zum Hauptinhalt
Studierende sind besonders stark von der Inflation betroffen.

© picture alliance/dpa/Swen Pförtner

Holpriger Start der Energiepreispauschale für Studierende: „Wir haben auf eine Lösung gewartet, die nicht funktioniert“

Am Mittwoch begann das Antragsverfahren für die Energiepreispauschale für Studierende. Doch die Webseite hielt dem großen Andrang nicht stand, die Kritik wächst.

Was lange währt, wird endlich gut? Was die Energiepreispauschale für Studierende betrifft, stimmt das nicht. Nach einer ausufernden Pilotphase für die Einmalzahlung dieser Pauschale war für Mittwoch endlich der Start geplant: Dreieinhalb Millionen Studierende und Fachschüler:innen sollten auf der neu freigeschalteten Plattform „Einmalzahlung200.de“ ihren Antrag auf Zahlung der 200 Euro stellen können.

„Die Bearbeitung der Anträge und die Auszahlung werden durch das automatisierte Verfahren sehr zügig erfolgen“, hatte die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Vorfeld versprochen. Erste Studierende haben ihr Geld im Rahmen der Pilotphase bereits bekommen, bis zum 30. September des Jahres dürfen nun alle ihre Anträge stellen. Nach Schätzungen des Bund müssen etwa 700 Millionen Euro an die Studierenden verteilt werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Beantragen können die Zahlung Studierende und Fachschüler:innen, die zum Stichtag 1. Dezember 2022 an einer Hochschule eingeschrieben oder in einer Fachschulausbildung waren. Voraussetzung ist ein Wohnsitz oder „gewöhnlicher Aufenthalt“ in Deutschland. Die Energiepreispauschale soll weder besteuert noch bei etwaigen Sozialleistungen angerechnet werden.

3,5
Millionen Studierende und Fachschüler:innen sind antragsberechtigt.

Der Start verlief nun aber mehr als holprig: Nutzerinnen und Nutzer monierten nicht nur lange Wartezeiten und Verbindungsabbrüche, sondern auch komplette Abstürze der Seite. Schon kurz nachdem die Plattform freigeschaltet wurde, häuften sich auf Twitter Berichte über technische Probleme. Die Erfahrung sei beispielhaft für die unzureichende Digitalisierung in Deutschland, wurde teilweise gefrotzelt.

Am Mittwochvormittag landeten viele Nutzerinnen und Nutzer wegen des großen Andrangs zunächst in einem digitalen Warteraum. Dort hieß es: „Derzeit gibt es beim Antrag auf Einmalzahlung sehr viele Besuche. Damit dennoch alles reibungslos funktioniert, gibt es den digitalen Warteraum.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Rahel Schüssler, Mitglied des Vorstandes des „freien zusammenschlusses von student*innenschaften“, berichtete im Gespräch mit dem Tagesspiegel von Wartezeiten bis zu fünfzig Minuten. „Wir haben nun über sechs Monate gewartet auf eine Lösung, die nicht funktioniert“, sagt Schüssler.

„Was besonders frustrierend ist: Das war absehbar, wir haben immer wieder auf das Problem hingewiesen.“ Sie befürchtet, dass viele Studierende und Fachschüler:innen durch das komplizierte Prozedere abgeschreckt seien. Die Energiepreispauschale sei nie prioritär behandelt worden, bemängelt sie.

Studierende waren schon während der Pandemie besonders stark von deren Folgen betroffen.

© Studierende waren schon während der Pandemie besonders stark von deren Folgen betroffen.

„Und die Kommunikation war einfach schlecht. Man hat die Länder mit einbezogen, nicht uns, nicht das Studierendenwerk, nicht den Datenschutzbeauftragten. Und nun hat man sich verrannt, es gibt aber kein zurück mehr.“ Der „freie zusammenschluss von student*innenschaften“ erwarte eine Entschuldigung, sagt Schüssler.

„Es ist absolut offensichtlich, was hier schiefgelaufen ist und die Verantwortlichen weisen alle Schuld von sich, das kann nicht sein.“ Die Armut der Studierenden bezeichnet Schüssler als ein strukturelles Problem, welches einer strukturellen Lösung bedürfe. „Liebe Bundesregierung, was ist aus der BAföG-Strukturreform für dieses Jahr geworden?“

Vielen Studierenden stehe finanziell das Wasser bis zum Hals. Umso wichtiger sei jetzt, dass die technischen Probleme beim Antragsportal rasch behoben werden, und die Antragstellung stabil läuft, meint Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Studierendenwerks. „Jeder Euro hilft, auch diese Hilfe, die ursprünglich als schnelle Winterhilfe angekündigt wurde und nun ein Frühlings-Antrag geworden ist. Sie muss jetzt endlich rasch bei den Studierenden ankommen.“

700
Millionen Euro sollen laut Schätzungen verteilt werden.

Auch die Opposition zeigt sich ungehalten und sieht die Bildungsministerin in der Verantwortung. „Der Zusammenbruch der Stark-Watzinger-Plattform macht das Desaster der Bundesbildungsministerin bei der Auszahlung des 200-Euro-Zuschusses komplett. Nach über einem halben Jahr Warteschleife für dieses ,Sofortprogramm’ gibt es keinen Grund zum Jubeln“, sagte der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Jarzombek (CDU), dem Tagesspiegel.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Was das Bildungsministerium bei der Energiepreispauschale das letzte halbe Jahr veranstaltet habe, grenze an Sabotage, sagte Nicole Gohlke, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag und Sprecherin für Bildung und Wissenschaft, dem Tagesspiegel. „Christian Lindner wird sich freuen, dass nun zahlreiche Studierende aus datenschutzrechtlichen Erwägungen auf eine Antragstellung verzichten werden.“

Viel zu wenig Unterstützung komme auf datenschutzrechtlich fragwürdige Weise viel zu spät bei den Studierenden an und habe neben den Studierenden vermutlich tausende Mitarbeiter in Landesbehörden, Hochschulen und Bundesbehörden sehr viele Nerven gekostet.

Christian Lindner wird sich freuen, dass nun zahlreiche Studierende aus datenschutzrechtlichen Erwägungen auf eine Antragstellung verzichten werden.

Nicole Gohlke, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion die Linke und Sprecherin für Bildung und Wissenschaft.

„Dass die Seite nun dem Ansturm nicht gewachsen ist, obwohl man sie über den datenschutzrechtlich bedenklichen Anbieter Cloudflare laufen lässt, weil das BMBF der Meinung war, dieser würde ein reibungsloses Funktionieren garantieren, setzt dem Ganzen endgültig die Krone auf.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Gesetzt den Fall, die Technik funktioniert von nun an, wie lange wird es dauern, bis das Geld nach der Antragsstellung auf den jeweiligen Konten landet? Das eruiert das für die technische Umsetzung der Antragsplattform federführende Land Sachsen-Anhalt  Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) versichert auf seiner Informationsseite zur Einmalzahlung, dass die Auszahlung „schnellstmöglich“ erfolgen solle.

Der Zusammenbruch der Stark-Watzinger-Plattform macht das Desaster der Bundesbildungsministerin bei der Auszahlung des 200-Euro-Zuschusses komplett.

Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

„Wir gehen davon aus, dass der gesamte Vorgang von der Beantragung bis zur Auszahlung nur wenige Tage nach Absenden des Antrags – inklusive gängiger Banklaufzeiten – abgeschlossen ist“, sagt ein Sprecher des Digitalministeriums Sachsen-Anhalt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein Sprecher des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums verweist darauf, dass die Bundeskasse das Geld nur so schnell überweisen könne, wie es „bei einem hohen Antragsaufkommen technisch möglich“ sei. Die Hochschule Reutlingen, die bei der Testphase dabei war, rechnet damit, dass innerhalb des Semesters weit mehr Anträge gestellt werden als derzeit in den Semesterferien. Ob die Ergebnisse der Pilotphase für den bundesweiten Prozess aussagekräftig sind, wird sich also erst noch zeigen. 

Klar ist dagegen – niemand möchte die Verantwortung für die Auszahlung der 200 Euro übernehmen. „Für die Bearbeitung der Anträge und die Auszahlung sind die Länder zuständig“, sagt etwa eine Sprecherin des BMBF. Da die Gelder schlussendlich allerdings aus der Bundeskasse gezahlt werden, ist zwischen den Landesregierungen und der Bundesregierung strittig, bei wem nun die Verantwortlichkeit liegt.

Schon im Vorfeld hatte es große Kritik an dem vom Bund gewählten Verfahren gegeben. Neben der Tatsache, dass die Prämie von den Studierenden selbst angefordert werden muss, wurde moniert, dass außer einem Zugangscode auch eine sogenannte Bund-ID benötigt wird, die von den allermeisten Studierenden eigens beantragt werden muss..

Nutzerkonto beim Bund erforderlich

Die Bund-ID ist das Nutzerkonto des Bundes, mit dem Bürgerinnen und Bürger Verwaltungsleistungen online beziehen können. Dafür gibt es mehrere Wege, etwa über die Online-Funktion des Personalausweises, über das Elsterzertifikat, das man für die elektronische Steuererklärung nutzt, oder über einen Nutzernamen und ein Passwort.

Ende Februar 2023 haben sich knapp eine halbe Million Bürger:innen bei BundID registriert – über 150.000 Nutzende davon sind alleine im Februar neu dazugekommen. Die seit 2019 verfügbare BundID basiert auf Freiweilligkeit und bildet ein Konto „für die sichere und zuverlässige Identifizierung und Authentifizierung im Rahmen der Antragstellung“, schreibt eine Sprecherin des zuständigen Bundesinnenministeriums. Auch in Zukunft solle ein Konto bei BundID freiwillig bleiben.

Eine Bund-ID ohne Verifizierung ist komplett nutzlos.

Lilith Wittmann, IT-Sicherheitsexpertin.

Die Verantwortung der verpflichtenden Nutzung der BundID für die Auszahlung der Einmalzahlung liegt wiederum beim BMBF und dem Land Sachsen-Anhalt. Um sich bei dem Nutzerkonto anmelden zu können, benötigen die Antragsstellenden, die Onlinefunktion des Personalausweises, ein Elster-Zertifikat, wie für Online-Steuererklärungen benötigt, oder eine zusätzliche Pin-Nummer von der Fach- oder Hochschule.

Das betrifft vor allem Personen unter 16 Jahre und Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland. „Eine BundID ohne Verifizierung ist komplett nutzlos. Und das ist halt vorgesehen, damit der Beauftragte für Informationstechnik sagen kann, dass die Nutzungszahlen der BundID um das 35-fache gestiegen sind“, kritisiert etwa die IT-Sicherheitsexpertin Lilith Wittmann das Verfahren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false