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Auch Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz gehört zu den Unterzeichnerinnen

© dpa/Sophia Kembowski

Update Exklusiv

Sanktionen gegen die AfD: SPD-Abgeordnete mit Migrationshintergrund fordern Verbotsprüfung 

Die Sozialdemokraten sehen sich durch die Recherchen von Correctiv „ins Mark getroffen“. Sie fordern Konsequenzen. Juso-Chef Türmer fordert, Björn Höcke von Wahlen auszuschließen.

25 Bundestagsabgeordnete der SPD mit Migrationshintergrund fordern die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD. Unter den Abgeordneten sind auch Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, und der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Mahmut Özdemir (alle SPD).

In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, fordern die sozialdemokratischen Mandatsträger Konsequenzen aus den Recherchen der Plattform Correctiv und „ein entschlossenes Handeln“ gegen rechtsextreme Bestrebungen im Land. „Wir setzen uns für die Prüfung eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD, insbesondere in Hinblick auf die Landesverbände, die als gesichert rechtsextrem gelten“, ein, schreiben die Abgeordneten. „Faschistische Bestrebungen sind ein Fall für den Verfassungsschutz und die Strafverfolgungsbehörden.“

 Wir stehen zusammen, bleiben hier und lassen uns nicht vertreiben!

25 SPD-Bundestagsabgeordnete fordern die Prüfung eines AfD-Verbotes

Von den Erkenntnissen der Recherche zu einem Treffen von AfD-Politikern und anderen Rechtsextremisten sowie den Plänen zur Vertreibung von Millionen Menschen aus dem Land seien sie „ins Mark getroffen“, schreiben die Sozialdemokraten. „Insbesondere wir, die eine familiäre Einwanderungsgeschichte haben, machen uns ernsthafte Gedanken über die Sicherheit und die Zukunft in diesem Land.“

Es gehe nun um nichts weniger als die Demokratie, die Freiheit und das Leben. „Wir stehen zusammen, bleiben hier und lassen uns nicht vertreiben!“ Zu den Unterzeichnern gehören neben Alabali-Radovan auch die ostdeutschen Abgeordneten Karama Diaby, Rasha Nasr und Ana-Maria Trăsnea.

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Innenministerin Faeser hält AfD-Verbotsverfahren für möglich

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält ein AfD-Verbotsverfahren für möglich, wie sie am Dienstag dem SWR sagte. Ein solcher Schritt sei das „schärfste Schwert“, das zur Verfügung stehe. „Ich schließe das nicht aus“ – auch wenn die Hürden für dieses „letzte Mittel der Verfassung“ hoch seien. Faeser fordert die demokratischen Parteien zudem dazu auf, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen.

Am Dienstag wurde eine neue Recherche des Bayerischen Rundfunks veröffentlicht. Nach dem Landesparteitag der AfD in Bayern sollen sich Abgeordnete und Mitarbeiter der AfD sowie einfache Parteimitglieder in einer Diskothek getroffen haben. Dort sangen sie auf die Melodie des Liebesliedes „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino die rechtsradikale Parole „Deutschland den Deutschen. Ausländer raus“. Diese Umdichtung wird seit Längerem in Neonazi-Kreisen genutzt.

Auch Grünen-Abgeordneter fordert AfD-Verbot

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Dresden Kassem Taher Saleh fordert auch deshalb nun ein Verbotsverfahren. „Wir müssen alle Mittel nutzen, die uns unsere Demokratie an die Hand gibt, um zu verhindern, dass die AfD ihre rechtsextremen Pläne umsetzen kann. Ein Verbotsverfahren ist eines dieser Mittel“, sagte Taher Saleh. „Diese Partei arbeitet aktiv gegen die Demokratie und den Wohlstand dieses Landes.“ Die Parteispitze der Grünen hingegen zeigt sich bisher zurückhaltend.

Auch bei der FDP ist man skeptisch. Zyon Braun, Landesvorsitzender der FDP Brandenburg, sagte dem Tagesspiegel, er sei gegen ein Verbotsverfahren, obwohl drei Landesverbände durch den Verfassungsschutz beobachtet würden. Der Ex-FDP-Vorsitzende Philipp Rösler habe vor dem NPD-Verbotsverfahren mal gesagt, Dummheit lasse sich nicht verbieten. „Dem schließe ich mich auch in diesem Fall an“, sagt Braun. Auch die EU-Spitzenkandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte davor, dass sich die AfD durch ein solches Verfahren „zum Opfer stilisieren“ könnte.

Juso-Chef Türmer: Björn Höcke das Wahlrecht entziehen

In den vergangenen Tagen hatten Tausende Menschen gegen die Deportationsfantasien in Teilen der AfD demonstriert, vor allem auch in ostdeutschen Städten wie Leipzig und Rostock. Bis Dienstagnachmittag waren auf der Petitionsplattform „Campact“ mehr als eine Million Unterschriften eingegangen für den Vorstoß, dem Rechtsextremisten und AfD-Politiker Björn Höcke die Teilnahme an den Wahlen zu versagen. Dazu soll eine sogenannte Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz gestellt werden.

Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos, will rasch gegen besonders extreme Einzelpersonen in der AfD vorgehen.
Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos, will rasch gegen besonders extreme Einzelpersonen in der AfD vorgehen.

© Jusos/Fionn Große

Einer der ersten Politiker, der diese Forderung unterstützt, ist Juso-Chef Philipp Türmer. „Es ist absolut richtig, dass die AfD gerade nach den Correctiv-Recherchen jetzt die volle Widerstandskraft unseres Rechtsstaats spüren muss“, sagte Türmer am Dienstag dem Tagesspiegel. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten den Artikel 18 zur Verwirkung der eigenen Grundrechte mit der Erfahrung des Nationalsozialismus in die Verfassung geschrieben. Allerdings wurde dieser bisher noch nie erfolgreich angewandt.

Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz könne man zudem das aktive und passive Wahlrecht verwirken, sagte Türmer. „Der Nazi Björn Höcke bewirbt sich seit Jahren initiativ darum, dass diese Paragrafen mal an ihm angewendet werden“, sagte Türmer dem Tagesspiegel. Außerdem müsse man über Einschränkungen bei der Parteienfinanzierung und Verbote von extremistischen Vereinen im Umfeld der Partei sprechen. „Wir brauchen jetzt zügig solche und weitere Maßnahmen gegen diese Faschisten-Partei“, sagte Türmer.

Eine Partei kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Es wird allerdings nicht auf eigene Initiative tätig, sondern nur bei einem Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung.
Beim früheren Versuch eines NPD-Verbotes hatte als Erstes die Bundesregierung unter Federführung des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) das Verbotsverfahren in Karlsruhe eingereicht. Das Verfahren war letztlich wegen der Irrelevanz der Partei gescheitert.

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