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Carola Rackete, Umwelt und Flüchtlingsaktivistin spricht bei einer Pressekonferenz der Partei Die Linke.

© dpa/Britta Pedersen

Exklusiv

„Geschenk für die AfD“, „Wählerschreck“: Bei der Linken wächst die Kritik an Europa-Kandidatur von Rackete

Die Aktivistin Carola Rackete soll Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl werden. In der Partei gibt es Widerstand – der die Spannungen in einer ohnehin desolaten Lage noch erhöht.

Innerhalb der Linken wächst der Widerstand gegen die geplante Europa-Spitzenkandidatur der Klima- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete. „Mit der Europa-Kandidatur von Carola Rackete verprellen wir Arbeitnehmer und stoßen all unsere traditionellen Wähler vor den Kopf“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich dem Tagesspiegel: „Frau Rackete wird so eher zu einem Wählerschreck und zu einem Geschenk für die AfD.“

„Es ist grundfalsch, allein um frühere Grünen-Wähler zu werben“, sagte Ulrich weiter. Der Personalvorschlag zeige erneut, dass die Linke „trotz jahrelanger Wahlniederlagen nicht verstehen will, warum wir bei vielen Arbeitnehmer, sozial Benachteiligten oder Friedensbewegten kaum noch wählbar sind“, sagte Ulrich.

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Mit radikaler Klimapolitik und dem Ruf nach offenen Grenzen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der sozialen Frage „gewinnen wir nichts, sondern verlieren weiter“, sagte der Linken-Fraktionsgeschäftsführer: „Wir können nicht alle Menschen aufnehmen, die zu uns kommen wollen.“

Dieser Vorschlag spaltet die Partei weiter. Das scheint auch das Ziel des Parteivorstandes zu sein.

Ex-Linken-Chef Klaus Ernst zur Nominierung Racketes

Rackete war 2019 international bekannt geworden, als sie mit aus Seenot geretteten Flüchtlingen auf dem Schiff Sea Watch trotz eines Verbots der italienischen Behörden die Insel Lampedusa anlief. Bei ihrer Vorstellung als Spitzenkandidatin im Juli sagte sie, die wenigsten hätten wohl mit ihrer Kandidatur für das Europäische Parlament gerechnet, „ich auch nicht“. Sie wolle sich stark machen für Verteilungsgerechtigkeit, Menschenrechte, eine gesunde Umwelt und ein „stabiles Erdklima“.

„Politische Geisterfahrt“

Schon zuvor hatte die Nominierung Racketes zur Linken-Spitzenkandidatin bei der Europawahl parteiintern Kritik ausgelöst. „Der Vorschlag des Parteivorstandes, die parteilose Carola Rackete an sämtlichen Parteigremien vorbei als Spitzenkandidatin für die Europawahl auszurufen, beweist weiter die Geisterfahrt der politischen Führung der Linken“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst dem Tagesspiegel in der vergangenen Woche.

Der Ex-Linken-Chef wies auf formale Defizite hin. „Zuständig für die Kandidatenkür ist nach der Satzung nicht der Vorstand, sondern der Bundesausschuss.“ Sofort habe Carola Rackete eine eigene Pressekonferenz durchgeführt, „mit Positionen, die mit der Programmatik der Linken kaum vereinbar sind“. Ernst sagte: „Dieser Vorschlag spaltet die Partei weiter. Das scheint auch das Ziel des Parteivorstandes zu sein.“

Die Linke will mit einem vierköpfigen „Spitzenteam“ in die Europawahl 2024 ziehen, darunter ist eben die parteilose Kapitänin und Flüchtlingshelferin. Rackete soll hinter dem Parteivorsitzenden Martin Schirdewan, derzeit Fraktionschef der Linken im Europaparlament, auf Platz zwei kandidieren. Das letzte Wort hat der Linken-Parteitag im November.

Streit verschärft die Krise der Partei

Der jüngst angekündigte Rückzug von Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali hat die ohnehin schwächelnden Linken in eine Krise gestürzt. Eine mögliche Parteigründung durch Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht könnte zum Ende der Linksfraktion führen.

Mit einem Austritt von nur drei Abgeordneten verlöre die Linke den lukrativen Fraktionsstatus. Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte bereits vor einem solchen Szenario, das mit einer „Liquidierung“ der Fraktion einhergehe. „Die Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es“, sagte Bartsch dem Tagesspiegel. 

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich nannte den Rückzug Mohamed Alis „nur konsequent“. Als Mitgründer der westdeutschen WASG, die in der Linken aufgegangen war, tue es ihm, „richtig weh, zu sehen, wie sich unsere Partei entwickelt“.

Die aktuelle wie die vorherige Parteiführung betrieben ein „regelrechtes Mobbing gegen Sahra Wagenknecht“, sagte Ulrich dem Tagesspiegel: „Seit Jahren und schon lange bevor Sahra Wagenknecht über ein mögliches alternatives Parteiprojekt gesprochen hat. Es geht der Parteiführung aber nicht nur um Wagenknecht, sondern um den ganzen Flügel der Partei.“ Amira Mohamed Alis Schritt sei daher jetzt „nur konsequent“ gewesen.

Einen Parteikonvent, wie jüngst vom Ost-Beauftragten der Linken, Sören Pellmann, vorgeschlagen, sehe er „sehr skeptisch“, sagte Ulrich. Auch dessen Idee, Sahra Wagenknecht zur Europa-Kandidatin zu küren, hält Ulrich für unrealistisch. „Sahra Wagenknecht hat angekündigt, nicht mehr für Die Linke zu kandidieren und der Parteivorstand hat einen verheerenden Beschluss gefasst.“ Das bezieht sich auf den Linken-Beschluss, wonach die Partei nur eine Zukunft ohne Wagenknecht habe. 

Damit ein Parteikonvent erfolgreich sein könnte, „müsste ja dieser Beschluss wieder zurückgenommen werden und der Parteivorstand müsste ja folgerichtig zurücktreten“, sagte Ulrich. Sein Fazit lautet dabei: „Das Tischtuch ist zerschnitten und der Vorstand hat die Schere in der Hand!“

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