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Die Hochwasserlage macht den Menschen in den betroffenen Regionen Deutschlands weiter zu schaffen.

© dpa/STR

Update

Wasserflächen könnten gefrieren: Was der Wetterwechsel für die Hochwasserlage bedeutet

Für die Hochwassergebiete kann keine Entwarnung gegeben werden. Bis zum Ende der Woche regnet es stellenweise weiter, dann wird sich die Lage drastisch ändern.

Die Hochwasserlage in Deutschland hat sich durch weitere Niederschläge verschärft. Nach ergiebigem Dauerregen am Dienstag sind die Pegel vieler Bäche und Flüsse erneut angestiegen, vor allem in Teilen Niedersachsens und Bremens. Mittlerweile drohen die Deiche aufzuweichen, stellenweise kam es bereits zu Deichrissen.

Der bereits über Tage anhaltende Wasserdruck und teils wieder steigende Pegelstände lassen laut einem Experten aktuell die Gefahr für örtliche Deichbrüche anwachsen. „Bislang haben wir keine Deichbrüche gesehen, da der technische Hochwasserschutz gut funktioniert und vor allem die Katastrophenhilfe ausgezeichnet organisiert ist“, sagte der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen an der Leibniz Universität Hannover, Torsten Schlurmann, der Deutschen Presseagentur.

Bis Donnerstag regnet es in den kritischen Gebieten weiter, der Deutsche Wetterdienst erwartet von Niedersachsen bis zum Schwarzwald sowie in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen weiterhin gebietsweise große Regenmengen. Innerhalb von 30 bis 60 Stunden sind 30 bis 50 Liter pro Quadratmeter, im Bergland bis zu 100 Liter möglich. 

Hochwasserwarnungen für Deutschland
Hochwasserwarnungen für Deutschland

© Quelle: Hochwasserportal, Stand Donnerstag, 4. Januar, 14.30 Uhr

In Niedersachsen liegen weiter viele Pegelstände von Flüssen bei der Meldestufe 3. Das bedeutet, dass die Gefahr von größeren Überschwemmungen besteht. Betroffen waren Orte unter anderem an der Weser, Aller und Leine sowie teilweise auch deren Nebenflüsse.

Rekordniederschläge im Dezember

Für zahlreiche Gebiete warnte die Behörde vor hohen Pegelständen. So ist beispielsweise der Bremer Ortsteil Timmersloh von Überschwemmungen betroffen. Vielerorts stehen große Flächen unter Wasser. Mit zahlreichen Einsatzkräften kämpfen viele Orte und Städte gegen Überschwemmungen, sichern Deiche und errichten zusätzliche Schutzbarrieren. Angespannt ist die Lage in den Landkreisen Celle, Oldenburg, Emsland, Osterholz, Heidekreis und Verden. Auch in Bayern, Hessen und im Saarland stehen Landstriche unter Wasser.

In einigen Regionen Deutschlands, vor allem in Ostdeutschland, sind die tieferen Bodenschichten noch recht trocken und auch die Grundwasserpegel oft noch nicht wieder auf dem Stand vor der Dürre.

Fred Hattermann, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Hintergrund der Hochwasserlage sind die anhaltenden Niederschläge der vergangenen Tage. Der Deutsche Wetterdienst registrierte für den gesamten Dezember Rekordwerte, die Böden sind vielerorts so durchnässt, dass sie kein Wasser mehr aufnehmen können. Im Dezember fiel laut DWD mit ungewöhnlich hohen 114 Litern pro Quadratmeter fast 63 Prozent mehr Niederschlag als in der Referenzperiode 1961 bis 1990 (70 l/m²).

„Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verzeichneten den wohl nassesten Weihnachtsmonat seit Messbeginn“, so der DWD. Durch die außergewöhnlich hohen Niederschlagsmengen werde der Dezember 2023 voraussichtlich zu den zehn nassesten Monaten seit 1881 gehören. In den feuchten Gebieten im Nordwesten registrierten die Wetteraufzeichnungen zudem fast keine Sonneneinstrahlung.

Vor allem in den zentralen Mittelgebirgen und im Schwarzwald fielen teilweise mehr als 300 Liter. Die stärksten Überschwemmungen gab es bisher vor allem in Niedersachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Vergleichsweise niederschlagsärmer war der Dezember am Oberrhein mit Mengen um 50 Litern auf dem Quadratmeter. Verglichen mit dem langjährigen Mittel war der Dezember landesweit zudem zu warm.

Entspannung für Dürregebiete

Die extreme Dürre der vergangenen Jahre in Deutschland wurde nach Einschätzung des Hydrologen Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) durch die anhaltenden Niederschläge vorerst beendet. „Allerdings sind in einigen Regionen Deutschlands, vor allem in Ostdeutschland, die tieferen Bodenschichten noch recht trocken und auch die Grundwasserpegel sind oft noch nicht wieder auf dem Stand vor der Dürre“, so der Klimaforscher. Hier müsse sich erst noch zeigen, wie viel Wasser tatsächlich ins Grundwasser gelangt und wie sich der weitere Winter und auch die nächsten Jahre entwickeln.

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Eine Ursache dafür, dass 2023 das sechstfeuchteste Jahr seit Messbeginn war, vermutet Hattermann in den ungewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen des westlichen Atlantiks. Dies habe zu sehr hoher Verdunstung und damit auch viel Wasserdampf in der Atmosphäre geführt: „Durch die in unseren Breiten vorherrschenden Westwinde wurden diese feuchten Luftmassen nach Europa transportiert, wo es, in Folge einer schnell über Mitteleuropa ziehenden Kette von Tiefdruckgebieten, im Herbst und Winter zu sehr ergiebigen Niederschlägen und dann auch zu Hochwassern kam.“ 

Der Hydrologe Hattermann erwartet, dass Hochwasser und Dürren werden in Deutschlan weiter zunehmen. „Viele Studien, auch eigene, zeigen, dass mit steigenden globalen Temperaturen auch die Anzahl und Intensität von Extremen wie Hochwasser in Deutschland ansteigen“, so Hattermann. Dabei könnte die Realität die Modelle noch übertreffen. „Wir unterschätzen die Extreme noch, glaube ich, weil Klimamodelle nicht für solche Ereignisse angelegt sind, sondern vor allem zur Untersuchung von Klimasystemen und Änderungen im Klima.“

Eine Ursache für das aktuelle Hochwasser seien wahrscheinlich die für die Jahreszeit hohen

 Ein Hof im Bremer Ortsteil Timmersloh steht komplett unter Wasser.
Ein Hof im Bremer Ortsteil Timmersloh steht komplett unter Wasser.

© dpa/Sina Schuldt

Umdenken für Deichbau

Zum Hochwasserschutz betonte Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ betonte, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gebe. Den Flüssen müsse mehr Raum gegeben werden, es sei falsch, hohe Deiche direkt an die Flüsse zu bauen. „Der Fluss muss sich ausbreiten können“, sagte der Leiter des Deutschen Dürremonitors dem rbb. Hochwasserscheitel würden abgeflacht, wenn das Wasser seitlich abfließen könne.

Blick auf das Hochwassergebiet Lathen in Niedersachsen, nachdem der Fluss Ems über die Ufer getreten ist.
Blick auf das Hochwassergebiet Lathen in Niedersachsen, nachdem der Fluss Ems über die Ufer getreten ist.

© dpa/Lars Penning

Mittlerweile habe man viel aus früheren Hochwassersituationen gelernt. Marx zählt allein sechs Jahrhunderthochwasser in den letzten 30 Jahren auf. Dennoch sei die jeweils spezifische Situation zu beachten. Dass derzeit über drei Monate zu viel Regen gefallen ist, schaffe eine andere Situation als bei vorherigen Ereignissen.

 Ein verlassenes Fahrzeug steht im Hochwassergebiet der Ems. Ende er Woche sollen die Niederschläge nachlassen uns Frost einsetzen.
Ein verlassenes Fahrzeug steht im Hochwassergebiet der Ems. Ende er Woche sollen die Niederschläge nachlassen uns Frost einsetzen.

© dpa/Lars Penning

Weitere ergiebige Niederschläge sind also bis zum Ende der Woche möglich, allerdings nicht mehr so viel wie am Wochenanfang. In der kommenden Woche soll sich die Hochwassersituation dann deutlich entspannen. Laut Wetterprognosen hört der Regen zum Wochenende im Nordwesten auf und geht im Südosten in Schnee über. Dann folgt eine Abkühlung mit deutlich weniger Niederschlag im ganzen Land.

Mitte Dezember zeichneten sich Veränderungen in der Struktur des Polarwirbels in 32 Kilometern Höhe über der Arktis ab, die Kälteblase in großer Höhe wurde Richtung Mitteleuropa abgedrängt. Mit Folgen für die Großwetterlagen auf der Nordhalbkugel, die normalerweise zwei bis drei Wochen brauchen, bis sie in den unteren Schichten der Atmosphäre ankommen. Jetzt nun setzt sich die Strömungsumstellung in unserer Wetterküche durch: Anfang nächster Woche steht uns ein erster, noch zaghafter „Arctic Outbreak“ bevor, also ein Vorstoß kalter arktischer Luftmassen.

Hochwasser wird einfrieren

In der Folge zeigen einige Langfristmodelle für die nächsten Wochen weitere, dann auch massivere Polarluftvorstöße, die bis weit in die südlichen Breiten der Nordhalbkugel reichen können. In Skandinavien ist die extreme Kälte bereits angekommen, teilweise werden dort Jahrhundertrekorde verzeichnet. Diese Entwicklung ist allerdings noch sehr unsicher. Für die nächsten 10 bis 15 Tage sieht es aber zunächst winterlich aus.

Zum Wochenende wird sich voraussichtlich eine Luftmassengrenze über Deutschland aufbauen, auf deren kalter Seite dann auch im Südosten Schneefall und Dauerfrost einsetzt. Anschließend strömt unter einem kräftigen Hoch die Polarluft ein. Die regenreiche und milde Westströmung geht in eisiges Winterwetter mit mäßigem Dauerfrost und weniger Niederschlägen über. Das Hochwasser in den Flüssen kann abfließen.

Ab dem Ende der Woche sollen die Pegel der meisten Flüsse wieder fallen, am Rhein kann es noch etwas länger dauern.
Ab dem Ende der Woche sollen die Pegel der meisten Flüsse wieder fallen, am Rhein kann es noch etwas länger dauern.

© dpa/Jens Büttner

Meteorologen erwarten einen drastischen Wechsel, über Schneeflächen sind in Niederungen dann auch tagsüber zweistellige Minusgrade möglich. In den Überschwemmungsgebieten können voraussichtlich Wasserflächen über Land teilweise einfrieren. Betreten sollte man solche Eisflächen auf keinen Fall, da sie instabil sind.

Zum Glück sind die Frosttemperaturen in der kommenden Woche noch eher mäßig. Denn in den Hochwassergebieten steht das Wasser nicht nur auf den Feldern, sondern drückt auch auf die Deiche und hat Häuser überflutet. Strenger Dauerfrost mit zweistelligen Minusgraden würde in dieser Situation große Schäden anrichten. Die für die kommende Woche vorhergesagte mäßige Winterkälte mit trockener Luft dürfte dagegen für den Abfluss der Wassermassen weniger problematisch sein. 

Kälte nicht an feuchte Gebäude lassen

Baustatiker Norbert Gebbeken von der Universität der Bundeswehr warnt indessen vor Frostschäden an der Bausubstanz in den Überschwemmungsgebieten. „Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich um zehn Prozent aus“, erklärt der Bauingenieur. Diese Ausdehnung könne einen so hohen Druck erzeugen, dass Material oder Bauteile tatsächlich zerstört werden, vor allem, wenn Gebäudeteile bereits durchfeuchtet sind.

„Wenn nun mehrere Tage und Nächte mit Minusgraden um die zehn Grad kommen, muss man versuchen, die Kälte nicht in die durchnässten Gebäudeteile eindringen zu lassen“, so der Universitätsprofessor. Er empfiehlt Dämmplatten und Heuballen zum Schutz der Gebäude, ein Feuchtemessgerät aus dem Baumarkt könne Aufschluss darüber geben, ob gedämmt werden muss.

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