Berlinpreis für Wirtschaft: Mit Robotern und Künstlicher Intelligenz zu den Kunden ins Haus
Zwei innovativen Unternehmen wurde am Montag im Tagesspiegel-Haus der Berlinpreis für Wirtschaft verliehen. Unternehmer und andere Entscheider diskutierten Konzepte für die Zukunft der Hauptstadt.
Die Entscheidung der Jury sei knapp gewesen, sagte Stephanie Bschorr, Präsidiumsmitglied beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), bei der Verleihung des Berlinpreises für Wirtschaft am Montagabend im Tagesspiegel-Verlagshaus am Askanischen Platz in Kreuzberg. Nur ein Punkt habe die Preisträgerin in der Kategorie „Unternehmerischer Erfolg“ vom Zweitplatzierten getrennt. Doch am Ende setzte sich die GIG Unternehmensgruppe durch.
Die GIG ist spezialisiert auf technisches Facility-Management und Energiedienstleistungen. Vor 25 Jahren legte Torsten Hannusch den Grundstein für den Aufstieg der familiengeführten Unternehmensgruppe. Erst zu Jahresbeginn war die promovierte Physikerin Lisa Hannusch, die Tochter des Gründers, mit nur 33 Jahren offiziell in die Geschäftsführung der Gruppe aufgerückt. Mitgesellschafterin war sie jedoch bereits seit 2012 gewesen.
Innovation im Handwerk
In den vergangenen Jahren habe sich die GIG zu einem „Wegbereiter für die Digitalisierung“ entwickelt in der Branche. Professionell setze die Gruppe neuen Technologien wie die Künstlichen Intelligenz (KI) ein. Alle unternehmensinternen Abläufe spielten sich heute in der Cloud ab, also papierlos. Auch bei der Produktentwicklung arbeite GIG nah am Puls der Zeit, habe sich als wichtiger Player für den Bau und Betrieb von Solaranlagen etabliert.
Eigentlich müsse ihr Vater hier stehen, sagte Lisa Hannusch, geschäftsführende Gesellschafterin der GIG, als sie den Preis entgegennahm. „Aber mit der Nachfolge erbt man anscheinend auch die positiven Punkte.“ Soziales Engagement wie die Unterstützung von Projekten gegen Jugendarbeitslosigkeit sei dem Gründer stets eine Herzensangelegenheit gewesen – und werde nun fortgeführt.
Die handwerklichen Berufe leiden unter enormen Nachwuchsmangel. Hannusch wünscht sich, dass mehr junge Frauen technische Berufe erlernen. Das könne nur gelingen, wenn das Handwerk attraktiver werde und nach außen modern wirke, meint sie. Tatsächlich werden Handwerksprofis in den kommenden Jahren noch viel stärker gefragt sein, denn nur sie können technische Anlagen montieren, die zum Beispiel für die Energiewende dringend benötigt werden.
Das Handwerk spielte auch bei der Verleihung des Preises in der Kategorie „Newcomer des Jahres“ eine zentrale Rolle. Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, stellte den Sieger vor: Das Start-up Conbotics mit Sitz in Charlottenburg entwickelt einen Roboter für Malerarbeiten.
„Bei Robotern denkt man eher an Star Wars“, sagte der Laudator, aber Filmfiguren wie C3PO könnten nicht malern. Der Conbotics-Roboter hingegen sei eine echte Hilfe, denn er nehme den menschlichen Fachkräften monotone und zeitintensive Tätigkeiten wie das Streichen von Wänden und Decken ab. Die Fachleute könnten sich auf kompliziertere Aufgaben wie das Streichen von Ecken und Kanten konzentrieren, sagte Jung.
Die Maschine besteht aus einer selbständig fahrenden Plattform, die sich mithilfe von Sensoren im Raum orientiert, sowie einem darauf montierten Roboterarm. Letzterer kann zum Beispiel eine Sprühpistole bedienen.
Der Mitgründer Philipp Heyne erklärte: „Unser Ziel ist es nicht, die Menschen durch Robotik zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen.“ Der schweigsame Kollege aus Metall könne die Arbeit „angenehmer machen“. Das trage auch dazu bei, dass das Handwerk für junge Menschen wieder attraktiver wird.
Die Gründer Cristian Amaya Gómez, Philipp Heyne und David Franke lernten einander am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik kennen. Im Juni 2020 gründeten die drei Ingenieure ihr Start-up. Der Roboter, der sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung befindet, soll den Plänen zufolge schon 2024 auf den Markt kommen.
Erfolgsfaktor Weltoffenheit
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) konnte nicht persönlich an der Verleihung teilnehmen, schickte aber eine Video-Grußbotschaft. Die Preisträger stünden „exemplarisch für die Berliner Erfolgsstory“, sagte die Politikerin, die vom Moderator, dem Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff, augenzwinkernd als „regierende Senatorin“ angekündigt worden war.
Der zukünftige Wohlstand hänge vor allem davon ab, wie die Gesellschaft mit dem Klimawandel umgehe. Um die Energiewende zu bewältigen, müsse sich die Hauptstadt auf ihre „herausragende Innovationskraft“ besinnen. Die sei jedoch nur gewährleistet, wenn Berlin ein Magnet bleibe für Fachkräfte aus dem Ausland. Weltoffenheit sei ein „wichtiger Standortfaktor“.
Nach der Preisverleihung sprachen drei Größen der Berliner Wirtschaft in einer von Casdorff moderierten Diskussionsrunde über Zukunftschancen und Hemmnisse: Joachim Spitzley, Chef des Farbenherstellers Bito AG, Caroline Toffel, Vorständin der Berliner Volksbank und Matthias Trunk, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgers Gasag. Diese Unternehmen haben den Berlinpreis für Wirtschaft als Partner unterstützt.
Langfristige Perspektiven
Spitzley kritisierte, der Politik in Land und Bund fehle eine „langfristige Perspektive für Gestaltung“. Aufgabe der Politikerinnen und Politiker sei es schließlich, über die aktuelle Legislaturperiode hinaus zu denken und zu planen, sodass die Wirtschaft auf Kontinuität und zuverlässige „Leitplanken“ vertrauen könne. Doch stattdessen werde über Fragen gestritten, die gesamtgesellschaftlich von geringer Bedeutung seien: „Was bringt es uns, wenn der Mehrwertsteuersatz auf Hafermilch reduziert wird?“, fragte der Unternehmer rhetorisch.
Was bringt es uns, wenn der Mehrwertsteuersatz auf Hafermilch reduziert wird?
Joachim Spitzley, Bito AG
Auch die Bankerin Toffel sagte, sie wünsche sich mehr „langfristige Gesamtkonzepte“, etwa in der Verkehrsplanung. Anstatt in emotionalen Debatten über Fahrverbote in einzelnen Straßen zu streiten, müsse die politische Führung „Interessen zusammenführen“. Wie es gehen könne, hätten andere Städte in Europa bereits gezeigt, in denen vor vielen Jahren ausgefeilte Verkehrskonzepte etabliert wurden.
Der Gasag-Vorstand Matthias Trunk brachte auch Lob zum Ausdruck: Ein vernünftiger Ansatz sei die Roadmap für die Entwicklung der Tiefen Geothermie in Berlin, die von Franziska Giffey und der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) initiiert wurde. Das Land fördert Tiefenbohrungen im Stadtgebiet, um Standorte für die zukünftige Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energiequellen zu finden. „Das kann kein Unternehmen leisten“, sagte Trunk. Das wirtschaftliche Risiko sei zu hoch. Daher sei eine staatliche Investition sinnvoll und „mutig“. Sobald die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen seien, könne die private Wirtschaft ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten.
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