zum Hauptinhalt
Maximilian Krah

© AFP/Ronny Hartmann

Extrem, rechts und bald in Brüssel: Wen die AfD ins Europaparlament schicken will

Im Magdeburg wählt die AfD ihre Kandidaten fürs Europaparlament. Ihr Spitzenmann Krah ist intern umstritten – und wirbt mit völkischer Rhetorik. Für den Thüringer Höcke ist der Tag ein Erfolg.

Am Ende haben ihm seine Gegner womöglich sogar geholfen. Über Monate hatten die innerparteilichen Feinde Maximilian Krahs daran gearbeitet, ihn als Spitzenkandidaten der AfD bei der Europawahl zu verhindern. Hatten sogar eine anonyme Chatgruppe gegründet, in der sie belastendes Material verbreiteten.

Am Samstag steht Krah mit Krawatte und Einstecktuch am Rednerpult des AfD-Parteitages in Magdeburg. Man habe in den letzten Monaten viel Schmutz über ihn verbreitet, sagt er, und ruft dann: „Wollt ihr in Zukunft Opfer von solchen anonymen Schmutzkampagnen sein, oder ist es Zeit, den Dreckwerfern die Rote Karte zu zeigen?“ Es gibt tosenden Applaus.

Lange war hinter den Kulissen um die Personalie gerungen worden. Noch am Vorabend war nicht klar, ob der Sachse Krah wirklich auf Platz 1 der Europaliste der AfD antreten würde. Doch am Morgen stellt sich der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, ein Verbündeter Krahs, vor die Kameras und lobt ihn in höchsten Tönen. Da ist bereits klar: Krah wird gewinnen.

Für die extrem rechte Partei wird die Europawahl im kommenden Jahr ein Lackmustest sein. Es ist die erste bundesweite Wahl seit Beginn ihres Umfragehochs. Die AfD wird dann zeigen, ob sie diese Umfragewerte auch in Wählerstimmen umwandeln kann. Wen schickt sie dafür ins Rennen?

Zweimal suspendiert

Umstritten war Krah nicht nur wegen seiner Kontakte nach Russland und China, sondern vor allem deshalb, weil er bereits zweimal von der Fraktion Identität und Demokratie im Europaparlament, in der die AfD Mitglied ist, suspendiert wurde.

Unter anderem ging es um Vorwürfe, Krah habe bei der Vergabe eines PR-Auftrags aus der Fraktion manipuliert. Krah bestreitet das. Doch auch seine Verbündeten befürchten, dass hier noch etwas kommen könnte und Ermittlungen den Wahlkampf überschatten könnten. Am Ende hat man sich offenbar entschieden, die Vorwürfe zu ignorieren.

Krah hält in Magdeburg eine Rede, in der er die AfD als Anwalt der arbeitenden Bevölkerung darstellt. Er spricht von der Krankenschwester, „die ihre Nachzahlung nicht stemmen kann“ und von der Familie, die ihren Kühlschrank am Monatsende noch füllen wolle. „Wir sind die, die ihnen ihre Würde zurückgeben, ihr Netto zurückgeben, denen wir zurufen: Ihr seid nicht vergessen.“

Krahs Rede enthält aber auch klar völkische Teile. „Wir sind ein Volk“, ruft er. „Wir sprechen dieselbe Sprache, wir fühlen und denken mit denselben Worten, uns wurden dieselben Märchen vorgelesen und dieselben Lieder vorgesungen.“ Es seien deutsche Märchen und deutsche Lieder. Damit sagt Krah implizit, wer aus seiner Sicht nicht zum deutschen Volk gehört: Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Bemerkenswert auch: Krah lobte die Rede von Kostadin Kostadinov, der Chef der nationalistischen bulgarischen Partei Vazrazhdane. Er war am Vortag bei der AfD zu Gast. In seiner Rede hatte er gesagt: „Es ist höchste Zeit, dass Ihr Land seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt, und das nicht nur in Europa.“ Krah erklärt, man könne sich von dem Bulgaren „Mut und Leidenschaft“ abschauen.

Stimmenfang auf Tiktok

Der 46-jährige Anwalt Krah ist bestens vernetzt unter den extremen Rechten in der AfD. Er hat enge Drähte ins vom Verfassungsschutz beobachtete Institut für Staatspolitik in Schnellroda, wo der Ideologe der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, sitzt. In dessen Verlag Antaios hat Krah kürzlich Buch veröffentlicht.

Seit einer Weile geht Krah auch auf Tiktok auf Wählerfang, der wichtigsten Social-Media-Plattform für jüngere Menschen. Dort gibt er Tipps: „Echte Männer sind rechts, echte Männer haben Ideale, dann klappt es auch mit der Freundin.“

Am Ende bekommt Krah knapp 66 Prozent, sein vollkommen unbekannter Gegenkandidat schafft 25 Prozent – dazu kommen neun Prozent Nein-Stimmen. Das zeigt, wie groß in Teilen der Partei der Widerstand gegen Krah war. Dass er es am Ende geschafft hat, ist auch ein Erfolg für Höcke und seine Leute.

Parteichefin Alice Weidel hält die EU für „übergriffig“.
Parteichefin Alice Weidel hält die EU für „übergriffig“.

© AFP/Ronny Hartmann

In der AfD kursieren vor der Aufstellung der Kandidaten mehrere Personenlisten. Eine sogenannte Konsensliste, die dem Vernehmen nach unter anderem von Höcke und Parteichefin Alice Weidel gestützt wird. Und die sogenannte Proporzliste, die die Landesverbände gerecht abbilden sollte und von einer Allianz von unterschiedlichen Lagern der Partei gestützt wurde.

Gesetzt sind am Samstagmorgen dann eigentlich nur Krah für Platz eins und der Bayer Petr Bystron auf Platz zwei. Bystron, der bislang im Bundestag sitzt, hält in Magdeburg eine Rede, die stark von verschwörungsideologischer Rhetorik geprägt ist. Bystron sagt, der Bundestag sei zwar die bessere Bühne, aber aus Brüssel „kommt das Gift“. Dort würden „von den Globalisten still und heimlich Vorhaben gemacht“, die nachher in den nationalen Parlamenten nur noch durchgewinkt würden.

Der Bundestag ist die bessere Bühne. Aber aus Brüssel kommt das Gift.

AfD-Kandidat Petr Bystron, der ins Europaparlament einziehen will

Bystron spricht von einer angeblich geplanten Bargeldabschaffung. Er sieht den „direkten Weg in die Totalüberwachung“. Er raunt von „Globalisten, die uns zwangsimpfen, uns enteignen, uns versklaven“ wollen. Er sagt, die AfD-Politiker seien die einzigen, die den Mut hätten, gegen die „Gates und Soros dieser Welt“ anzukämpfen.  

Der Milliardär und Philanthrop George Soros ist bei Rechten verhasst und immer wieder Ziel antisemitischer Anfeindungen. Die Nennung seines Namens gilt als antisemitische Chiffre. Sie reiche, um antisemitische Bilder der „omnipotenten Juden“ aufzurufen, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer Analyse.

Ein guter Tag für Höcke

Bystron wird ohne Gegenkandidaten mit 82 Prozent Zustimmung auf Platz zwei gewählt. Auf Platz drei folgt der Thüringer René Aust. Er gilt als Nachwuchshoffnung in der AfD. Ebenfalls stramm rechts, aber geschmeidiger als so mancher älterer Parteikollege und bislang frei von Skandalen. Er fordert in seiner laut-energischen Rede eine „Festung Europa“ und verlangt, die AfD müsse die Partei der „industriellen Produktion, der Facharbeiter, der Handwerker“ werden. Auch er wird von Höcke unterstützt.

Für den rechtsextremen Politiker ist es ein guter Tag. Am Vortag, als eines seiner Anliegen eine Niederlage einfuhr, hatte er noch geschwänzt. Doch am Samstag spricht er in jede Kamera. Er erklärt, die EU sei eine „Globalisierungsagentur“. Er fordert eine Auflösung der EU, obwohl AfD-Chefin Weidel diese Formulierung nicht mehr im Parteiprogramm sehen wollte.

Höcke hat angesichts der Umfragewerte der AfD gerade Oberwasser. In Thüringen liegt die AfD mit deutlichem Abstand vorn. Höcke erklärt, wenn die AfD ihren Vorsprung noch ausbaue und er Spitzenkandidat seiner Partei werde, dann müsse er Ministerpräsident werden. Dass niemand mit der AfD koalieren würde, interessiert ihn an diesem Tag nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false