zum Hauptinhalt
Polizisten stehen Wache vor dem Krankenhaus, in das der Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio eingeliefert wurde, nachdem er bei einer Kundgebung in Quito angeschossen worden war, am 9. August 2023.

© AFP/GALO PAGUAY

Mord an Präsidentschaftskandidat: Wird Ecuador zum „Failed State“?

Keine zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen wird einer der Kandidaten, Fernando Villavicencio, auf offener Straße erschossen. Der Vorfall dokumentiert den Absturz der Andennation.

Es sind Bilder, die unter die Haut gehen: Es ist Mittwochabend, der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio ist gerade auf dem Weg zu seinem Auto, begleitet von Sicherheitskräften. Er kommt von einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito.

Als er im Auto Platz nimmt, fallen Schüsse. Sie treffen Villavicencio. Auf der Straße und in dem Gebäude bricht Panik aus. Menschen bringen sich in Sicherheit, werfen sich zu Boden. Helfer bringen den Politiker in die „Clinica de la Mujer“, doch dort kann man nichts mehr tun.

„Wir waren nur wenige Meter von ihm entfernt“, sagte ein Onkel des Kandidaten der Zeitung „El Universo“. „Als wir gingen, fielen 40 Schüsse. Wir haben soeben die Bestätigung erhalten, dass er gestorben ist. Es ist ein unbeschreiblicher Schmerz für die Familie.“

Präsident Lasso versprach, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.

 Tobias Käufer

Hintergründe zur schlechten Sicherheitslage Ecuadors

Der Tag ist eine Zäsur für Ecuador: Am 20. August wird gewählt. Eigentlich sollte damit die politische Krise im Land beendet werden. Um einem Amtsenthebungsverfahren zu entkommen, hatte der konservative Präsident Guillermo Lasso im Mai das Parlament aufgelöst. Er stand in der Kritik.

Das Land erleidet eine schwere Wirtschaftskrise, gegen sein Umfeld gibt es Korruptionsvorwürfe. Während Lassos Amtszeit gab es immer wieder teils gewalttätige Demonstrationen, die mit brutaler Härte der Polizei niedergeschlagen wurden.

Die Sicherheitslage in Ecuador wurde seitdem zusehends schlimmer: In den Gefängnissen kosten Bandenkämpfe Hunderte Menschenleben. Es kommt zu Attentaten auf Kommunalpolitiker, Aktivisten werden ermordet. Die Alltagskriminalität steigt. Der Mord an Präsidentschaftskandidat Villavicencio, er ist ein neuer Höhepunkt dieser Entwicklungen.

Fernando Villavicencio.
Fernando Villavicencio.

© Imago/Daniel Molineros

Mord vermutlich politisch motiviert

Die unklare Beweislage lässt bisher nur Vermutungen zu, wer für seinen Tod verantwortlich ist. Eine Bande namens „Los Lobos“ übernahm in einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Video die Verantwortung, warf Villavicencio Korruption und Wortbruch vor. Einem weiteren Präsidentschaftskandidaten drohten sie ebenfalls.

Nahe liegt, dass der Kandidat wegen seines politischen Engagements ermordet wurde. Villavicencio ging für die Mitte-Bewegung „Construye“ ins Rennen um das Präsidentschaftsamt. Er arbeitete als Journalist, berichtete über Korruptionsfälle, legte sich mit den mächtigen Eliten rund um den linken Ex-Präsidenten Rafael Correa an. Und mit der Familie des aktuellen Präsidenten Lasso.

Der Mord an Villavicencio dürfte auch Einfluss auf das Wahlverhalten der Menschen haben. 

Tobias Käufer

Im Wahlkampf machte er die außer Kontrolle geratene Sicherheitslage im Land zum Thema. Dem Sender CNN sagte Villavicencio vor wenigen Wochen: "Heute wird Ecuador von Jalisco Nueva Generación, dem Sinaloa-Kartell und auch von der albanischen Mafia beherrscht.“ Ohne die Duldung der politischen Macht sei es dem Drogenhandel nicht möglich, sich in einer Gesellschaft zu etablieren und sie zu unterjochen.

Der Politiker sprach offen über den Einfluss des Drogenhandels und der Mafia, verurteilte den Bergbau und die Erdölförderung. Am 20. August wird die Bevölkerung neben den allgemeinen Wahlen in einem Referendum abstimmen, ob die Ölförderung im ecuadorianischen Amazonas gestoppt werden soll. In Umfragen vor den Wahlen landete Villavicencio mal auf Platz zwei, mal weiter hinten.

Wie geht es in Ecuador zukünftig weiter?

Wie es nach seinem gewaltsamen Tod weitergeht, ist unklar. Präsident Lasso versprach, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Ernst nimmt den gescheiterten Regierungschef allerdings kaum noch jemand. Der Mord an Villavicencio dürfte auch Einfluss auf das Wahlverhalten der Menschen haben.

In Lateinamerika gewannen zuletzt wieder Politiker an Zustimmung, die für eine harte Law-and-Order-Politik stehen, wie Präsident Nayib Bukele in El Salvador.

70.000
mutmaßliche Bandenmitglieder ließ er verhaften, unter denen mehrere Tausend Unschuldige vermutet werden.

Kritiker beklagen die Aufhebung des demokratischen Rechtsstaats, seinen hohen Zustimmungsraten zufolge scheint die Bevölkerung allerdings hinter seiner Politik zu stehen.

In Ecuador ordnete Lasso am Donnerstag eine dreitägige Staatstrauer an. Der Leiter der Wahlbehörde stellte unterdessen klar: Die Wahlen am 20. August finden statt. Nun mit einem Kandidaten weniger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false