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Der CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber (r) unterhält sich während des CSU-Parteitags im Mai 1980 in Berlin mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (l).

© dpa/dpaweb/HEINRICH_SANDEN

Wie tickt Bayern?: Ein Erklärungsversuch – von A wie Aiwanger bis Z wie Zweite Stammstrecke

Am Sonntag wird in Bayern gewählt und wie immer wird dieselbe Partei die Wahl gewinnen: die CSU. Seit 1957 ist das so. Mia san mia, könnte man sagen. Aber was bedeutet das eigentlich?

A wie Aiwanger, Gebrüder

Helmut bekennt sich als Verfasser des antisemitischen Flugblatts in der Schulzeit im Jahr 1987. Bei Bruder Hubert wurde es in der Schultasche gefunden. Leider kann der bayerische Wirtschaftsminister sich partout nicht erinnern, wie es darein gekommen sein mag. Seither gewinnt der Freie-Wähler-Chef in Bayern Sympathien.


B wie Biergarten

Ursprünglich waren sie Lagerkeller, die wegen der für die Biergärung notwendigen niedrigen Temperaturen entlang der Isar angelegt wurden. Heute sind sie Schmelztiegel, in denen alle Altersgruppen und sozialen Schichten zu Brezn, Grillhendl und Bier im Literkrug (den man sich hier auch teilen darf) zusammenkommen.


C wie CSU

Mit der Pracht der absoluten Mehrheit ist es für die Christsozialen schon länger vorbei. Bayern wächst in den Städten, dort schrumpft die Dauerregierungspartei beständig. Aber 53 von 71 Landräten stellt die Partei noch heute. „Krise“ auf bayerisch.


D wie Dachau

Der Ort des einst größten Konzentrationslagers in Bayern ist heute eine Gedenkstätte. Dachau wurde von den Nationalsozialisten als Modell betrieben für die späteren Vernichtungslager im Osten. Mehr als 40.000 Menschen wurden hier ermordet.    


E wie Energie

Heikles Thema. Früher war der Freistaat Strom-Exporteur, jetzt muss er importieren. Windanlagen wurden lange Zeit ebenso boykottiert wie der Ausbau der Stromtrassen. Weil das so alles nicht funktioniert, will man nun auf bayerisch nachbessern: Auf dem Winnberg in der Oberpfalz soll das höchste Windrad der Welt entstehen.

Ein Demonstrant auf dem globalen Klimastreik von Fridays for Future in München am 15. September 2023 Deutschland. Windanlagen hat Bayern lange boykottiert.
Ein Demonstrant auf dem globalen Klimastreik von Fridays for Future in München am 15. September 2023 Deutschland. Windanlagen hat Bayern lange boykottiert.

© IMAGO/Wolfgang Maria Weber/imago


F wie Frankenland

Das Frankenland wird oft unterschätzt. Verdruckst seien die Franken und umständlich. Doch das ist üble Nachrede. Schließlich ist auch Markus Söder Franke.    


G wie Grünwald

Äußerst nobler Vorort von München. Hohe Promi-Dichte, viele ästhetisch diskutable Mega-Villen mit protzigen Zäunen und hohen Hecken. Wegen extrem niedriger Gewerbesteuer findet man in Grünwald auch unzählige Briefkastenfirmen. Das G steht auch für geschäftstüchtig.


H wie Herzog von Bayern

Wäre in Bayern noch alles wie früher, wäre der Mann heute König. Stattdessen sammelt der freundliche und mitunter ironische Herzog modernste Kunst und betätigt sich in vielen Bereichen wohltätig. Und mit 90 Jahren hat er sich und seinen langjährigen Begleiter kürzlich als schwules Paar geoutet.

Franz Herzog von Bayern (r.) und sein Lebensgefährte Thomas Greinwald im Schottenhamel auf der diesjährigen Wiesn.
Franz Herzog von Bayern (r.) und sein Lebensgefährte Thomas Greinwald im Schottenhamel auf der diesjährigen Wiesn.

© dpa/Britta Schultejans


I wie Identität

San mia no mia? Oder wer sonst? Das fragt man sich in Bayern nicht nur im Fußballstadion. „Die Stärkung regionaler Identität trägt zur Erfüllung des Verfassungsauftrags bei“, schreibt das bayerische Heimatministerium. Kein Wunder in einem Land, in dem auch Weißwurst zuzeln beinahe Verfassungsrang besitzt.


J wie Jodeln

Singen mit Lauten ohne Text, bei dem sehr oft zwischen der Brust- und der Falsettstimme gewechselt wird. Iohodraeho! Hirten, Sennerinnen oder Köhler haben sich so früher über größere Entfernungen verständigt. Franzl Lang gilt heute als bayerischer Jodelkönig.


K wie Korruption

„Hund sans scho“, hat man früher fast anerkennend über Amigos – meist mit CSU-Prägung – gesagt. Es gab Gratis-Luxusurlaube, scheinbeschäftigte Verwandte im Landtag und Millionenprovisionen für Parlamentarier bei der Masken-Vermittlung. Seit Ministerpräsident Horst Seehofer lautet die Devise: null Toleranz. 

Stolperte über einen Maskendeal: Georg Nüßlein, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Ex-CSU-Mitglied.
Stolperte über einen Maskendeal: Georg Nüßlein, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Ex-CSU-Mitglied.

© imago images/Future Image/Christoph Hardt via www.imago-images.de


L wie Liberalitas Bavariae

Bayerische Freigebigkeit, liberale Gesinnung. Leben und leben lassen. Damit hörte es aber sowas von auf, als etwa 1980 die 18-jährige Regensburger Schülerin Christine Schanderl einen „Stoppt-Strauß“-Button trug. Sie flog von der Schule.      


M wie Ministerpräsident

Der CSU-Säulenheilige Franz Josef Strauß bezeichnete es als das „schönste Amt der Welt“. Manche anderen Bayernlenker blieben allerdings glücklos, wie etwa Max Streibl (siehe Amigos, „K“) und Günther Beckstein (siehe absolute Mehrheit, „C“). Andere haben sich schon gefragt, ob Bundeskanzler nicht noch schöner wäre. Keiner hat es bisher herausfinden können.


N wie Nachbar Österreich

Das Verhältnis zur Alpenrepublik ist alles, aber nie nur normal. Bayern sieht sich als ebenbürtig an – ungefähr gleich groß, etwa gleich viele Einwohner. Und München auf einer Ebene mit Wien. Mit dem Unterschied, dass das Königreich Bayern immer recht unbedeutend war im Vergleich zur riesigen Habsburger Monarchie. Das stört in Bayern aber niemanden.


O wie Oktoberfest

Mit einem Pferderennen auf einem Platz außerhalb der Stadt am 17. Oktober 1810 anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig von Bayern mit Prinzessin Therese fing einmal alles an. Heute kostet die Maß 13,40 Euro.

Das leere Hofbräuzelt nach Ende des diesjährigen Oktoberfests, auf dem mit 115.600 Bierkrügen etwas weniger geklaut wurden als im letzten Jahr. Der offizielle Wiesn-Hit war übrigens „Sara perché ti amo“ von Ricchi e Poveri.
Das leere Hofbräuzelt nach Ende des diesjährigen Oktoberfests, auf dem mit 115.600 Bierkrügen etwas weniger geklaut wurden als im letzten Jahr. Der offizielle Wiesn-Hit war übrigens „Sara perché ti amo“ von Ricchi e Poveri.

© dpa/Felix Hörhager


P wie prekäre Lebensverhältnisse

Bayern rühmt sich mit der bundesweit geringsten Armutsquote. Stimmt gar nicht, fanden Forscher kürzlich heraus. Sie legten das bayerische Durchschnittseinkommen als Messwert an, nicht den Bundesdurchschnitt. Dadurch steigt die Armutsquote auf fast 16 Prozent. Und Bayern belegt damit nur noch Platz 6 im Ländervergleich.


Q wie Qual

Die Opposition weiß, wovon die Rede ist. Grüne, SPD, FDP – sie rackern und ackern und kommen doch nie in die Nähe der Macht. Der Kabarettist Gerhard Polt imitierte Strauß, als er sagte: „Wir brauchen keine Opposition, wir sind schon Demokraten.“  


R wie Regensburg

Die schönste Stadt Bayerns. Die Altstadt mit ihren Gassen und Winkeln liegt wie gegossen an der Donau. Nicht umsonst ist sie UNESCO-Weltkulturerbe.

Eine Ente genießt den Blick von der Donau auf die Altstadt von Regensburg, die wirklich ausnehmend schön ist.
Eine Ente genießt den Blick von der Donau auf die Altstadt von Regensburg, die wirklich ausnehmend schön ist.

© dpa/Armin Weigel


S wie Siemens

Der Technik-Konzern wurde zwar in Berlin gegründet, steht aber heute wie kein zweiter für den wirtschaftlichen Aufstieg Bayerns. Die Beschäftigten schimpfen gern, sehen sich aber stolz als „Simensianer“. Eine eingeschworene Truppe.


T wie TSV 1860 München

Einst sympathischer Gegenspieler zum großen FC-Bayern mit Verlierercharme. Seit einigen Jahren aber mit Investorenproblemen belastet. Ganz Giesing geht unverdrossen ins „Sechzger“-Stadion.


U wie Ude, Christian

Sozialdemokrat, Schnauzbartträger und populärer ehemaliger Münchner Ex-OB. Der einzige Ministerpräsidentenkandidat, der auf einem Wahlplakat wortwörtlich mal ein Wort hielt. Er gewann trotzdem nicht.

In München war er fast ein König, doch in das schönste Amt der Welt (siehe „M“) hat es Ex-OB Christian Ude – hier mit Frau Edith von Welser-Ude – nicht geschafft.
In München war er fast ein König, doch in das schönste Amt der Welt (siehe „M“) hat es Ex-OB Christian Ude – hier mit Frau Edith von Welser-Ude – nicht geschafft.

© dpa/Frank Leonhardt


V wie Volksbegehren

Instrument der direkten Demokratie, mit dem die Bayern der Staatsregierung Paroli bieten. Eingeführt wurden so das Rauchverbot in der Gastronomie und mehr Artenschutz („Rettet die Bienen“), abgeschafft wurden die Studiengebühren.  


W wie Weißwurst

Mystifizierte Brühwurst, die ohne Naturdarm verzehrt wird, also mit Messer und Gabel gezuzelt. Weitere Regeln: Nie nach 12 Uhr und immer mit süßem Senf. Das Weißbier allerdings ist beim Weißwurstfrühstück optional.


X wie Xaver

Typischer bayerischer Vorname. Xaver trägt einen Schnauzbart, karierte Hemden und eine Lederhose. Er ist Gemütsmensch. Ähnlich wie der Toni (Anton) oder der Schorsch (Georg). Verheiratet sind sie mit der Franzi (Franziska), der Traudl (Edeltraud) oder der Vroni (Veronika). Gut, das war einmal. 


Y wie Yuppie

Vor allem in München werden so junge, reiche Karrieremenschen bezeichnet. Sie tragen teure Kleidung und früher studierten sie BWL oder Jura, heute auch mal Marketing und Kommunikationsdesign. Papa schenkt den BMW oder das Rennrad.


Z wie Zweite Stammstrecke

Auch Bayern kann Berlin. Das Megaprojekt einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München wird bis zu 14 Milliarden Euro kosten – 3,8 Milliarden Euro Kosten waren mal eingeplant. Fertigstellung nicht wie geplant 2028, sondern frühestens 2037. Hämische Bemerkungen über den Berliner Flughafen fallen seither seltener.

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