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Der deutsche Exportmotor stockt durch die ausbleibende Erholung des weltweiten Handels.

© dpa/Daniel Reinhardt

Zwischen Aufbruch und Rückschlägen: Deutsche Wirtschaft erholt sich langsamer als erwartet

Viele Ökonomen haben ihre Prognosen nach unten korrigiert. Zwar kehrt die Kaufkraft zurück, doch bahnt sich neue Unsicherheit an. Über Licht und Schatten in diesem Jahr und dem folgenden.

Deutschland steht still. Das bekommen an diesem Donnerstag vor allem Bahn- und Flugreisende zu spüren, wenn die GDL den Bahnverkehr bundesweit zum Erliegen bringt und Verdi den Flugverkehr in Teilen des Landes. Bei Tesla in Grünheide stehen zudem die Produktionsbänder infolge eines Brandanschlags auf einen Strommast still. Doch auch aus anderen Gründen ist Deutschland wirtschaftlich weiter wie gelähmt.

Nach dem Rückgang der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent gab es vorsichtigen Optimismus im Dezember. Nun kappen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Frühjahrsprognosen wieder – am stärksten für das laufende Jahr. Erst zur Jahresmitte dürfte sich demnach der Trend umkehren und die ökonomische Aktivität wieder zunehmen. Was der deutschen Wirtschaft in diesem und dem kommenden Jahr Auf- und Abtrieb verleiht:


2024: Die Talfahrt setzt sich zunächst fort

„Der Weg zur wirtschaftlichen Erholung in Deutschland bleibt steinig, auch wenn das Narrativ vom ‚kranken Mann Europas‘ nicht zutrifft“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Donnerstag. Und doch hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seine Prognose zum dritten Mal in Folge nach unten korrigiert und geht nun für das Jahr 2024 von einer Stagnation des Bruttoinlandsprodukts aus.

Der Weg zur wirtschaftlichen Erholung in Deutschland bleibt steinig, auch wenn das Narrativ vom ‚kranken Mann Europas‘ nicht zutrifft.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher

Auch das Münchner ifo-Institut, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) oder das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) kappten ihre Prognose um bis zu 0,8 Prozentpunkte. Die Institute rechnen auf das Jahr gesehen mit 0,1 bis 0,3 Prozent Wachstum.

Schatten: Ausbleibende Investitionen bremsen Wachstum

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Weltwirtschaft erholt sich langsamer als erwartet und der Außenhandel trägt daher kaum zur wirtschaftlichen Dynamik bei. Die Auftragslage in der Industrie hat sich zum Jahresbeginn nochmals verschlechtert. Die Exporte dürften daher im laufenden Jahr noch einmal spürbar zurückgehen.

Auch die Stimmung in den Unternehmen ist weiter schlecht. Das liegt zum Teil an der schwachen Auslandsnachfrage, vor allem aber auch an der hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit. Der Bürokratieabbau geht zu schleppend voran. Das Wachstumschancengesetz wird seit Wochen von den CDU/CSU-geführten Ländern im Bundesrat blockiert. Der Bundesrat soll jetzt am 22. März über das Gesetz abstimmen.

Über die Finanzierung weiterer stimulierender Maßnahmen herrscht in der Ampel-Koalition weiter Uneinigkeit. „Die Wirtschaftspolitik ist jetzt mehr gefordert denn je“, sagt Fratzscher.

Nicht zuletzt auch, weil die Investitionen der Unternehmen zum Jahresauftakt erneut stark eingebrochen sind. Investitionen, die es auf dem Weg zur Transformation Richtung Klimaneutralität zwingend braucht. Doch deren Finanzierung ist durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank teuer geworden. Nach Berechnungen des ifo-Instituts haben Firmen ihre ursprünglich geplanten Investitionen aufgrund der höheren Zinsen in den letzten eineinhalb Jahren um durchschnittlich 8,4 Prozent reduziert.

Lichtblick: Realeinkommen steigen wieder

Zwar gab der EZB-Rat am Donnerstag bekannt, den Leitzins weiter auf dem Rekordniveau von 4,5 Prozent zu halten. Doch da die Inflation seit einem Jahr zügig sinkt und im Februar mit 2,5 Prozent den niedrigsten Wert seit Juni 2021 erreicht hat, wächst an den Finanz- und Geldmärkten die Hoffnung auf eine Zinswende zu Jahresmitte.

Durch den abnehmenden Teuerungsdruck, sinkende Zinsen und die zahlreichen Tarifabschlüsse kehrt auch die Kaufkraft in den Haushalten zurück. Die Realeinkommen dürften im laufenden Jahre nach drei Jahren erstmalig wieder steigen und der private Konsum ein wichtiger Treiber der wirtschaftlichen Erholung sein.

2,5
Prozent beträgt die Inflation im Februar – der niedrigste Stand seit fast 3 Jahren.

„Mit dem allmählichen Wegfall der Belastungen bei Zinsen und Preisen und den Auswirkungen der höheren Kaufkraft wird sich die Wirtschaftsleistung zur Jahresmitte beschleunigen“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Ein weiterer Lichtblick ist der robuste Arbeitsmarkt. Trotz der mauen konjunkturellen Entwicklung, dürfte die Arbeitslosigkeit auch 2024 um die 5,8 Prozent liegen. Die Beschäftigung dürfte im laufenden Jahr noch einmal etwas zulegen und die Zahl der Erwerbstätigen auf einen neuen Rekordwert von 46,1 Millionen steigen.


2025: Solides Wachstum mit Hindernissen

Während sich die Prognosen der Ökonomen für das laufende Jahr verschlechtert haben, hellt sich die langfristige Perspektive etwas auf. Die Schätzungen reichen von 1,2 bis 1,5 Prozent Wachstum für das Jahr 2025.

Damit hängt Deutschland und der Euroraum insgesamt der konjunkturellen Entwicklung anderer großer Volkswirtschaften hinterher. Für die USA und China rechnen zum Beispiel die DIW-Forschenden schon für das laufende Jahr mit 2,2 und 4,7 Prozent Wirtschaftswachstum.

Lichtblick: Welthandel treibt deutsche Exporte

Das nährt gleichzeitig die Hoffnung, dass sich der Welthandel erholt, die globale Industrieschwäche auflöst und das die deutsche Exportwirtschaft insgesamt ankurbelt. Nach über einem Jahr rückläufigen Ausfuhren, rechnet das IfW für kommendes Jahr mit einem Exportzuwachs von 2,8 Prozent, das ifo gar mit 3,4 Prozent.

Auch die Inflation dürfte im kommenden Jahr erstmalig wieder unter die 2-Prozentmarke rutschen und die Konsumlaune der Bevölkerung stärker erhöhen. Mit fallenden Zinsen besteht außerdem die Hoffnung, dass die Investitionstätigkeit der Unternehmen wieder stärker zunimmt.

Schatten: Trump als geo- und handelspolitischer Unsicherheitsfaktor 

Während sich geld- und handelspolitische Hemmnisse also teilweise auflösen und zumindest abschwächend, kommen auf längerfristige Sicht allerdings neue und alte hinzu. Vor allem der demografische Wandel macht sich zunehmender bemerkbar und lässt das Erwerbspersonenpotenzial ab dem Jahr 2025 sinken. Deutschland fehlen dann schlichtweg Arbeitskräfte, um stärker zu wachsen.

Sollte Donald Trump das Rennen machen, drohen neue Handelskonflikte infolge protektionistischer Vorstöße, die Erholung des Welthandels zu beeinträchtigen.

Stefan Kooths, Konjunkturchef am IfW Kiel

Auch die vielen geopolitischen Spannungen etwa in der Ukraine, dem Nahen Osten oder Taiwan stellen Risiken für die konjunkturelle Erholung dar. Ein weiterer erheblicher Unsicherheitsfaktor und noch nicht in die Prognosen eingepreist ist zudem die mögliche Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident.

„Sollte Donald Trump das Rennen machen, drohen neue Handelskonflikte infolge protektionistischer Vorstöße, die Erholung des Welthandels zu beeinträchtigen“, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef am IfW Kiel. Würde Trump die angekündigten Importzölle von 60 Prozent auf Waren aus China und 10 Prozent für europäische Produkte umsetzen, würde das allein die deutsche Volkswirtschaft bis zu 150 Milliarden Euro kosten, so eine aktuelle Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).

Deutschland sollte seine Handelspartner aus Sicht der Ökonomen daher stärker diversifizieren und sich stärker für den Abschluss neuer Freihandelsabkommen einsetzen. Das Mercosur-Abkommen ist seit Jahren eigentlich ausverhandelt, scheitert aktuell allerdings vor allem durch den französischen Widerstand zum Wohle der dortigen Bauern.

„Die deutsche Politik muss sich konstruktiver in Europa einbringen – von der Wettbewerbspolitik bis hin zur Industrie- und Energiepolitik“, sagt DIW-Präsident Fratzscher. Gerade in Zeiten großer Verunsicherung und einer erheblichen Investitionsschwäche müsse der Staat mehr tun.

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