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Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Regierungsbank im Bundestag.

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Update

„Ich möchte nicht, dass aus Polen einfach durchgewinkt wird“: Scholz spricht sich für stärkere Kontrollen bei Migration aus

Der Kanzler plädiert für zusätzliche Maßnahmen an den Außengrenzen. Habeck stimmt die Grünen auf einen schärferen Kurs ein. Merz und Lindner begrüßen die Bereitschaft zum „Asylkompromiss“.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für eine stärkere Kontrolle der irregulären Migration ausgesprochen und mögliche zusätzliche Maßnahmen in Aussicht gestellt. Es seien sehr viele, die nach Europa und nach Deutschland kämen, und die Zahl habe „dramatisch zugenommen“, sagte er bei einer SPD-Kundgebung am Samstag in Nürnberg.

„Deutschland bekennt sich zum Asylrecht“, betonte der Kanzler. Wer komme und sich nicht auf Schutzgründe berufen könne oder Straftaten begangen habe, müsse aber auch zurückgeführt werden.

Scholz forderte mit Blick auf die Lage an den Grenzen Aufklärung über mögliche Unregelmäßigkeiten bei Visavergaben im Nachbarland Polen. „Ich möchte nicht, dass aus Polen einfach durchgewinkt wird und wir dann hinterher die Diskussion führen über unsere Asylpolitik.“

Es müsse so sein, „dass wer in Polen ankommt, dort registriert wird und dort ein Asylverfahren macht“ – und nicht Visa, die irgendwie für Geld verteilt worden seien, das Problem noch vergrößerten. Darüber solle mit der polnischen Regierung gesprochen werden. Scholz fügte hinzu, man werde je nach aktueller Lage „dann an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel an dieser“.

Migration: Habeck stimmt die Grünen auf schärferen Kurs ein

In der Debatte um eine neue Migrationspolitik stimmt auch der grüne Vizekanzler Robert Habeck seine Partei auf einen schärferen Kurs ein. Der Wirtschaftsminister teilt nun die Position, dass die Belastungsgrenze von Ländern und Kommunen erreicht sei.

Im Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) sagte Habeck, bei einer Konferenz hätten ihm Bürgermeister und Landräte berichtet, sie könnten „die Unterbringung kaum noch und bald gar nicht mehr gewährleisten“. Da herrsche „eine gewisse Dramatik“, so Habeck.

 Wir wissen, dass wir eine Verantwortung für den Zusammenhalt in diesem Land tragen.

Robert Habeck, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister

Weiter sagte der Wirtschaftsminister: „Wenn wir nicht wollen, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet, dann sind alle demokratischen Parteien verpflichtet, bei der Suche nach Lösungen zu helfen.“

Die Grünen seien bereit, den Zuzug bereits an den EU-Außengrenzen zu senken. Seine Partei habe in der Bundesregierung einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugestimmt, das unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU vorsieht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt, in den Kommunen herrsche durch die Probleme mit der Migration „eine gewisse Dramatik“.

© dpa/Markus Scholz

Wenn die Grünen das Recht auf Asyl aber weiter schützen wollten, dann müssten sie „die Wirklichkeit annehmen und die konkreten Probleme lösen – auch, wenn es bedeutet, moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen. Wir wissen, dass wir eine Verantwortung für den Zusammenhalt in diesem Land tragen.“ 

Flüchtlingspolitik: Merz bietet Scholz Zusammenarbeit an

Mit eindringlichen Worten hat CDU-Chef Friedrich Merz Bundeskanzler Scholz ein gemeinsames Vorgehen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise angeboten. Es gebe einen „solchen Sprengstoff für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, dass hier eine Lösung gefunden werden müsse, sagte Merz am Samstag auf dem CSU-Parteitag in München.

„Ich biete Ihnen an, lassen Sie uns das zusammen machen. Wir müssen dieses Problem lösen.“ Merz erinnerte an den 1993 von der damals regierenden Union und der damals oppositionellen SPD gefundenen Asylkompromiss, der zu einer Grundgesetzänderung führte.

Wenn Sie es mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen.

Friedrich Merz, CDU-Chef

Nach diesem Vorbild müsse nun eine große Lösung gefunden an. Dies dürfe auch nicht an den Grünen als Teil der Bundesregierung scheitern. „Wenn Sie es mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen“.

Merz nahm Scholz persönlich in die Verantwortung, sollte es nun nicht zu einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingskrise kommen. „Wenn wir es nicht zusammen lösen, Herr Bundeskanzler, dann sind Sie in Zukunft ganz alleine für die Folgen verantwortlich.“

Wie zuvor CSU-Chef Markus Söder in seiner Parteitagsrede kritisierte auch Merz die Ampel-Koalition in einem Rundumschlag. Umfragen zeigten, dass die Ampel einen neuen vorläufigen Tiefpunkt im Ansehen in der Bevölkerung erreicht habe.

Das Hauptproblem in unserem Land hat einen Namen und der ist Olaf Scholz.

Friedrich Merz, CDU-Chef

„Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ist total genervt von diesen Streitereien in der Ampel.“ An den vielen Fehlern könne auch ein Oppositionspolitiker keine Freude mehr haben. „Das Hauptproblem in unserem Land hat einen Namen und der ist Olaf Scholz.“ So habe Scholz zwar in seiner Rede im Bundestag am 6. September einen Deutschlandpakt angeboten – doch danach sei Scholz einfach abgetaucht.

Lindner begrüßt Zusammenarbeit bei „Asylkompromiss“

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Bereitschaft von CDU und Grünen zur Zusammenarbeit in Migrationsfragen begrüßt. „Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik wie den Asylkompromiss Anfang der 1990er Jahre“, erklärte Lindner am Samstag im Kurznachrichtendienst X.

„Ich begrüße, dass sowohl Robert Habeck als auch Friedrich Merz dies offenbar genauso sehen.“ Habeck und die CDU-Spitzenpolitiker Merz und Carsten Linnemann hatten sich zuvor für breit getragene Reformen in der Migrationspolitik ausgesprochen.

„Bei den Grünen ist das ein neuer Schritt“, schrieb Lindner dazu. „Wir sollten die Gelegenheit nutzen. Denn für Veränderungen, die das Grundgesetz betreffen könnten, brauchen wir einen übergreifenden Konsens.“

Bundeskanzler Olaf Scholz neben Christian Lindner bei der deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam.

© picture alliance/dpa

Linnemann plädiert für Schulterschluss in Asylfrage

Auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bot der Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) Zusammenarbeit in der Migrationsfrage an. „Wenn wir dieser Herausforderung Herr werden wollen, dann müssen die Parteien im Deutschen Bundestag bereit sein, parteiübergreifend den Schulterschluss zu suchen“, sagte Linnemann der „Süddeutschen Zeitung“. Es brauche jetzt „so einen Konsens wie 1993“.

Ich wäre sofort bereit zu sagen: Kommt, wir setzen uns an einen Tisch! Damit die Flüchtlingszahlen runtergehen.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

„Ich persönlich würde dann sofort öffentliche Zuspitzungen im Streit mit den Ampelparteien sein lassen – und ich wäre sofort bereit zu sagen: Kommt, wir setzen uns an einen Tisch! Damit die Flüchtlingszahlen runtergehen.“ Die gesamte Infrastruktur sei nicht auf diese hohe Zahl von Menschen ausgelegt, warnte er.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagt, es  brauche jetzt „so einen Konsens wie 1993“.

© IMAGO/Frank Gaeth/IMAGO/Frank Gaeth

Faeser lässt stationäre Grenzkontrollen prüfen

Am Freitag hatte die oppositionelle Union bereits im Bundestag versucht, die Ampelkoalition mit einem Antrag für einen „Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik“ unter Druck zu setzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte dabei die Regierung gegen Vorwürfe verteidigt: „Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration“, betonte sie.

Unterdessen wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium kurzfristige stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien prüft. Bisher hatte Faeser Innenministerin Faeser die Forderungen vor allem aus der Union nach stationären Grenzkontrollen etwa an den Grenzen zu Polen und Tschechien als „Symbolpolitik“ abgelehnt.

Wie ein Sprecher ihres Ministeriums der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, sollen „entsprechende zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen“ aktuell geprüft werden. Solche zusätzlichen Kontrollen müssten mit der Überwachung des gesamten Grenzgebiets durch die Schleierfahndung gut zusammengreifen, sagte Faeser. „Dafür haben wir die Präsenz der Bundespolizei an der polnischen und der tschechischen Grenze bereits stark verstärkt“, erklärte die SPD-Spitzenkandidatin.

Söder kritisiert Untätigkeit der Ampelkoalition

CSU-Chef Markus Söder warf Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser unterdessen Untätigkeit und Fehler in der Migrationspolitik vor.

Scholz tue in der Krise das, was er am besten könne: Er sei ein „Meister des Schweigens“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Samstag auf einem CSU-Parteitag in München. Dabei brauche es jetzt politische Gestaltung. „Die Lage ist zu ernst, um zu schweigen.“

Sie irrlichtert, sie wirkt zunehmend überfordert.

Markus Söder, CSU-Chef über Nancy Faeser

Und über Faeser sagte Söder: „Sie irrlichtert, sie wirkt zunehmend überfordert.“ Söder forderte erneut eine „Integrationsgrenze“, anders ließen sich die Herausforderungen nicht stemmen. Man sage Ja zu Humanität, aber Nein zu einer unkontrollierten Zuwanderung nach Deutschland. „Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik in unserem Land.“

Grüner Hofreiter kritisiert Pläne von Faeser

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter kritisierte die Pläne von Faeser. „Die Abschaffung der Binnengrenzen ist ein historischer Erfolg der Europäischen Union, den wir nicht zurückdrehen dürfen’, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. „Ich kann nur davor warnen, die Grenzkontrollen auf Polen und Tschechien auszuweiten.“

Scharf ging Hofreiter auch mit der geplanten europäischen Asylreform ins Gericht, die Asylverfahren auch an den EU-Außengrenzen vorsieht. „Ich fürchte, dass sich de facto nichts verändert – außer dass es unmenschlicher wird“, sagte er. „Mit dieser Asylreform werden wir das Chaos in den Lagern von Moria und Lampedusa noch übertreffen.“

Hofreiter betonte: „Diese Asylreform bringt eine Verschärfung für die Geflüchteten, ohne die Gesamtsituation zu verbessern. Es werden dadurch nicht weniger Menschen den lebensgefährlichen Weg nach Europa auf sich nehmen, und die Asylverfahren werden auch nicht besser funktionieren. Welchen Grund sollte Italien haben, plötzlich schnelle und vernünftige Verfahren zu machen? Italien ist jetzt schon in der Verantwortung und winkt die Flüchtlinge einfach durch.“(lem mit Agenturen)

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