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In Grabow befindet sich einer der ältesten Stammsitze der Anastasia-Bewegung in Brandenburg.

© Presseservice_RN

Völkische Landnahme in Brandenburg : Linke fordern konzertiertes Vorgehen gegen rechte Siedler

Nach dem „Königreich Deutschland“ wird nun auch die sogenannte Anastasia-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet. Was tun gegen rechtsextreme Siedler-Projekte?

Die Linke-Opposition in Brandenburgs Parlament drängt auf ein frühzeitiges, konzertiertes Vorgehen gegen rechtsextreme Landnahmen in der Mark. Aktueller Anlass ist die Einstufung der sogenannten Anastasia-Bewegung durch das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsverfall und inzwischen auch bundesweit durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Linke fordern Ankauffonds

„Es ist wichtig, genau hinzugucken, dass alle ihren Job machen, wenn es solche Landnahmeversuche gibt - über den Verfassungsschutz hinaus, Gemeinde, Kreis, Zivilgesellschaft“, sagte die Linke-Innenexpertin Andrea Johlige dieser Zeitung. Konkret regt Johlige einen „Ankaufsfonds“ des Landes an, damit klamme Gemeinden in Fällen von rechtsextremen Landnahmeversuchen ein Vorkaufsrecht wahrnehmen können. „Wenn die Landnahme einmal passiert ist, ist sie passiert.“

Trotz der ablehnenden Position der Linken zum Verfassungsschutz findet Johlige, die seit Jahren Anfragen im Landtag zu Anastasia-Aktivitäten in Brandenburg gestellt hatte, die Einstufung richtig: „Es ist wichtig, solche Signale zu setzen, dass der Staat tätig wird.“

Fünf Anastasia-Familienlandsitze in der Mark

Der sogenannten Anastasia-Bewegung werden vom Brandenburger Verfassungsschutz fünf Siedlerprojekte in der Mark zugeordnet. „Das Personenpotenzial liegt im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich“, erklärte das Innenministerium. Es gebe „Erkenntnisse zu überregionalen und internationalen Verbindungen der Familienlandsitze im Land Brandenburg“. Und: „International reichen die Verbindungen vor allem nach Österreich und in die Schweiz.“

Mit der Einstufung als Verdachtsfall darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel zur Überwachung einsetzen, zum Beispiel Observationen und das Anzapfen von Informanten. Das bekannteste Siedlerprojekt, das seit längerem für Schlagzeilen sorgt, befindet sich in Grabow unweit von Heiligengrabe im Kreis Ostprignitz-Ruppin. Johlige hatte schon 2020 gewarnt, diese Gefahr zu unterschätzen. „Die Bewegung zielt darauf, Dorfgemeinschaften zu infiltrieren und völkisches und antisemitisches Gedankengut in der Bevölkerung zu verankern“, sagte Johlige damals. Dies zeige sich in Grabow.

Nach Außen haben sich die Anastasia-Anhänger der Rückbesinnung auf die Natur verschrieben, sie gründen „Familienlandsitze“, setzen auf Selbstversorgung und auf Abschottung. Ideologischer Hintergrund sind die zehn Anastasia-Bände des russischen Gegenwarts-Autors Wladimir Megre, der das eremitische Leben einer 26-jährigen Frau in der Taiga in Sibirien beschreibt. Ins Visier des Verfassungsschutzes sind rechte Siedler unter anderem deshalb geraten, weil Teile der Anastasia-Buchreihe „verfassungsschutzrelevante Elemente“ aufweisen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. „So wird beispielsweise das Menschenwürdeprinzip aufgrund einer in Teilen völkisch, rassistischen und antisemitischen Ideologie verletzt“, so das Innenministerium. 

Die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall hatte Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller diese Woche im Innenausschuss des Landtages mitgeteilt, wo er eine aktuelle Johlige-Anfrage beantwortete. Damit ist es wahrscheinlich, dass die sogenannten Anastasia-Siedler im nächsten Verfassungsschutzbericht auftauchen werden.

Verbindungen ins Ausland, Holocaust-Leugnern und Reichsbürgern

Zwar schätzt die Verfassungsschutzbehörde Brandenburgs das Gewaltpotenzial „gegenwärtig“ als „eher gering“ ein, so das Innenministerium: „Die besondere Gefahr liegt im Anknüpfungspotenzial der Anastasia-Bewegung und des damit in Verbindung stehenden Rekrutierungspotentials.“ Dieses reiche „nicht nur ins rechtsextremistische Spektrum, sondern auch in die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter“. Zudem würden vor allem die Bücher Megres esoterisch-ökologisch geprägte Milieus ansprechen, weshalb der Landesverfassungsschutz Brandenburg „die Gefahr sieht, dass die Anastasia-Ideologie dazu geeignet ist, auch Personen zu radikalisieren, die zuvor nicht in extremistischen Zusammenschlüssen aktiv gewesen sind.“

Und nicht nur das. Dem brandenburgischen Verfassungsschutz sind laut Innenministerium bereits Verbindungen von Brandenburger Anastasia-Siedlern „zu Akteuren des Rechtsextremismus, der Holocaustleugner-Szene und der Reichsbürger und Selbstverwalter bekannt“, heißt es. „Es liegen beispielsweise konkrete Erkenntnisse zu Überschneidungen mit der Reichsbürgergruppierung ‚Königreich Deutschland‘ vor.“ Die hat Anfang des Jahres im Ortsteil Rutenberg der uckermärkischen Stadt Lychen eine Naturscheune gekauft und versucht, 44-Hektar Land für das Fantasie-Königreich ihres Vormannes Peter Fitzek zu erwerben. „Solche rechtsextremen Landnahmen werden immer in ländlichen Regionen versucht“, sagt Johlige. „Es ist wichtig, dass die Leute vor Ort Hilfe vom Land erhalten, um das verhindern zu können.“

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