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Wahlkampf in Lima. Unterstützer des linken Kandidaten Pedro Castillo.

© Gian Masko/AFP

Superwahlsonntag in Lateinamerika: Peru und Ecuador entscheiden über Präsidenten, Bolivien über Gouverneure

Urnengang in Zeiten der Pandemie: Korruption ist das drängendste Thema bei den Präsidentschaftswahlen. Deren Ergebnisse völlig offen sind.

Ausgerechnet im besonders stark von der zweiten Covid-19-Welle betroffenen Südamerika finden an diesem Sonntag in gleich drei Ländern richtungsweisende Wahlen statt. In Peru und Ecuador wird ein neuer Präsident gewählt, in Bolivien in vier Provinzen über den Gouverneur entschieden.

In allen drei Ländern hat es in den letzten Jahren politische Umbrüche gegeben, die von schweren Unruhen begleitet waren. Dementsprechend polarisiert waren dort auch die Wahlkämpfe. Peru ist das Land in Südamerika, das am stärksten unter der Corona-Pandemie leidet. Fast 55 000 Menschen sind dort bislang an Covid-19 gestorben. Das sind 0,17 Prozent der 32 Millionen Einwohner des Landes, es ist der höchste Wert der Region.

Die Wahlen in Peru sind vom großen Vertrauensverlust in die politischen Eliten gekennzeichnet. Dazu hat besonders der „Vacunagate“-Skandal beigetragen: Im Februar wurde bekannt, dass Ex-Präsident Martín Vizcarra sich in der Impfreihenfolge vorgedrängelt hatte. Aber nicht nicht nur er, sondern auch Ministerinnen, Unternehmer, Lobbyisten, Universitätsrektoren und sogar der Nuntius des Vatikans, der zur Rechtfertigung allen Ernstes sagte, dass er ein „Berater in ethischen Fragen“ sei.

Die Affäre hat die Peruaner in der Auffassung bestärkt, dass die Korruption das Land im Griff hält. Derzeit laufen Ermittlungen oder es gibt einen Verdacht gegen vier Ex- Präsidenten, zwei Ex-Bürgermeister von Lima, eine Präsidentschaftskandidatin, mehr als 60 von 130 Kongressmitgliedern und mehrere Industrielle.

Drei Präsidenten innerhalb von sechs Tagen

Bereits im November hatte Peru deswegen eine turbulente Woche erlebt. Präsident Vizcarra wurde vom Kongress wegen Korruption abgesetzt, worin viele Peruaner allerdings einen Vorwand ebenfalls korrupter Parlamentarier sahen, ihre Interessen zu schützen. Es kam zu Protesten, bei denen zwei Jugendliche von der Polizei getötet wurden, und drei Präsidenten drückten sich binnen sechs Tagen die Klinke in die Hand.

Die Unzufriedenheit mit dem politischen Personal spiegelt sich in den Umfragen wider. Von den 18 Präsidentschaftskandidaten liegen sechs technisch gleichauf, keiner erreicht mehr als 15 Prozent.

Es sind der Populist Yohny Lescano, die linke Ex-Abgeordnete Verónika Mendoza, der konservative Ökonom Hernando de Soto, der ultra- rechte Unternehmer Rafael López, die ebenfalls ultrarechte Keiko Fujimori (Tochter des wegen Menschenrechtsverletzungen inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori) sowie der religiös-rechte Ex-Fußballtorwart George Forsyth, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und in der Saison 2002/2003 für Borussia Dortmund spielte.

Es ist völlig offen, wer von ihnen an diesem Sonntag vorne liegen und in die Stichwahl gehen wird.

Trotz seiner Verurteilung hat Correa großen Einfluss

Klarer sind die Verhältnisse in Perus kleinerem Nachbarland Ecuador. Dort findet am Sonntag trotz ansteigender Corona-Infektionszahlen und voller Intensivstationen die Stichwahl ums Präsidentenamt statt. Wie fast überall in Lateinamerika stehen sich rechts und links unversöhnlich gegenüber, der Wahlkampf war geprägt von Schmutzkampagnen.

Für die Linke tritt Ex- Minister Andrés Arauz an. Er ist der Kandidat des sogenannten Correísmo, benannt nach dem linken Ex-Präsident Rafael Correa (2007 - 2017). Correa lebt heute in Belgien, weil er in Ecuador wegen Bestechlichkeit verurteilt wurde. Er übt aber nach wie vor großen Einfluss aus. Auf Twitter folgen ihm fast 3,5 Millionen der 17 Millionen Ecuadorianer.

Der eine will mehr, der andere weniger Staat

Ándres Arauz verspricht eine Ausweitung staatlicher Sozialleistungen und 1000 Dollar Soforthilfe für die Armen. Der Dollar ist die offizielle Währung Ecuadors, die auch Arauz nicht abschaffen will – obwohl seine Gegner das hartnäckig behaupten.

Arauz stellt zudem die Rückkehr staatlicher Preiskontrollen für Benzin und Diesel in Aussicht. Deren Aufhebung im Rahmen eines Kredits des Internationalen Währungsfonds hatten im Jahr 2019 zu schweren Protesten gegen die Regierung des aktuellen Präsidenten Lenin Moreno geführt. Arauz’ Rivale ist der Ex-Banker und liberal-konservative Politiker Guillermo Lasso. Er verspricht weniger Staat und will die Wirtschaft durch Steuersenkungen und Bürokratieabbau ankurbeln. Und er strebt ein Freihandelsabkommen mit den USA an – ein entscheidender Unterschied zu Arauz, der wieder engere Beziehungen zu den links regierten Ländern Lateinamerikas möchte.

Beide Kandidaten unterscheiden sich auch durch Alter und Herkunft. Während der erst 36-jährige Arauz aus der Hauptstadt Quito im indigen dominierten Andenhochland stammt, kommt der 30 Jahre ältere Lasso aus der konservativen Küstenstadt Guayaquil. In den Umfragen liegen beide gleichauf. Grund dafür ist auch der im ersten Wahlgang nur knapp hinter Lasso ins Ziel gekommene Indigenen-Führer Yaku Pérez. Er hat seine Wähler aufgerufen, sich zu enthalten.

Bolivien wählt in vier Provinzen

Schließlich wird an diesem Sonntag noch in Bolivien gewählt. In vier Provinzen stehen Stichwahlen um die Gouverneursposten an, darunter im symbolisch wichtigen Departement der Metropolregion von La Paz und El Alto. Sie gelten als Gradmesser für die Regierung des linken Luis Arce, die seit fünf Monaten im Amt ist. In der ersten Runde der Lokalwahlen im März verlor seine Bewegung zum Sozialismus (MAS) fast 20 Prozent der Stimmen und gewann nur drei von neun Gouverneursposten. Sollte die MAS die Stichwahlen ebenfalls verlieren, hätte Luis Arce Probleme: weil das riesige Bolivien ohne die Kooperation der Provinzen nur schwer zu regieren ist.

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