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Claudia Plattner leitet künftig als erste Frau das BSI.

© Christian Krinninger/Christian Krinninger

Amt wird politische Beamtenstelle: Claudia Plattner folgt auf Arne Schönbohm als Chefin des BSI

Erstmals leitet mit Plattner eine Frau das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Doch um den Status ihrer Stelle ist ein Streit entbrannt, der auch mit ihrem Vorgänger zu tun hat.

Es ist so weit: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat nun eine Präsidentin. Nach der umstrittenen Absetzung des vorherigen BSI-Präsidenten Arne Schönbohm war das Amt neun Monate lang unbesetzt. Und das, während Krieg in Europa herrscht, der auch im Cyberraum ausgetragen wird. Seit 1. Juli 2023 ist nun Schönbohms Nachfolgerin Claudia Plattner im Amt.

Damit stehe jetzt „eine erfahrene und international bestens vernetzte IT-Sicherheitsexpertin“ an der Spitze des BSI, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) laut Pressemitteilung. „Mit ihrem Wechsel zum BSI wird erstmals eine Frau Präsidentin einer Sicherheitsbehörde im Bereich des Bundesinnenministeriums. Auch das ist ein starkes Zeichen und ein großer Gewinn.“ Auch Plattner äußerte sich in der Mitteilung: Die Aufgabe, die IT-Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern, sei komplex und dringlich, das gelte erst recht mit Blick auf die aktuellen Krisenlagen. „Mit großem Respekt übernehme ich daher meine neue Rolle als BSI-Präsidentin und ich freue mich darauf, gemeinsam mit einem starken Team an dieser Aufgabe mitzuwirken.“

Wie aus Behördenkreisen zu hören ist, hat sich Plattner schon in den vergangenen Wochen und Monaten tief in die Materie eingearbeitet und zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitenden geführt. Sie wird als erfrischend unkonventionell beschrieben. Im BSI seien zwar viele unzufrieden, wie die Absetzung des vorherigen Präsidenten lief, aber Plattner als neue Präsidentin sehe man mit einem guten Gefühl entgegen. Die Causa Schönbohm hat jedoch auch nach der Neubesetzung Nachwirkungen auf die Behörde und ihre Spitze. Ohne große Debatte wurde bereits Mitte Juni die Stelle vom Gesetzgeber zu der eines oder einer politischen Beamt:in gemacht.

Causa Arne Schönbohm noch nicht geklärt

Rückblick: Zur Entlassung des vorherigen Präsidenten durch das Bundesinnenministerium (BMI) wurden bis heute keine hinreichenden Gründe genannt. Auch ein Disziplinarverfahren fand nicht statt. Da der Vorgänger aber kein politischer Beamter war, darf er eigentlich nicht ohne weiteres abgesetzt werden. Daher die Debatte um diesen Fall, die bis heute andauert. Doch da die Stelle nun zu der eines politischen Beamten oder Beamtin wird, kann die betreffende Person deutlich leichter abgesetzt werden.
Im Bundesinnenministerium gibt es schon seit Monaten den Wunsch, dass die Stelle eine politische Beamtenstelle werden soll. Doch dafür ist eine Gesetzesänderung notwendig und ein parlamentarisches Verfahren dauert. Das ist inzwischen durchlaufen, ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit oder politische Debatte.

Nun ist das passiert, was in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wurde, weil der Titel so unscheinbar klingt. Der Bundestag hat am 15. Juni ein Gesetz mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bevölkerungsstatistikgesetzes, des Infektionsschutzgesetzes und Personenstands und dienstrechtlicher Regelungen“ verabschiedet.

Darin steht unter anderem: „Aufgrund der gewachsenen politischen Bedeutung der Fragen der Migration und der Cybersicherheit sollen die Ämter der Leitungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik in den Kreis der politischen Beamtinnen und Beamten nach § 54 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes aufgenommen werden, die jederzeit von der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.“ Nachdem das Plenum am 15. Juni die entsprechende Beschlussempfehlung angenommen hat, geht das Gesetz noch am 7. Juli in den Bundesrat und tritt dann in Kraft.

Mehrheit für den Gesetzesentwurf

In dieser Bundestagsdrucksache ist auch zu lesen, was die Fraktionen zu dieser Änderung sagen. Für den Gesetzesentwurf stimmten SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die AfD votierte gegen die Initiative, die Linke enthielt sich. Die Unionsfraktion gab dazu bekannt, die vorgesehenen Änderungen in der Bevölkerungsstatistik seien sinnvoll. Bemerkenswert sei jedoch, dass durch dieses Artikelgesetz der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik zum politischen Beamten erhoben werden solle. Dies werfe im Licht der Causa Schönbohm Fragen auf. Den Katalog der politischen Beamten zu erweitern, halte man jedoch inhaltlich für richtig.

Hierdurch sollten die Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in den Kreis der politischen Beamten erhoben werden, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könnten.

Kritik der Fraktion der AfD am Verfahren um die Erhebung in den Kreis der politischen Beamten 

Bei der FDP heißt es, die Regelungen zu politischen Beamt:innen seien im Gesamtkontext des Vorhabens eines unabhängigeren BSI zu sehen, das man als Ampelkoalition angehe. Die Linke gibt bekannt, die Eingruppierung des Präsidenten des BSI als politischer Beamter vertrage sich nicht mit der vorgesehenen, stärkeren, unabhängigeren Rolle des BSI. Die Fraktion der AfD kritisiert die Gesetzesänderung in Bezug auf die politischen Beamt:innen: „Hierdurch sollten die Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in den Kreis der politischen Beamten erhoben werden, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könnten.“

Dass dies die Gefahr des Missbrauchs bei politisch unliebsamen Beamten berge, zeige der aktuelle Fall um den ehemaligen Präsidenten des BSI, Arne Schönbohm, der ohne nachgewiesenes Fehlverhalten von seinem Posten entfernt worden sei. Der Kritik des dbb Beamtenbunds an dieser Reform, der eine Verletzung des Lebenszeitprinzips aus Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz sehe, schließe man sich an.“

Kritik kommt im Nachgang etwa auch vom SPD-nahen digitalpolitischen Verein D64. Das Vorgehen widerspreche dem Koalitionsvertrag und der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, die vorsähen, dass das BSI unabhängiger werden solle. Die BSI-Spitze könne nun entlassen werden, wenn sie der Bundesinnenministerin in IT-Sicherheitsfragen widerspreche. Das BSI könne aber nur glaubhaft für starke IT-Sicherheit in Deutschland eintreten, wenn das BMI nicht mehr weisungsbefugt sei.

Die gesetzliche Umstellung zur politischen Beamt:innenstelle macht Claudia Plattner nicht automatisch zur politischen Beamtin. Ihren Arbeitsvertrag hat sie schließlich schon vor einigen Monaten unterschrieben, ihr erster offizieller Arbeitstag war der 1. Juli. Die Gesetzesänderung tritt erst am Tag der Verkündigung in Kraft. Wie eine Sprecherin des BMI Tagesspiegel Background mitteilte, wurde mit Plattner „aus personalwirtschaftlichen Gründen“ zunächst ein „außertarifliches Vertragsverhältnis“ eingegangen. „Dieser Vertrag kann unter den gleichen Voraussetzungen aufgelöst werden, unter denen eine vergleichbare Bundesbeamtin nach § 54 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann.“

Dieser Text wurde am 10.7.2023 ergänzt.

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