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Mit der Reform will die Bundesregierung Deutschland unter anderem für Fachkräfte attraktiver machen.

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Auch Mehrstaatigkeit zugelassen: Kabinett beschließt niedrigere Hürden für Einbürgerung

Grundsätzlich soll es schon nach fünf Jahren Aufenthalt möglich sein, den deutschen Pass zu beantragen. Ein Überblick über die Inhalte.

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Wer gut integriert ist, soll künftig einfacher den deutschen Pass bekommen. Das Kabinett stimmte am Mittwoch einem Gesetz von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu, das nicht nur Anforderungen senkt, sondern auch Mehrstaatigkeit zulässt. Für die Einbürgerung gelten aber weiterhin Bedingungen zur wirtschaftlichen und demokratischen Integration.

Mit der Reform will die Bundesregierung Deutschland unter anderem für Fachkräfte attraktiver machen. „Wir werden die besten Köpfe in der Welt nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können – mit allen demokratischen Rechten“, sagte Faeser. Für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sei ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ein entscheidender Schlüssel.

Zugleich solle die vom Kabinett beschlossene Reform für Teilhabe sorgen. „Wir wollen, dass Menschen, die längst Teil unserer Gesellschaft sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können“, sagte Faeser. „Denn unsere Demokratie lebt davon, dass alle mitmachen. Unsere Demokratie braucht Menschen, die sich für sie einsetzen und starkmachen.“

Nach Einschätzung von Grünen-Chef Omid Nouripour nützt das neue Gesetz Deutschland auch wirtschaftlich. „Denn im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte waren die hohen Hürden bisher ein Nachteil“, sagte er. „Nun stärken wir die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland, indem wir schneller die Perspektive auf Einbürgerung bieten.“

Mit der heutigen Kabinettsentscheidung werden wir den Ansprüchen an ein modernes Einwanderungsland gerecht und würdigen die Beiträge, die von der Generation der Gast- und Vertragsarbeitenden geleistet wurden“, erklärte Nouripour. „Das sind gute Nachrichten für die Menschen, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen und trotzdem nicht wählen dürfen.“

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann lobte das Gesetz. Der FDP-Politiker schrieb auf X, vormals Twitter, damit würden auch die Regeln für Transferleistungsempfänger verschärft. „Denn wir brauchen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme!“

Die Union im Bundestag hält die Reform für einen großen Fehler. „Das Gesetz sendet die falschen Signale in einer Zeit, in der die Integrationsprobleme in unserem Land immer größer werden und die illegale Migration völlig aus dem Ruder läuft“, sagte Innenpolitiker Alexander Throm (CDU). Fraktionsvize Andrea Lindholz warnte, der Doppelpass verstärke politische Einflussmöglichkeiten ausländischer Staaten in Deutschland.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat der Ampel-Koalition einen leichtfertigen Umgang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht vorgeworfen. Sie zerstöre damit den gesellschaftlichen Konsens der vergangenen zwanzig Jahre, sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten.

Die Inhalte des Gesetzes im Überblick:

  • Einbürgerungsfrist: Menschen aus dem Ausland, die schon lange legal in Deutschland leben, sollen sich künftig bereits nach fünf Jahren um den deutschen Pass bewerben können. Bislang beträgt die Frist im Regelfall acht Jahre. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ soll eine Einbürgerung künftig sogar schon nach drei Jahren möglich sein. Dies können etwa gute Sprachkenntnisse, ehrenamtliches Engagement oder sehr gute Leistungen in Schule oder Beruf sein.
  • Doppel-Pass: Bislang galt – bis auf wenige Ausnahmen – das Prinzip: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, muss die alte Staatsbürgerschaft ablegen. Künftig soll Mehrstaatigkeit grundsätzlich möglich sein. Der Entwurf verweist darauf, dass viele Zugewanderte bislang vor dem Verzicht auf die alte Staatsbürgerschaft zurückscheuen - auch wegen emotionaler Verbundenheit zu ihrem Herkunftsland beziehungsweise dem ihrer Eltern.
  • Kinder: Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen künftig ohne weiteren Vorbehalt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bislang lag die Frist bei acht Jahren. Prinzipiell können in Deutschland geborene Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit und die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erhalten und dauerhaft behalten.
  • Sprachkenntnisse: Besondere Erleichterungen sollen für Angehörige der sogenannten Gastarbeitergeneration gelten, die oft schon Jahrzehnte in Deutschland leben. Diese älteren Migrantinnen und Migranten sollen künftig keinen schriftlichen Deutsch-Test mehr machen müssen, um eingebürgert zu werden. Der Nachweis mündlicher Sprachkenntnisse soll reichen. Auch sollen sie keinen schriftlichen Einbürgerungstest mehr machen müssen.

    Mit diesen Erleichterungen soll die „Lebensleistung“ dieser älteren Generation gewürdigt werden, heißt es in dem Entwurf. Sie gelten für Menschen, die vor Juni 1974 in die Bundesrepublik gekommen sind oder vor 1990 als Vertragsarbeitende in die damalige DDR.
  • Bekenntnis zum Grundgesetz: Das auch bisher schon verlangte Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung wird präzisiert. Der Entwurf stellt klar, dass „antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind.

    Neu eingeführt wird mit der geplanten Reform eine „Übermittlungsregelung“: Die Staatsanwaltschaften müssen der Einbürgerungsbehörde auf Anfrage mitteilen, ob jemand, der sich um den deutschen Pass bewirbt, schon einmal wegen einschlägiger Straftaten verurteilt wurde.
  • Lebensunterhalt: Grundsätzlich soll nur die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wer den Lebensunterhalt für sich und unterhaltsberechtigte Familienangehörige aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Es gibt allerdings eine Reihe von Ausnahmen, etwa für einstige „Gastarbeiter“, die bis 1974 nach Deutschland gekommen sind oder frühere DDR-Vertragsarbeiterinnen- und arbeiter.

    Außerdem gelten Ausnahmen für alle, die in den zurückliegenden zwei Jahren mindestens 20 Monate in Vollzeit gearbeitet haben sowie deren Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner bei einer familiären Gemeinschaft mit mindestens einem Kind. Für Alleinerziehende oder für Menschen mit Beeinträchtigungen sind sogenannte Ermessenseinbürgerungen möglich.

Ausdrücklich ausgeschlossen sind daher Menschen, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben. Voraussetzung soll auch sein, dass man seinen Lebensunterhalt in der Regel ohne Sozialleistungen bestreiten kann.

Nach dem Beschluss im Kabinett wird der Gesetzentwurf an den Bundestag weitergeleitet. Wenn das Parlament zustimmt, kann er in Kraft treten. (AFP, dpa)

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