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Ein Taurus-Marschflugkörper

© dpa/Uncredited

Scholz in der Taurus-Debatte: Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter ihm, doch nur die SPD klatscht

Ungewöhnlich hart attackiert Scholz die Befürworter der Taurus-Lieferungen. Er weiß eine Mehrheit der Deutschen hinter sich. Trotzdem bleiben nach seiner Befragung mehr Fragen als Antworten.

Als der Bundeskanzler am Mittwoch seine zentrale Botschaft setzt, klatschen fast ausschließlich die Abgeordneten der SPD. Die Hände in der Grünen- und der FDP-Fraktion ruhen still. Olaf Scholz erklärt in der ersten Kanzlerbefragung des Jahres im Bundestag eine Lieferung der Langstrecken-Rakete Taurus als „für mich ausgeschlossen“, trotz der Diskussion in der Koalition.

„Das ist eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will“, sagt der Bundeskanzler. Basta. Ein „sinnvoller Einsatz“ des Waffensystems ist aus Scholz’ Sicht nicht ohne Beteiligung deutscher Soldaten möglich. Es gehe, präzisiert der Sozialdemokrat sein Anliegen im Lauf der Sitzung, um nicht weniger als die Frage von Krieg und Frieden, darum, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu garantieren. „Darauf habe ich einen Eid geleistet“, sagt Scholz.

Auch Eingeweihte wollen einem das Taurus-Nein nicht erklären

Dieser Auftritt von Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag folgt einer klaren Choreografie: Hier steht er, der Friedenskanzler, und kann nicht anders. Vor der gewaltigen Frage von Krieg und Frieden, so offenbar die Hoffnung im Bundeskanzleramt, verschwimmen die Details zum Taurus-Nein, die einem auch Eingeweihte kaum präzise erklären können – oder wollen.

Johann Wadephul (CDU) spricht im Plenum des Bundestags zu den Abgeordneten. Scholz attackiert ihn am Mittwoch hart.
Johann Wadephul (CDU) spricht im Plenum des Bundestags zu den Abgeordneten. Scholz attackiert ihn am Mittwoch hart.

© picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Der Bundeskanzler weiß bei seinem Nein zur Langstreckenwaffe eine klare Mehrheit der Deutschen hinter sich, selbst innerhalb der CDU-Wählerschaft ist fast die Hälfte dagegen. Seine Ukraine-Politik wird von 45 Prozent der Deutschen positiv gesehen, für den unbeliebten Scholz sind das überragende Werte. Scholz nutzt das.

Als ihn der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul am Mittwoch nüchtern bittet, sein Kanzlermachtwort noch einmal zu erklären, greift ihn der Bundeskanzler scharf an: „Die Bürgerinnen und Bürger haben Angst vor Ihnen!“, ruft er in Richtung des Fragestellers. Scholz fährt so fort, attackiert seine Kritiker im Plenarsaal: „Die Bürger machen sich Sorgen, wenn Besonnenheit und Abwägung als Zögerlichkeit und Feigheit beschrieben werden“, ruft er – und tritt als Verteidiger in eigener Sache auf.

Nicht die Bürger, ist seine Botschaft, finden ihn führungsschwach und zaudernd, das sei vielmehr eine Umdeutung von Opposition und Medien. Der Bundeskanzler steht, so klingt es an diesem Tag, als oberster aller Volksvertreter vor den Abgeordneten – und erklärt ihnen den Volkswillen.

Scholz unterstellt Halbwahrheiten – unklar bleibt, warum

Seine Besonnenheit währt in der Debatte nur Minuten. Wadephul etwa, dem ersten Fragesteller, wirft er das Verbreiten von Halbwahrheiten vor, weil der CDU-Mann ihn mit seinen verschiedenen, teils widersprüchlichen Erklärungen zum Taurus konfrontiert. Was Wadephul falsch darstellt, bleibt unklar.

Als der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen später Scholz’ eigene Worte zum Umgang der Franzosen und Briten mit ihren Langstrecken-Waffen zitiert, wird Scholz ungewöhnlich persönlich. „Was mich aber ärgert, ist, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert: dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist.“

Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter, attackiert den Bundeskanzler wegen seines Neins zu Taurus. Am Mittwoch wurde Scholz dann persönlich.
Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter, attackiert den Bundeskanzler wegen seines Neins zu Taurus. Am Mittwoch wurde Scholz dann persönlich.

© dpa/Kay Nietfeld

Der Kanzler fügt hinzu: „Ich glaube, das sollte in der Demokratie nicht der Fall sein.“ Es ist eine Erwiderung, die mehr Fragen aufwirft, als Scholz recht sein kann: Was weiß der Bundeskanzler, was er selbst nicht sagt? Gibt es Drohungen von Russland? Rote Linien? Warum wollen FDP und Grüne den Taurus trotzdem liefern?

Die AfD lobt maliziös das Nein des Kanzlers

So dreht sich nahezu jede zweite Frage in der mehr als einstündigen Regierungsbefragung mehr oder weniger deutlich um den Taurus. Grüne und FDP haken in der gebotenen Konzilianz eines Koalitionspartners nach, die CDU wird deutlicher. Auch die AfD thematisiert die Waffe und lobt maliziös das Nein des Kanzlers.

Das wiederum nutzt Scholz, um die außerordentlichen Leistungen Deutschlands bei der Unterstützung der Ukraine hervorzuheben. Ja, Deutschland sei das größte Unterstützerland innerhalb Europas. Ja, kaum jemand habe so viele Ukrainer aufgenommen. „Es ist unsere verdammte Pflicht, das unschuldige ukrainische Volk bei der Selbstverteidigung zu unterstützen“, ruft Scholz. Das ist seine zweifache Botschaft: Wir sind da – aber nicht um jeden Preis.

Die Bürger machen sich Sorgen, wenn Besonnenheit und Abwägung als Zögerlichkeit und Feigheit beschrieben werden.

Olaf Scholz, Bundeskanzler

So gehen 60 Minuten und ein bisschen mehr im Berliner Regierungsviertel ins Land. Das größte europäische Unterstützerland für die Ukraine streitet in einer der seltenen Kanzlerbefragungen im Parlament über ein einzelnes Waffensystem. Die quälenden Fragen nach mehr Munition für die Ukrainer, nach dem Plan im Fall eines Rückzugs der Amerikaner aus diesem Konflikt nach der Präsidentschaftswahl, sie werden bestenfalls gestreift.

Taurus, das bedeutet Stier auf Lateinisch. Wirklich in Bedrängnis gerät Scholz in diesem Stierkampf nicht, auch weil er viele Zuschauer an seiner Seite weiß. Aber, das ist im Parlament wie bei echten Stierkämpfen, man stellt sich währenddessen schon die Frage nach Sinn und Unsinn dieses Ringens.

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