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Bundeskanzler Olaf Scholz spricht während der 60. Münchner Sicherheitskonferenz. Es waren 50 Staats- und Regierungschefs und etwa 100 Minister am Ort.

© dpa/Felix Hörhager

„Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“: Große Worte, großer Kanzler?

Die Sicherheitskonferenz in München: Der Ort, an dem sich Olaf Scholz zur Führung verpflichtet hat. Dahinter kommt er nicht zurück.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es gibt so Sätze, die bleiben. Die sich gleichsam eingraben ins Gedächtnis, weil sie so groß sind. Das gilt zumal für Politiker in Führungsverantwortung. Ein solcher Satz ist der von Olaf Scholz, dem amtierenden Bundeskanzler: „Ohne Sicherheit ist alles andere nichts.“

Dieser Satz, vom Kanzler auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor den versammelten Staats- und Regierungschefs ausgesprochen, hat das Zeug, zum Leitmotiv für alles zu werden, was kommt. Denn meint Scholz das, was er sagt, auch wirklich so, dann leitet sich davon alles zukünftige Handeln ab. Wäre der Begriff der „Zeitenwende“ nicht schon erfunden, hier wäre er spätestens angebracht.

In jeder Kanzlerschaft kommt ein Punkt, an dem es ums Prinzip geht, ums Ganze. So jetzt bei Scholz. Er hat sich selbst ein Ausweichen oder gar einen Rückzug als Möglichkeit verschlossen. Der Bundeskanzler kommt hinter diesen Satz nicht mehr zurück, nicht ohne Schaden für sich, erst recht nicht ohne Schaden fürs Land.

Im Gegenteil, Scholz muss liefern, in zweifacher Hinsicht: Einmal Waffen an die Ukraine, die in diesem Moment existenziell bedroht ist, zum anderen weitere Milliarden im Finanzierungsplan zukünftiger Bundeshaushalte. Bei schwächelnder Wirtschaft.

Die Ukraine – ein Kampf am Rande der Niederlage

Die Ukraine schaut gerade in den Abgrund der Niederlage. Anbrandende Angriffswellen der Russen haben ihre Truppen und Munitionsvorräte lebensbedrohlich erschöpft. Nicht nur die blanken Worte von Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz sind Beleg dafür.

Auch die Art und Weise, wie er sie vortrug, heiser und angestrengt, dazu warnend, mahnend, bittend. „Bitte fragen Sie die Ukraine nicht, wann der Krieg zu Ende sein wird. Fragen Sie sich das selbst. Slava Ukraini (es lebe die Ukraine)!“

Wenn die Ukraine leben soll, nur schon überleben, von einem Sieg gegen die Aggressoren nicht mehr zu reden, dann ist die Welt der Demokratien aufgerufen, schnell noch mehr zu tun. Deutschland tut viel, ist nach den USA der zweitstärkste Geber, gibt allein dieses Jahr sieben Milliarden aus, um der Ukraine zu helfen, sich zu verteidigen. Und doch reicht es nicht. Nicht jetzt, nicht auf Dauer, nicht für das, was im Blick auf Russland noch kommen kann.

Darum gewinnt der Satz von Scholz umso mehr Wucht, je länger er steht, nicht relativiert, nicht eingeschränkt wird. Deutschland als Europas stärkste Volkswirtschaft, als europäische Orientierungsmacht, muss Europa anführen. Muss es zu mehr Engagement führen. Das hat der Bundeskanzler versucht, unmissverständlich, und er hat erste Erfolge. Tschechien, zum Beispiel, will Hunderttausende Schuss Artilleriemunition liefern. So gesehen munitioniert er nicht nur die Ukraine auf.

Nur effektive Abschreckung hilft

Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt, dass Deutschland sich auf eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Russland einstellen muss und dass „effektive Abschreckung unsere Lebensversicherung“ wird. Wenn das Staatsräson ist, für das Land, und Leitlinie für Europa und für die Nato in der Welt – dann wird national eine Kraftanstrengung ohnegleichen nötig.

Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes fürs Militär werden nicht ausreichen, bei Weitem nicht. Weiß Pistorius – und Scholz auch. Dabei war das schon schwierig zu erreichen, mit manch buchhalterischer Verrenkung. So lässt sich Sicherheit aber nicht dauerhaft gewährleisten.

„Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“ – das bedeutet für die Bundeshaushalte der Zukunft Eingriffe, Einschnitte, ja einen völlig neuen Zuschnitt. Das Anspannen aller Kräfte muss deshalb die Opposition mit einbeziehen. Die ist doch immer zugleich Regierung im Wartestand, und solche gleichsam historischen Entscheidungen für die kommenden Jahre binden auch sie.

Der Bundeskanzler hat sehr große Worte gewählt. Daran wird er gemessen werden. Bei ihm ist Führung bestellt. Wer die will, bekommt sie auch. Noch ein bleibender Satz von ihm. So sieht es jetzt aus: Olaf Scholz kann sich nicht mehr drücken.

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