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Von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erwartet die Gewerkschaft der Polizei Maßnahmen angesichts vermehrter Schleusungen über die belarussische Hauptstadt Minsk.

© AFP/Sergei Supinsky

Flüchtlingsroute aus Belarus: „Da muss unsere Außenministerin handeln“

Nach Erkenntnissen der Bundespolizei befördern Fluggesellschaften Menschen mit zweifelhaften Visa aus der Türkei, Pakistan und dem Irak nach Belarus. Die Reise geht dann aber weiter nach Deutschland.

Es gibt viele Gründe, warum derzeit die Zahlen der Asylanträge in Deutschland wieder steigen: Mehr Menschen als im Vorjahr wagen die gefährliche Flucht über das Mittelmeer, die in den meisten Fällen ihren Ausgangspunkt in Tunesien und Libyen hat. Weitere Flüchtlinge kommen über die Balkanroute, die inzwischen über Polen führt. Und dann gibt es noch die Route von Minsk Richtung EU.

Der starke Anstieg der Einreisen von Asylsuchenden über die Grenzen von Polen und Tschechien nach Deutschland spreche dafür, dass viele Flüchtlinge bewusst von Russland über Belarus über Umwege in die EU eingeschleust würden, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der „Augsburger Allgemeinen“.

„Wir erleben eine Folge hybrider Kriegsführung von Seiten Russlands, bei der gezielt Flüchtlinge unmittelbar aus Syrien und anderen Krisengebieten eingeflogen und durchgeschleust werden, mit dem Ziel, Europa zu destabilisieren“, sagte Mützenich weiter.

Die EU muss mit Sanktionen drohen, wenn unter falschen Angaben Visa erschlichen werden.

Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei

Zuvor hatte die Bundespolizei Ende September mitgeteilt, dass sich im August der steigende Trend bei der Zahl unerlaubter Einreisen nach Deutschland fortgesetzt hat. 14.701 solcher Grenzübertritte wurden von der Bundespolizei im August registriert, 5855 Einreisen mehr als im Vorjahresmonat und knapp 4000 mehr als im Juli dieses Jahres.

Steckt hinter den Zahlen auch eine hybride Kriegsführung von Kremlchef Wladimir Putin und des mit ihm verbündeten belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko? Nach Auskunft der Gewerkschaft der Polizei (GdP) lässt sich das nicht beurteilen.

Allerdings verfüge die Bundespolizei über die Erkenntnis, dass wie schon im Jahr 2021 erneut Fluggesellschaften daran beteiligt seien, Menschen mit Visa zum Studium oder zur Arbeitsaufnahme nach Belarus zu befördern, sagte der Vorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dem Tagesspiegel. Die betreffenden Personen blieben dann aber nicht vor Ort, sondern würden weiter Richtung Deutschland geschickt, so Roßkopf.

Nach seinen Angaben würden die beteiligten Fluggesellschaften vor allem Personen aus der Türkei, Pakistan und dem Irak nach Belarus bringen. Es stelle sich die Frage, ob die zuvor erteilten Visa unter falschen Angaben erstellt worden seien. „Und da müssen wir natürlich ansetzen“, forderte Roßkopf.  „Die EU muss mit Sanktionen drohen, wenn unter falschen Angaben Visa erschlichen werden“, verlangte er.

Ein solches Vorgehen brachte vor zwei Jahren greifbare Ergebnisse. Damals waren neben der staatlichen belarussischen Fluggesellschaft Belavia auch andere Airlines an der Schleusung Schutzsuchender nach Belarus beteiligt. Die EU drohte unter anderem mit Sanktionen gegen die türkische Fluggesellschaft Turkish Airlines. Anschließend gab die Regierung in Ankara seinerzeit bekannt, dass die Türkei Personen aus Syrien, dem Irak und dem Jemen von ihrem Staatsgebiet nicht mehr nach Belarus fliegen lasse.

Für Sanktionen gegen einzelne Airlines hatte sich damals auch der geschäftsführende Außenminister Heiko Maas (SPD) ausgesprochen. Mit Blick auf dessen Amtsnachfolgerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte Roßkopf: „Da muss unsere Außenministerin handeln.“

Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, hält es für falsch, auf die zunehmenden Schleusungen von Migranten mit einer EU-Krisenverordnung zu antworten.
Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, hält es für falsch, auf die zunehmenden Schleusungen von Migranten mit einer EU-Krisenverordnung zu antworten.

© dpa/Michael Kappeler

Inwieweit der belarussische Machthaber Lukaschenko bei den Schleusungs-Aktionen von 2021 auf eigene Rechnung handelte oder dabei unter dem Einfluss Putins stand, blieb seinerzeit offen. Jedenfalls sagt der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter: „Es ist leider bekannt, dass Autokraten wie Putin versuchen, Menschen auf der Flucht zu instrumentalisieren.“

Es sei „absolut verwerflich“, Menschen, die vor Krieg und Hunger aus ihrer Heimat fliehen, für eigene Interessen zu missbrauchen, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel weiter. „Es ist in Putins Interesse, die EU zu destabilisieren.“

Wenn nun vermehrt Menschen über die Minsk-Route nach Deutschland kommen, solle die EU nach Auffassung von Hofreiter nicht darauf antworten, „indem sie das ohnehin schon problematische Asylsystem in Europa noch weiter verschlechtert“.

Die umstrittene Krisenverordnung, mit der unter bestimmten Voraussetzungen längere Aufenthalte von Asylbewerbern unter haftähnlichen Bedingungen an den EU-Außengrenzen ermöglicht werden sollen, würde auf diese Politik Russlands „mit menschenverachtenden Maßnahmen“ reagieren. „Das ist falsch“, so Hofreiter.

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