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Bauarbeiter am Bahnknoten Dessau-Roßlau

© dpa/Sebastian Willnow

Verspätungschaos bei der Bahn: Bringt Wissings Generalsanierung die Wende?

Reisen mit der Deutschen Bahn sind kaum noch planbar. Nun will Verkehrsminister Wissing die 40 wichtigsten Strecken von Grund auf erneuern. Drei Experten bewerten die Strategie.

Vor Kurzem kamen die Münchner Philharmoniker wegen einer stundenlangen Verspätung der Deutschen Bahn unpünktlich zu ihrem eigenen Konzert. Es ist eines von inzwischen vielen Beispielen, das zeigt: Reisen mit der Deutschen Bahn sind kaum noch planbar. Die Pünktlichkeit der ICE und Intercity hat in den vergangenen zwei Jahren rasant abgenommen.

Das liegt vor allem am maroden Schienennetz. Mit der Generalsanierung der 40 wichtigsten Bahnkorridore will Verkehrsminister Wissing nun gegensteuern. Bis 2030 sollen die Strecken nacheinander jeweils für ein halbes Jahr komplett gesperrt und vollständig erneuert werden. Bringt das die Wende bei der Bahn?  

In unserer Serie „3 auf 1“ geben drei Expert:innen eine Einschätzung dazu. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Sanierung ist der Start in ein neues Zeitalter

Die Generalsanierung der hochbelasteten Bahnkorridore ist für uns mehr als nur die Wende. Sie wird der Start in ein neues Zeitalter. Gemeinsam mit Bund, Bahnbranche und Bauindustrie haben wir das größte Infrastrukturprogramm seit der Bahnreform 1994 auf den Weg gebracht.

Uns eint ein gemeinsames Ziel: Den Zugverkehr nachhaltig pünktlicher machen, um die verkehrs- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Wir wollen die Verkehrsleistung im Personenverkehr verdoppeln und den Marktanteil im Schienengüterverkehr auf 25 Prozent steigern.

Das künftige, 9000 Kilometer lange Hochleistungsnetz ist unser zentraler Hebel für ein besseres Angebot. Dafür werden wir bis zum Jahr 2030 insgesamt 40 Streckenabschnitte sanieren. Bahnhöfe werten wir zu Zukunftsbahnhöfen auf. Das wird ein Kraftakt, vor dem wir alle Respekt haben. Aber es ist alternativlos, den Sanierungsstau anzugehen. Ich glaube fest daran, dass dieser Kraftakt gelingt, wenn wir mit allen Partnern der Bau- und Bahnindustrie an einem Strang ziehen.


Schluss mit der Salami-Taktik beim Bauen

Baustellen nerven. Erst recht, wenn sie mehrere Monate andauern. Was allerdings noch mehr nervt, sind dauerhaft verspätete Züge. Wenn wir eines nicht mehr brauchen auf der Schiene, dann ist es eine Salami-Taktik bei Baustellen. Mit den Generalsanierungen bis 2030 soll es gründlich statt scheibchenweise vorangehen. Und danach wird es für die Fahrgäste und Güterkunden spürbar besser.

Generalsanierungen sind aber kein Allheilmittel für die jahrzehntelang vernachlässigte Schiene. Zwar ist ein zuverlässiges Bestandsnetz ein zentraler Baustein des Deutschlandtakts – also jenem Versprechen, dass Menschen und Güter mit dichteren Takten und zuverlässigen Anschlüssen im ganzen Land an ihr Ziel kommen.

Doch wir brauchen nicht nur eine sanierte Infrastruktur, wir brauchen auch mehr Gleise, damit die Bahn mehr Menschen und Güter bewegen kann. Besonders nachgefragte Strecken müssen erweitert oder neu gebaut, stillgelegte Strecken in der Fläche reaktiviert werden. Nur all das zusammen verspricht eine echte Wende.


Viele Fragen sind offen

Dass Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) rund 40 Milliarden Euro mehr für die Schiene zusagt, ist ein extrem großer Schritt. Das ist die benötigte Sicherheit, um Reise- und Güterzüge verlässlich und attraktiver zu machen. Und 15 Prozent des Netzes jeweils für fünf Monate voll für Sanierung und Ertüchtigung zu sperren, ist besser als eingleisige Sperrungen und 1:1-Ersatz. Wie und wofür die Mittel fließen, wann und was gebaut wird, ist aber weniger klar, als Deutsche Bahn und Ministerium suggerieren. Und ob das Konzept funktioniert, erst recht.

Der Vorbereitungsstand sorgt für Alarmstimmung bei den Praktiker:innen: Keine einzige Umleiterstrecke soll rechtzeitig ausgebaut sein. Der gleichzeitige Neu- und Ausbau des Netzes ist unterdimensioniert.

Eine besser koordinierte und schnelle Sanierung der 85 Prozent des restlichen Netzes, ist nicht in Sicht. Und eine effiziente Begleitung der DB bei der Umsetzung des vielen Geldes steht in den Sternen, weil selbst die kleine Bahnreform der Ampel nicht vorankommt.

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