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Taurus bereitet dem Kanzler Kopfzerbrechen.

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Streit über Taurus-Lieferung: Der Graben zwischen den Koalitions-Parteien wird tiefer

Im Bundestag stimmen SPD, Grüne und FDP zwar gegen den Antrag der Union für die Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Doch der öffentliche Streit wird zur Belastungsprobe.

Nach der Debatte im Bundestag klingen einige Abgeordnete der Regierungskoalition fast erschrocken über das, was eben im Bundestag geschehen ist:„Der Koalitionsstreit ist eskaliert und hat eine absolut neue Qualität bekommen“, sagt ein Grünen-Abgeordneter.

„Die Debatte ist außer Rand und Band geraten“, sagt SPD-Politiker Nils Schmid. Anderswo ist von einer „Belastungsprobe“ und einem „Flurschaden“ die Rede. Selbst um den Fortbestand der Koalition wird sich gesorgt.

Eigentlich geht es nur um die Frage, ob Deutschland neben Kampfpanzern, Raketen und Munition auch den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefert. Seit Monaten gibt es darüber unterschiedliche Auffassungen in der Regierung.

Doch seit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der möglichen Lieferung eine öffentliche Absage erteilt hat, scheint die Debatte den Koalitionären zu entgleiten. Daran hat nicht zuletzt die Union ihren Anteil, die einen Antrag für die Taurus-Lieferung am Donnerstag erneut ins Parlament einbrachte.

Aus einem Riss wurde ein Graben

Und so konnte man beobachten, wie aus einem Riss in der Koalition von Rede zu Rede ein Graben wurde. Ungewöhnlich frontal hatte schon Agnieskza Brugger, Vize-Fraktionschefin der Grünen, den Kanzler kritisiert. Man sei sich bei den Grünen über die Tragweite von Waffenlieferungen bewusst. „Das lassen wir uns nicht absprechen – auch nicht vom Bundeskanzler.“ Sie kritisierte, dass auch Zögern zur Eskalation beitragen könnte.

Das zeigt nur, dass manche in den Reihen unserer Koalitionspartner immer noch nicht verstanden haben, was es heißt, Regierungsverantwortung zu tragen.

Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter

Es sei eine „unangemessen aggressiven Rede“ gewesen, sagt SPD-Politiker Schmid später. „Das zeigt nur, dass manche in den Reihen unserer Koalitionspartner immer noch nicht verstanden haben, was es heißt, Regierungsverantwortung zu tragen.“ Schon während der Debatte im Bundestag stellt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, die Koalitionspartner zur Rede.

In der Regierung hätten einige das Maß verloren. „Dass dem kein Einhalt geboten worden ist, ist ein Armutszeugnis.“ Es sei „unredlich“ und „bösartig“, dass der Kanzler öffentlich von Grünen und FDP kritisiert werde. Die Taurus-Debatte werde durch „eigennützige und niedere“ Beweggründe aufgeheizt.

Bei Grünen und Liberalen sieht man es gerade andersherum. Dort kritisiert man, dass sich die SPD als Friedenspartei auf den Wahlkampf vorbereite und der Bevölkerung Angst vor einem Krieg mache. Tatsächlich erwähnt auch Mützenich am Donnerstag erneut die Gefahr eines russischen Atomschlags.

Bei den Sozialdemokraten ärgert man sich dagegen, dass die kleineren Koalitionspartner weiter renitent in der Öffentlichkeit auftreten und der Union bei deren innenpolitischen Manövern sogar noch helfen.

Das Unions-Kalkül geht nur bedingt auf

In der Union sieht man das anders: „Wir sind in der Situation eines Abnutzungskrieges“, sagte der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul in seiner Rede. Es brauche Entschlossenheit und Klarheit in der Unterstützung der Ukraine. „Wir werden mit der Ukraine gewinnen oder mit der Ukraine verlieren. Es gibt keinen dritten Weg“, so Wadephul.

Doch das Kalkül der Union geht nur bedingt auf. Zwar demontieren sich die Regierungsparteien verbal gegenseitig, doch am Ende stimmen nur zwei Abgeordnete der FDP mit der Union: Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki.

Die restliche Koalition lehnt den Antrag erneut ab. Die Bauchschmerzen dabei werden größer. Rund 30 Grünen-Abgeordnete geben mit ihrer Stimme auch eine schriftliche Erklärung ab, darunter einflussreiche Grüne wie Franziska Brantner, Kathrin Göring-Eckardt und Robin Wagener.

Darin sprechen sie sich eigentlich auch für eine Taurus-Lieferung aus – aber nicht zu jedem Preis: „Wladimir Putins Kalkül zielt auf Spaltung. Die Debatte über die Lieferung von westlichen Marschflugkörpern darf nicht weiter zu einer nationalen wie internationalen Belastungsprobe heranwachsen“, heißt es in der Erklärung. Für diesen Wunsch scheint es inzwischen zu spät.

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