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Von 2002 bis 2014 war Gertrude Lübbe-Wolff am Verfassungsgericht tätig. Sie rät von einem AfD-Verbotsantrag ab.

© imago/Stockhoff

„Es kommt auf die Partei als Ganzes an“: Frühere Verfassungsrichterin sieht kaum Chancen für AfD-Verbot

Gertrude Lübbe-Wolff war 12 Jahre lang Verfassungsrichterin. Ihr zufolge stehen die Chancen für ein erfolgreiches AfD-Verbotsverfahren „schlecht“. Auch gemäßigte Wähler würde man so kaum zurückgewinnen.

Die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht, Gertrude Lübbe-Wolff, sieht die Möglichkeit eines AfD-Verbotsantrags kritisch. Die Chancen eines Verbots der Partei als Ganzes schätze sie als „schlecht“ ein, sagte die Juristin der „Rheinischen Post“ am Mittwoch. Für ein erfolgreiches Verbotsverfahren brauche man mehr als Äußerungen oder Handlungen von einzelnen Personen, seien die auch noch so abstoßend.

„Es kommt auf die Partei als Ganzes an, und da braucht man eine gründliche Materialsammlung“, erklärte Lübbe-Wolff, die an der Universität Bielefeld Staatsrecht lehrt. Die Juristin war von 2002 bis 2014 Richterin im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Gemäßigte AfD-Anhänger kann man mit Verbot kaum zurückgewinnen

Selbst wenn die Voraussetzungen vorlägen, rät die Jura-Professorin von einem Verbotsantrag ab. „Dass man die gemäßigten Anhänger mit einem Parteiverbot zurückgewinnt, halte ich für zweifelhaft“, sagte sie. Womöglich zerstöre man gerade damit ihr Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie.

Ein Scheitern des Antrags könnte die AfD nach Meinung der Verfassungsrechtlerin zudem als Erfolg für sich verbuchen: „Falls eine Ablehnung damit begründet würde, dass die Ziele der Partei und das Verhalten ihrer Anhänger nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, dass also entsprechend verfassungsfeindliche Äußerungen einzelner Akteure nicht der Partei als Ganzer zugerechnet werden können, wäre das für die Partei natürlich ein Triumph.“

Politiker uneins darüber, ob ein AfD-Verbotsverfahren sinnvoll ist

Während viele Menschen in der Zivilbevölkerung und zuletzt auch SPD-Politiker:innen mit Migrationshintergrund ein Verbotsverfahren gegen die AfD forderten, zeigten sich viele hochrangige Parteifunktionäre bisher skeptisch. Justizminister Marco Buschmann (FDP) warnt vor einem „gewaltigen PR-Sieg“, sollte das Verfahren scheitern. CDU-Chef Friedrich Merz empfiehlt eine inhaltliche Auseinandersetzung, um die AfD in ihrer „Märtyrerrolle“ nicht zu bestärken. CSU-Chef Alexander Dobrindt sagte, die Auseinandersetzung mit der AfD „wird juristisch nicht gelingen“.

Zuletzt äußerte auch Vize-Kanzler Habeck (Grüne) seine Bedenken: „Die Hürden sind zu Recht sehr hoch, der Schaden durch ein gescheitertes Verbotsverfahren wäre massiv. Daher müsste alles absolut gerichtsfest sein“, sagte Habeck. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hingegen hält ein AfD-Verbot für möglich. „Ich schließe das nicht aus“, sagte sie dem SWR.

Die Diskussion um ein Parteiverbot war zuletzt durch die Enthüllung eines Treffens hochrangiger AfD-Politiker mit Rechtsextremen neu entfacht worden. Bei dem Treffen im November in Potsdam war laut dem Recherchenetzwerk Correctiv über die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert worden. (epd)

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