober untersagt ihm die Personalabteilung des Innenministeriums „mit sofortiger Wirkung“ die Arbeit für das BSI. Der in der öffentlichen Meinung und bei Ministerin Faeser entstandene Vertrauensverlust mache eine weitere Amtsführung unmöglich – und zwar „unabhängig davon, wie stichhaltig“ die Vorwürfe seien und ob sie „sich im Ergebnis als zutreffend erweisen werden“.

Faesers Verhältnis zu Schönbohm sei „nachhaltig erschüttert“. Nicht nur wegen Böhmermann, sondern auch wegen sechs weiterer Vorfälle. Die liegen zum Teil so lang zurück, dass Faeser noch nicht im Amt war. Es geht um angeblich „ausufernde Pressearbeit“ und eine Ex-Mitarbeiterin, die seinen Führungsstil kritisierte.

Zwei Wochen später, am 31. Oktober, geht beim Verwaltungsgericht in Köln ein Eilantrag gegen das Tätigkeitsverbot ein. Schönbohms Anwälte schreiben, ihrem Mandanten werde „offensichtlich rechtswidrig“ die Möglichkeit zur Entlastung genommen. Es entstehe der Eindruck, das Ministerium sehe in der TV-Show eine „willkommene Gelegenheit“, Schönbohms „berufliche ,Kaltstellung’ zu ermöglichen“.

Am 1. Dezember schreibt Schönbohm seine Abschiedszeilen auf Linkedin. Tage später erhält er eine Abordnung, kurz bevor die Frist für das BMI abläuft, die Freistellungsgründe offenzulegen. Jetzt steht fest: Schönbohm wird neuer Präsident der BAköV. Das Eilverfahren hat sich damit erledigt.

Bei einer Veranstaltung im Statistischen Bundesamt treffen Schönbohm und Faeser am 20. Januar aufeinander. Obwohl sie nahe beieinander sitzen, wechseln sie kein Wort.

Zehn Tage später, am 30. Januar, trifft Schönbohm beim Neujahrsempfang der BAköV auf Staatssekretär Richter und die Präsidentinnen und Präsidenten der Behörden des Innenministeriums. Faeser ist nicht angereist. „Arne, das ist keine einfache Zeit für dich und deine Familie gewesen“, sagt Richter. Dann tritt Schönbohm ans Pult und sagt: „Jetzt stehe ich hier, und kann nicht anders.“

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