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Beamte der Bundespolizei stehen bei der Einreise nach Deutschland am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke.

© dpa/Patrick Pleul

„Die Ampel steht auf der Bremse“: Deutschlands Haltung in der Asylfrage verärgert die EU

Um die Migration nach Europa zu begrenzen, will die EU ihr Asylsystem reformieren. Dass sich die Bundesregierung bei einer umstrittenen Verordnung enthält, sorgt in Brüssel für Unmut.

Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen für Migranten mit einer geringen Bleibeperspektive, Abschiebungen und eine europaweite Verteilung von Asylbewerbern in begrenztem Umfang – so sieht es der Asylkompromiss vor, den Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihre europäischen Amtskollegen Anfang Juni gefunden hatten.

Doch der Kompromiss für das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) wankt inzwischen wieder – weil die Bundesregierung in einem anderen Punkt der gegenwärtigen Brüsseler Asylverhandlungen bremst.

In Brüssel kommt die Haltung der Bundesregierung schlecht an. Während die Flüchtlingszahlen weiter steigen, nehme die Bundesregierung eine Position ein, die „als sehr prinzipiengeleitet, fast schon ideologisch“ wahrgenommen werde, hieß aus EU-Diplomatenkreisen. „Der Druck auf Deutschland wird zunehmen“, hieß es weiter.

Konkret geht es um die so genannte EU-Krisenverordnung. Dieses EU-Gesetz soll Teil des gesamten GEAS-Paketes mit mehreren Verordnungen und Richtlinien werden, das eigentlich noch vor der Europawahl im kommenden Juni verabschiedet werden soll. Die geplante Reform des EU-Asylsystems hat vor allem das Ziel, die irreguläre Migration Richtung Europa zu begrenzen.

Bedenken wegen Absenkung der Standards für Schutzsuchende

Mit der umstrittenen Krisenverordnung will die EU dabei auf eine Lage reagieren können, wie sie die Gemeinschaft schon 2021 erlebte und wie sie sich nun wiederholt:  Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko lässt offenbar mit Unterstützung Russlands systematisch Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze bringen.

Einzelne Mitgliedstaaten sollen mit der neuen Verordnung im Fall von „höherer Gewalt“ oder der „Instrumentalisierung“ von Flucht durch einen Drittstaat die Möglichkeit haben, Flüchtlinge länger in Grenznähe unterzubringen – und zwar über den Zeitraum von zwölf Wochen hinaus.

Im vergangenen Juli enthielt sich Berlin bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung äußerte Bedenken, weil aus ihrer Sicht die Absenkung der Standards für Schutzsuchende zu weit ging. Dagegen fordern Polen und Ungarn eine noch drastischere Ausgestaltung der Krisenverordnung.

Entscheidend ist aber das Stimmverhalten Deutschlands: Würde Berlin der Krisenverordnung zustimmen, könnten auch Polen und Ungarn keine Sperrminorität mehr organisieren.

Wegen des Streits hakt es inzwischen in Brüssel bei den Verhandlungen über das gesamte GEAS-Paket. Das EU-Parlament hat mittlerweile eine Blockade der Verhandlungen in einigen Bereichen der Asylreform angekündigt, weil die Mitgliedstaaten in der Debatte über die Krisenverordnung keine gemeinsame Linie finden können.

Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin gehört zu denen, die auf einen zügigen Abschluss der Beratungen zur Krisenverordnung drängen.
Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin gehört zu denen, die auf einen zügigen Abschluss der Beratungen zur Krisenverordnung drängen.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Die EU-Innenminister wollen ihre Beratungen über die umstrittene Verordnung bei ihrer nächsten Sitzung am kommenden Donnerstag in Brüssel fortsetzen. Zu den Staaten, die auf einen zügigen Abschluss bei der Krisenverordnung drängen, gehören Frankreich, Italien und die Niederlande.

Ein Sprecher des Innenministeriums teilte auf Anfrage mit, Faeser treibe „die Verhandlungen zum gemeinsamen europäischen Asylsystem weiter voran“. Nach seinen Worten hänge es „nicht nur von der Position Deutschlands ab, dass es zu einer Einigung kommt, sondern von allen 27 Mitgliedsstaaten“. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die Beratungen auf EU-Ebene „schnellstmöglich weitergehen, um den Abschluss der GEAS-Reform bis Frühjahr 2024 zu erreichen“.

Ich frage mich, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt hat und die EU-Asylreform wirklich will.

Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, kritisierte indes die Haltung der Bundesregierung. „Auch bei der Krisenverordnung, die im Notfall eine Absenkung der Standards bei Asylverfahren ermöglichen soll, steht die Ampel auf der Bremse“, sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel. „Das gefährdet die Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den Mitgliedsländern über die gesamte Asylreform“, sagte er weiter.

Laut Weber könne man die EU-Asylreform nur im Paket beschließen. „Ich frage mich, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt hat und die EU-Asylreform wirklich will“, fügte er hinzu.

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