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Videoscreenshot, der den Übergriff eines Lehrers auf einen Schüler (Schlag ins Gesicht) und dessen Reaktion - einen Tritt gegen den Lehrer, dokumentiert. 
Ernst Abbe Gymnasium in Neukölln

© Screenshot

Update

Nach Schlägerei wegen Palästina-Flagge: Polizei zeigt Präsenz an Gymnasium in Berlin-Neukölln

Am Montag gerieten ein Lehrer und ein 15-Jähriger am Ernst-Abbe-Gymnasium wegen Palästina-Devotionalien aneinander. Nun kam die Polizei vor Unterrichtsbeginn.

| Update:

Das Ernst-Abbe-Gymnasium wird ab Dienstag vorübergehend von Wachleuten geschützt. Wie der Tagesspiegel erfuhr, besuchte ein Polizist die Schule in Berlin-Neukölln vor Unterrichtsbeginn. Zudem seien die Beamten im örtlichen Abschnitt sensibilisiert worden, wie das Präsidium mitteilte. Auch Polizeifahrzeuge wurden vor der Schule postiert.

Hintergrund ist ein Vorfall vom Montag. Das im Internet kursierende Video zeigt eine Schlägerei zwischen einem Schüler und einem Lehrer. Auslöser soll der Auftritt eines 14-jährigen Jugendlichen gewesen sein, der am Montag mit einem Palästinensertuch vermummt und einer Palästina-Flagge als Umhang auf dem Schulhof an der Sonnenallee erschien.

Laut Polizei sprach am Montag ein 61-jähriger Lehrer den maskierten 14-Jährigen auf seine Palästina-Flagge an. Den Angaben zufolge wollte der Pädagoge dem Jungen das Tragen der politischen Symbole verbieten. Daraufhin griff der Polizei zufolge ein 15-Jähriger in die Debatte ein, baute sich vor dem Lehrer auf und soll ihm einen Kopfstoß versetzt.

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Der Lehrer wehrte sich demnach und schlug den Schüler ins Gesicht. Der Schüler trat den Lehrer – so ist es im Video zu sehen – nieder. Beide sollen über Schmerzen geklagt haben, es wurden Anzeigen erstattet.

Mehrere Polizeiwagen sowie Einsatzkräfte sind vor dem Eingang des Ernst-Abbe-Gymnasiums in der Sonnenallee präsent.

© Julius Geiler

Der Vorfall ist offenbar nicht der einzige. Lehrerinnen anderer Berliner Schulen berichteten dem Tagesspiegel von judenfeindlichen Ausfällen muslimischer Schüler. Darunter soll es heftigste Vernichtungsphantasien und Ausrufe gegeben haben, den angeblich von Juden dominierten Westen zu zerstören. Islamistische Terrororganisationen würden glorifiziert. Die Pädagoginnen wollen aus Angst vor Rassismusvorwürfen anonym bleiben.

Vor den Ernst-Abbe-Gymnasium ist am Dienstagvormittag der Vorfall des Vortages Gesprächsthema Nummer Eins. Viele Schüler tauschen sich in der Pause vor dem Eingang der Schule auf der Sonnenallee mit Lehrern über die Gewalt-Szene von Montag aus. Die Berliner Polizei ist mit einen Mannschaftswagen präsent.

Es ist friedlich. Laut wird es, als plötzlich als eine GEW-Demonstration für bessere Bildung und kleinere Klassen durch die Sonnenallee zieht. Viele Schüler filmen den Aufzug, vereinzelt rufen Jugendliche „Free, Free Palestine“, obwohl das wenig mit dem Protest der Lehrergewerkschaft zu tun hat. „Was ist das für eine Demo? Wallah, richtig behindert“, sagt eine Schülerin zu ihren Freundinnen.

Nach Angaben der Bildungsverwaltung wurden die Vorgänge am Dienstag zunächst in einer Dienstbesprechung der Lehrkräfte an der Schule thematisiert. Es folgten sogenannte Klassenleitungsstunden mit den Schülerinnen und Schülern, in denen ebenfalls darüber geredet wurde.

„Dabei wurden die Vorfälle auf dem Schulhof ebenso angesprochen wie die Auswirkungen der terroristischen Hamas-Attacke allgemein auf die Welt und konkret auf das Miteinander in Berlin und in der Schule“, erklärte ein Sprecher der Bildungsverwaltung. „Es wird zeitnah ein Gespräch von Schulaufsicht und Schulleitung mit den zwei Schülern, die derzeit noch suspendiert sind, und deren Eltern geben“, kündigte er an. „Auch die Schulpsychologie bietet in der Schule Unterstützung an.“

Bürgermeister Hikel: Nahost-Konflikt in Schulen ausgetragen

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) warnte am Dienstag davor, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern an manchen Schulen den Unterricht erschwere. Er beobachte, dass der Nahost-Konflikt auch an einzelnen Schulen seines Bezirks schon seit Längerem ausgetragen wird, sagte Hikel dem RBB-Sender Radio Eins.

Dabei gehe es vor allem um Schüler und Schülerinnen, die in ihren Familien viel arabische Medien, etwa Fernsehsender und Internetportale, konsumierten. In manchen Familien sehe man das Thema genauso wie bei den jubelnden Demonstranten auf der Straße.

Er stehe dazu mit den Schulen und dem Senat dazu in Kontakt, sagte Hikel: „Weil natürlich kann es nicht sein, dass ein Konflikt, der Tausende von Kilometer von Berlin stattfindet, hier auch dafür sorgt, dass unter Umständen die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen nicht vernünftig unterrichten können.“

Eine einfache Antwort auf die Frage, wie Lehrer reagieren sollten, gebe es aber leider nicht, sagte Hikel. Er forderte auch unter anderem muslimische Religionsgemeinschaften auf, Stellung gegen den Terror zu beziehen und ihn zu verurteilen, um einen Konsens in der Gesellschaft zu schaffen. Das würde vielen helfen, sagte Hikel.

In den Klassenräumen und auf den Schulhöfen ist der Nahost-Konflikt Thema Nr. 1. Unsere Lehrkräfte brauchen mehr außerschulische Unterstützung in der pädagogischen Arbeit.

Marcel Hopp, SPD-Bildungspolitiker und Lehrer in Neukölln.

Auch SPD-Bildungspolitiker Marcel Hopp verurteilte am Dienstag den Gewaltvorfall an der Neuköllner Schule und warnte zugleich vor Kürzungen im Bildungsetat. „Die Eskalation im Nahostkonflikt macht nicht vor den Schultoren halt. Es zeigt sich, warum strukturelle Kürzungen⁩ in Demokratiebildung, Antidiskriminierung/Antisemitismus fatal wären. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Parlament die Kürzungen der Senatsbildungsverwaltung rückgängig machen“, sagte Hopp, der zugleich Lehrer an einer Neuköllner Schule ist.

„Gewaltvorfälle wie der gestrige an einem Neuköllner Gymnasium sind inakzeptabel und konsequent zu ahnden. Die Herausforderungen sind aber viel größer: In den Klassenräumen und auf den Schulhöfen ist der Nahost-Konflikt Thema Nr. 1. Unsere Lehrkräfte brauchen mehr außerschulische Unterstützung in der pädagogischen Arbeit“, äußerte Hopp sich weiter.

„Jude“ als Schimpfwort

Auch der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, Samuel Salzborn, hält ein stärkeres Vorgehen gegen Hass auf Juden und auf den Staat Israel an Schulen für nötig. „Antisemitismus muss in den Schulunterricht als festes Themenfeld verankert werden“, sagte Salzborn am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Wir kommen nicht umhin, hier nachzusteuern.“

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Nach den Erfahrungen Salzborns haben Antisemitismus und Hass auf Israel bei Berliner Schülern in den letzten 10 bis 15 Jahren deutlich zugenommen. Auch Kinder und Jugendliche aus Familien mit muslimischen und arabischen Wurzeln hätten diese Einstellungen. „Das Problem ist virulent, in der Vergangenheit gab es auch immer wieder Gewaltvorfälle in dem Zusammenhang“, sagte Salzborn.

„Dass das Wort Jude als Schimpfwort und auch als Drohung benutzt wird, ist weit verbreitet.“ Das löse bei jüdischen, aber auch anderen Mitschülerinnen und Mitschülern Angst aus.

Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich TSP

Nach seiner Einschätzung sollten die Rahmenlehrpläne bundesweit entsprechend verändert werden, zumindest in Fächern wie Ethik oder Sozialkunde. Infrage kämen auch Geografie oder zum Beispiel Musik, da oft sogenannter Gangsta-Rap antisemitische Bezüge habe.

„Wir hören immer wieder, dass Eltern jüdischer Kinder diese abmelden von staatlichen Schulen und sie in jüdischen Schulen anmelden.“ Die Bildungsverwaltung versuche in solchen Fällen, Betroffenen unbürokratisch zu helfen und einen Schulwechsel zu ermöglichen.

Nach dem Massaker der islamistischen Hamas im Süden Israels ist die Zahl der Toten auf mindestens 900 gestiegen – und noch konnten israelische Sicherheitskräften offenbar nicht alle Orte restlos durchsuchen. Wie die Regierung in Jerusalem mitteilte, wurden zudem mindestens 2600 Männer, Frauen und Kinder durch die islamistischen Terroristen verletzt. 

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