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ARCHIV - 08.06.2023, Berlin: Ein Schild mit dem Logo des rbb steht vor dem Gebäude des Senders.  (zu dpa: «RBB richtet seine Kulturwelle neu aus») Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Fabian Sommer

Update

„Jeder wusste von den Abendessen“: Enge Mitarbeiterin Schlesingers belastet RBB-Führung

Im RBB-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags belastet die ehemalige Leiterin der Intendanz große Teile der Führungsebene des Senders. Auch Wolfgang Ischinger sagte aus.

| Update:

Die Kosten stiegen ins Unermessliche. Doch im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) gab es bis zum Ende der Zeit von Skandalintendantin Patricia Schlesinger wohl nie ernsthafte Zweifel an der Notwendigkeit des geplanten „Digitalen Medienhauses“. Das wurde am Freitag im Untersuchungsausschuss zum RBB-Skandal des Brandenburger Landtags deutlich. Die Abgeordneten vernahmen dort die ehemalige Leiterin der Hauptabteilung Intendanz, Verena Formen-Mohr. Auch Wolfgang Ischinger, der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, sagte aus. In der Vernehmung zerpflückte Formen-Mohr gleich mehrfach Aussagen, die andere Zeugen zuvor vor dem Ausschuss gemacht hatten.

Seit November 2021 wusste der RBB von möglichen Baukosten in Höhe von bis zu 188 Millionen Euro. Geplant waren ursprünglich aber nur Kosten von 125 Millionen Euro. Im Juni 2022 wurde mit dem Generalunternehmer für das Medienhaus, der Baufirma Implenia, ein Höchstbetrag von 125 Millionen Euro für das digitale Medienhaus festgelegt.

Im Hintergrund kursierten aber bereits höhere Beträge: Der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Wolf-Dieter Wolf, war ebenso informiert wie Chefredakteur David Biesinger, sagte Formen-Mohr am Freitag. Biesinger hatte vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass er nur „bruchstückhaft mit Finanzierungszahlen vertraut gewesen“ sei. Formen-Mohr erklärte nun, dass der Chefredakteur vor einer Sitzung des Verwaltungsrates im März 2022, an der er teilgenommen habe, eine „komplette Vorbereitung“ erhalten habe. „Er hat eine Woche vorher alle Unterlagen erhalten.“ Und auch zahlreiche andere Spitzenvertreter des RBB wussten von der Kostenüberschreitung.

Es waren keine privaten Abendessen. Es waren Essen für den RBB: Im Büro der Intendanz wusste jeder von den Abendessen.

Verena Formen-Mohr, enge Mitarbeiterin von Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger

Eine Aussage des Finanzchefs Claus Kerkhoff wollte sie vor dem Ausschuss indes nicht bestätigen: Kerkhoff hatte erklärt, Schlesinger vor den Kostenüberschreitungen gewarnt zu haben. Ihr sei nur ein Gespräch von Kerkhoff mit Schlesinger bekannt geworden – und das habe einen völlig anderen Inhalt gehabt: Er habe Nachfolger von Verwaltungschef Hagen Brandstäter werden wollen. Bei Schlesinger sei dies, so Formen-Mohr, aber nicht auf offene Ohren gestoßen. „Sie hat mir gesagt: Wenn er wirklich Verwaltungsdirektor werden will, muss er erst einmal ein Coaching machen“, sagte Formen-Mohr im Ausschuss.

Bereitwillig berichtete Formen-Mohr auch über die umstrittenen Abendessen in der Privatwohnung der Intendantin. Sie seien in einem von allen Sekretärinnen und Referenten der Intendanz einsehbaren Kalender verzeichnet gewesen. „Es waren keine privaten Abendessen“, sagte Formen-Mohr. „Es waren Essen für den RBB: Im Büro der Intendanz wusste jeder von den Abendessen.“

Die Abendessen sollten ursprünglich als „medienpolitischer Abend“ für Vertreter der Stadt Berlin mit einem inhaltlichen Input in einem Hotel stattfinden. Aus Kostengründen habe man die Veranstaltung immer weiter verkleinert. Nach Rücksprache mit der juristischen Direktorin habe man beschlossen, die Abendessen in der Wohnung Schlesingers durchzuführen.

Doch auch wenn die Zeugin Formen-Mohr am Freitag detailreich über die Verhältnisse im Sender berichtete: Ob sie auch eigene Verantwortung für das RBB-Debakel trug, blieb weitgehend im Dunkeln. „Wir hatten von fast allen Zeugen gehört, dass sie keine Einblicke in fast alle Entscheidungsprozesse hatten“, fragte die Grünen-Abgeordnete Carla Kniestedt irgendwann im Ausschuss. „Sie haben aber fast alle gesagt, dass Sie fast als einzige Einblicke in alle Abläufe hatten. Können Sie mir das erklären?“ Doch Formen-Mohr konnte das nicht.

Ischinger: Nicht erklärungsbedürftige Kontaktpflege

Wolfgang Ischinger verteidigte die Abendessen im Haus der ehemaligen RBB-Intendantin. „Ich habe das als dienstliche Veranstaltung betrachtet“, sagte der frühere deutsche Botschafter in Washington am Freitag im RBB-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass mich Frau Schlesinger als Multiplikator einlud, der ich auch bin.“

Aus Sicht von Ischinger sei das Essen eine „für mich nicht erklärungsbedürftige Kontaktpflege seitens der Intendantin“ gewesen. Neben ihm hätten auch der jüdische Historiker Michael Wolfssohn, die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik oder der Chef der Charité an dem Treffen teilgenommen. Slowik hatte im Nachgang das Treffen als „privat“ bezeichnet.

Wolfgang Ischinger, früherer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz
Wolfgang Ischinger, früherer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz

© dpa/Peter Kneffel/Archiv

„Die Notwendigkeit, Kontaktpflege in die Zivilgesellschaft, in die Politik, die Wirtschaft und Medienwelt zu machen, erschien mir selbstverständlich“, sagte Ischinger. „Ich halte das nicht nur in meinem Beruf, sondern auch im Beruf der Leitung einer öffentlich-rechtlichen Institution für einen notwendigen Teil der Aufgabenbeschreibung: Wenn ein Intendant solche Bemühungen nicht macht, hat er den Beruf verfehlt, er ist ja kein Verwaltungsdirektor.“

Gefragt wurde Ischinger auch, ob im Hause Schlesinger „selbst gekocht“ oder „das Essen geliefert“ wurde. „Ich habe den Kochvorgang nicht verfolgt, aber ich schließe aus der Art des Abends, dass da nicht das Ehepaar Schlesinger vier Stunden gekocht hat, sondern dass es da Catering gab“, antwortete Ischinger. Den Abgeordneten gab Ischinger Nachhilfeunterricht: „Wenn Sie der Chef eines Ministeriums in Brandenburg sind, müssen Sie auch der Öffentlichkeit erklären, was Sie da vorhaben“, sagte Ischinger. „Und aus meiner Sicht ist eine solche Veranstaltung Teil einer notwendigen und wünschenswerten Kommunikationsstrategie.“ Für ihn selbst sei das Fazit solcher Begegnungen gewesen: „Aha, der RBB, der schläft nicht, da tut sich was, was die Rolle dieses Berliner Senders im großen ARD-Teich angeht – das hat mich positiv beeindruckt.“

Vorgeladen war am Freitag auch der ehemalige Vorsitzende des Verwaltungsrates des RBB, Wolf-Dieter Wolf. Er erschien jedoch vor dem Ausschuss nicht. Der Ausschuss will deswegen nun Zwangsmaßnahmen gegen Wolf bei Gericht beantragen – dazu könnte etwa eine polizeiliche Vorführung des Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss gehören.

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