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Die Brücke in Tschonhar, die die Krim und das Festland verbindet, wurde offenbar von ukrainischen Raketen beschädigt.

© Twitter

Ukraine beschießt Krim-Brücke: „Ein positives Signal für den weiteren Verlauf der Gegenoffensive“

Erneut hat die Ukraine russische Versorgungslinien beschossen. In der Nacht wurde eine Verbindungsbrücke zwischen der Krim und dem Festland durch Raketen beschädigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Der ukrainischen Armee ist in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag erneut ein Angriff auf die russischen Versorgungslinien gelungen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Angriff, dem entstandenen Schaden und zur Bedeutung für den weiteren Kriegsverlauf.

1 Wo ereignete sich der Angriff?

Nach russischen Angaben wurde die Tschonhar-Brücke mit Raketen beschossen und beschädigt. Sie verbindet die bereits 2014 von Russland annektierte Krim mit dem Festland im Süden der Ukraine und führt von der Halbinsel zu einem von russischen Truppen kontrollierten Teil der Oblast Cherson.

Die Brücke, auch „Tor zur Krim“ genannt, ist Teil einer Straße, die vom russischen Militär genutzt wird, um sich zwischen der Krim und anderen von Russland besetzten Teilen der Ukraine zu bewegen. Auch eine Bahnlinie verläuft einige Kilometer weiter westlich. Ob sie ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist derzeit nicht bekannt.

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Nach Angaben des von Russland eingesetzten Gouverneur für die Region Cherson, Wladimir Saldo, setzte die Ukraine bei ihrem Angriff sogenannte Storm-Shadow-Raketen ein. Die Marschflugkörper besitzen eine Reichweite von 250 Kilometern und ermöglichen es der Ukraine, russische Ziele weit hinter der Front anzugreifen. Im Fall der Tschonhar-Brücke sind es 120 Kilometer.

2. Wie groß ist der Schaden an der Krim-Brücke? 

Die Straße sei beschädigt worden, der Verkehr werde umgeleitet, erklärte Saldo. Opfer habe es nicht gegeben. Auch die kleinere, stillgelegte Brücke neben dem Hauptübergang wurde getroffen. Eine dritte Rakete verfehlte ihr Ziel.  „Wir wissen, wie man Brücken schnell repariert“, erklärte Saldo über den Messenger-Dienst Telegram.

Am Nachmittag hieß es jedoch, die Reparatur der Brücke könnte mehrere Wochen dauern. Das berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf einen entsandten Mitarbeiter des Verkehrsministeriums aus Moskau.

3. Welche Bedeutung hat der Angriff für die Verteidigungsmöglichkeiten Russlands?

Drei Hauptstraßen und zwei Eisenbahnlinien schließen die Krim logistisch ans Festland an: darunter die besagte Brücke bei Tschonhar sowie die weiter östlich gelegene Brücke über die Straße von Kertsch, die bereits im vergangenen Jahr durch einen ukrainischen Angriff mit einem mit Sprengstoff beladenen Lkw zwischenzeitlich zerstört wurde. Zuletzt hatten sich die Angriffe auf russische Infrastruktur auf der Krim im Vorfeld der Gegenoffensive wieder gehäuft.

Beide Linien dienen dazu, die auf der Krim stationierten Marine- und Reservearmeeeinheiten zu versorgen. In die andere Richtung ist das „Tor zur Krim“ für Russland die kürzeste Verbindung, um Soldaten, Waffensystem, Treibstoff und weitere Güter möglichst schnell via Zug und Lkw an die Front im Süden der Ukraine zu bekommen. Also genau dort, wo derzeit der Hauptangriff der ukrainischen Gegenoffensive erfolgt.

Abhängig vom Zustand der Brücken könnte das nun deutlich länger dauern. Die Ausweichroute über den Ort Armjansk liegt gut 100 Kilometer weiter westlich, der Weg dementsprechend weiter.

Die Brücken bei Tschonhar, die die Krim und das Festland miteinander verbinden.

© Quelle: Twitter / @yarotrof

Eine andere Lösung stellen Behelfsbrücken dar, auf die Russland im Laufe des Kriegs bereits zurückgegriffen hat. Doch auch ihr Aufbau braucht Zeit. Eine gleichwertige Transportroute sind sie ebenso wenig.

Wie schwer dieser und mögliche weitere Angriffe auf die Krim-Brücken in Zukunft wiegen, hängt vor allem davon ab, wie viele Ressourcen Russland auf der Krim stationiert hat.

„Man unterscheidet zwischen taktischen Reserven, die sich unmittelbar im Hinterland der Front befinden und operativen Reserven, die aus sicherer Entfernung dorthin verschoben werden, wo akut Gefahr droht“, erklärt Militärexperte Oberst Markus Reisner im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Alles, was auf der Krim stationiert sei, zählt für Reisner zu den operativen Reserven.

Aus seiner Sicht könne man den Angriff auf die Tschonhar-Brücke deswegen durchaus als Indiz dafür deuten, dass die russischen Reserven direkt hinter der Front durch die ukrainische Gegenoffensive zunehmend Verluste erleiden. „Womöglich ist Russland demnächst gezwungen, operative Reserven aus größerer Entfernung heranzuführen“, sagt Reisner, „und die Ukraine versucht das bereits jetzt zu verhindern.“

Mit Sicherheit sagen ließe sich das zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Dennoch wertet er den Angriff als „positives Signal für den weiteren Verlauf der Gegenoffensive“.

Im entscheidenden Moment zählt Schnelligkeit

Derzeit belaufen sich die Gebietsgewinne der Ukraine entlang der beiden Hauptachsen im Süden in der Oblast Saporischschja und westlich der Stadt Donezk in der Tiefe auf einige Kilometer. Ziel ist ein Durchstoßen der massiven russischen Stellungen, dem derzeit ein Abnutzungskampf vorausgeht.

Für beide Seiten kommt es beim Heranführen der operativen Reserven auf Schnelligkeit an: entweder um Geländegewinne zu sichern oder die schwächelnde Verteidigung zu verstärken.

„Eine zerstörte Brücke oder Bahnlinie kann hier für die entscheidende Verzögerung sorgen“, sagt Experte Reisner mit Blick auf den Raketenangriff vom Donnerstag. Weitere Angriffe auf die Krimbrücken hält er deswegen für wahrscheinlich. (Mit Agenturmaterial)

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