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Ein Polizeiwagen in Berlin im Görlitzer Park Streife. (Archivbild von 2015)

© dpa/Paul Zinken

Nach Vergewaltigung im Görlitzer Park: Die schärfste Waffe gegen die AfD ist nicht Schweigen, sondern Handeln

Seit Jahren gilt der Görlitzer Park in Berlin als Fanal schwacher Politik. Das Schweigen darüber macht die Sache nur schlimmer. Die beste Brandmauer gegen Radikale ist entschlossene Politik.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Es gibt diese politischen Igittigitt-Themen. Politiker fassen sie am liebsten gar nicht oder nur im äußersten Notfall an – weil sie besonders schwer zu lösen sind oder weil sich wenig damit gewinnen lässt.

Der Görlitzer Park in Berlin ist wohl so ein Beispiel dafür, auch das Bahnhofsviertel in Frankfurt und viele weitere Orte, an denen der Staat Schwierigkeiten beim Durchsetzen öffentlicher Ordnung hat.

Es gibt diese Orte vermutlich in fast jeder größeren Stadt. Dankbar werden diese Themen dagegen meist von all denen aufgenommen, die sofort angeblich einfache Lösungen parat haben (die dann nie funktionieren). Besonders der AfD.

Im Görlitzer Park in Berlin sind die Probleme mit Flüchtlingen und Gewalt seit Jahren bekannt. An Lösungen hat sich mancher versucht. Auch weil die Probleme so komplex sind, sind bisher aber alle gescheitert. Die von den Grünen vorgeschlagenen bunten Kreidekreise für Dealer halfen ebenso wenig wie tägliche Razzien der Polizei eines Innensenators der CDU.

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Man schwieg dann darüber. Bis der Park jetzt durch den schlimmstmöglichen Vorfall wieder in die bundesweite Öffentlichkeit drängt: eine Gruppenvergewaltigung, mutmaßlich begangen durch einst nach Deutschland geflüchtete Drogendealer.

Nichthandeln sorgt für Politikverdrossenheit

Besonders progressive Politiker bemühen sich zu betonen, dass doch alles gar nicht so schlimm sei. Is’ eben Kreuzberg. Während insbesondere Frauen vor Ort in Angst leben, betonen andere schnell, man dürfe sich jetzt bloß nicht in eine womöglich rassistische Debatte drängen lassen, weil woanders ja viel mehr Frauen ... man möchte diesen Gedanken nicht ausschreiben.

Dabei ist das Gegenteil wahr: Man muss sie gerade führen, diese Debatte darüber, was dort schiefläuft an diesem Ort. Was die Hintergründe sind, was schnell dagegen zu tun ist und wo es Hinweise auf weit größere Probleme gibt. Sonst überlässt man das Feld aus lauter Angst vor ihnen allein den Populisten. Das ist wie Kapitulation aus Angst vor der Niederlage.

Denn das Thema ist doch da: Damit an deutschen Kaffeetafeln und Bürotischen jetzt über die Gefahren von Vergewaltigungen in Parks geredet wird, über Drogenmissbrauch und toxische Männlichkeit, braucht es doch keine Emotionalisierung durch eine radikal rechte Partei. Das Thema ist emotional. Es findet statt. Wenn in einem Park Menschen, die dort (zumindest vielfach) nicht sein dürften, Dinge tun, die verboten sind, und damit Menschen schädigen, die dort leben, dann gibt es ein real existierendes Problem.

Das Beispiel Görlitzer Park kann als Blaupause für mögliche Lösungen dienen, weil es im Verhältnis zu anderen Themen – Klimawandel, Wohnungsbau, Staatsfinanzen – verhältnismäßig überschaubar ist und sich doch bundesweit relevante Themen auf kleinem Raum abspielen.

Julius Betschka

Würden demokratische Politiker dafür mutig eigene Lösungen anbieten, wären wir auch weniger damit beschäftigt, andauernd absurde bis menschenverachtende Forderungen der AfD zurückweisen. In einem demokratischen Rechtsstaat haben die Menschen einen Anspruch auf ihre Lösung – dafür zahlen sie Steuern, halten sich an Regeln, gehen wählen. Alles andere führt (unter anderem) zu Politikverdrossenheit.

Das Beispiel Görlitzer Park kann als Blaupause für mögliche Lösungen dienen, weil es im Verhältnis zu anderen Themen – Klimawandel, Wohnungsbau, Staatsfinanzen – verhältnismäßig überschaubar ist und sich doch bundesweit relevante Themen auf kleinem Raum abspielen: Kurzfristig muss der Staat in solchen Fällen Handlungsfähigkeit beweisen. Die mutmaßlichen Täter müssen geschnappt und verurteilt werden. Lösungen wie nächtliche Sperrungen des Parks und mehr Polizei können das Sicherheitsgefühl der Anwohner rasch erhöhen und zeigen: Wir haben verstanden. Langfristig wird das nicht reichen.

Zugewandtheit und Härte – der Staat muss beides zeigen

Der Park in Kreuzberg leidet unter einer europäischen wie nationalen Flüchtlingspolitik, unter der alle Seiten mehr als nötig ächzen: die Flüchtlinge und die aufnehmenden Länder. Die meist jungen Männer müssen arbeiten dürfen, sie brauchen natürlich mehr Unterstützung beim Schulbesuch, bei der Integration – egal, wie ihre Bleibeaussichten sind.

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Gewalttäter müssen natürlich abgeschoben werden. Der Park muss komplett umgebaut werden, er steht – mitten im Herzen der deutschen Hauptstadt – sonst als Fanal für einen schwachen Staat. Der muss aber beides zeigen: Zugewandtheit und Härte.

Es ist doch so: Das Verschweigen von Problemen löst sie nicht, es lässt sie vielmehr im Dunkeln gedeihen. Die so oft zurecht geforderte Brandmauer zur radikalen AfD darf demnach auch keine Schweigemauer zu bestimmten Themen sein. Sie muss sich zusammensetzen aus gut durchdachten Angeboten für eine entschlossene Politik.

Bei Umfragen danach, welche Partei die Probleme der Zukunft am besten lösen, kommt die Option „keine“ mit seit Jahren steigenden Werten auf Rang eins. Um das zu ändern, müssen die Politiker demokratischer Parteien gerade bei heiklen Themen beweisen, dass sich die Menschen irren.

Fangt im Görlitzer Park an. Wenn es nicht mal dort geht, wie sollen die Menschen dann darauf vertrauen, dass es woanders klappt? Wer keine echten Lösungen präsentiert, muss sich über den Beifall für vermeintliche Lösungen kaum wundern.

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