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Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender und Fraktionschef im Bundestag, zu Gast bei Caren Miosga im Ersten.

© imago/Jürgen Heinrich/imago/Jürgen Heinrich

Die Wandlung des Friedrich Merz: Vom mittelschweren Risikofaktor zum Mann der Mitte

CDU-Chef Friedrich Merz blieb länger schon ohne schwere Patzer. In der Partei wird er inzwischen als natürlicher Kanzlerkandidat gesehen. Sein Auftritt bei Caren Miosga zeigt, warum das so ist.

Es gibt diese Zeiten, in denen es für einen Oppositionsführer von selbst läuft: Regierung und Bundeskanzler leiden unter miesen Zustimmungswerten. Die Koalition zankt ohne Pause. Eine Mehrheit hätte am liebsten Neuwahlen. Das Problem des Oppositionsführers Friedrich Merz war bislang, dass er in solchen Zeiten dazu tendierte, Fehler zu machen. In der Ruhe, so schien es, lag bei CDU-Chef Merz nicht die Kraft; stattdessen lauerte dort häufig die Gefahr.

Selbst im Adenauer-Haus war so mancher Mitarbeiter am Sonntagabend um kurz vor 21.45 Uhr entsprechend nervös. Merz saß als erster Hauptgast überhaupt in der neuen ARD-Sonntagabendsendung von Caren Miosga: gemütliche Stühle, warmes Wohnzimmerlicht, ein Zweiergespräch mit einer sympathischen, erfahrenen Moderatorin. Alles schien bereitet, für einen weiteren anlasslosen Patzer, eine neue Debatte über die CDU, Migrationsthemen, die merzsche Wortwahl. Bei Caren Miosga sitzt an diesem Abend aber der andere Friedrich Merz, ein staatstragender Mann, ein nachdenklicher Mann.

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Noch einen politischen Poltergeist braucht es in Deutschland nicht

Dieser 68 Jahre alte Konservative aus Brilon macht sich im Fernsehstudio Gedanken über sein Alter bei der nächsten Bundestagswahl. Er findet ermutigende Worte für die mehr als eine Million Menschen, die am Wochenende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gingen. Seine Sätze sind klar, die Botschaften auch. Der CDU-Chef distanziert sich klug statt boshaft von seinem Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur, Hendrik Wüst. Natürlich, sagte Merz, gebe es Nationalsozialisten wie Björn Höcke in der AfD, aber nicht jeder AfD-Wähler sei ein Nazi, deshalb wolle er nicht wie Wüst von einer „Nazi-Partei“ sprechen. Punkt. Ein fieser Seitenhieb bleibt aus.

In der CDU und im Umfeld von Friedrich Merz hat sich offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Menschen sich in aufgeheizten Zeiten nicht nach einem politischen Poltergeist sehnen. Merz hatte allein im vergangenen Sommer und Herbst ukrainischen Flüchtlingen „Sozialtourismus“ unterstellt, arabischstämmige Kinder „kleine Paschas“ genannt oder die CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet und dazu noch mit ungeschickten Formulierungen die parteiinterne Brandmauer zu den Rechtsextremisten angekratzt.

Merz ist inzwischen drittbeliebtester Politiker im Land

Lang ist’s her. Heute werden in seinem Umfeld lieber Umfragen zitiert, wonach sich 80 Prozent der Deutschen nach einer konstruktiven Opposition sehnen. Erkannt haben sie in der Partei offenbar auch, dass das ständige Thematisieren der Asyl-Frage vor Wahlen vor allem die AfD stärkt. Zur Vorstandklausur der Partei Mitte Januar hat Merz dann auch die in weiten Teilen rechtsextreme Partei zum Hauptfeind erklärt und seine CDU auf den Kampf gegen sie eingeschworen.

Merz ist inzwischen – ja, wirklich – der drittbeliebteste Spitzenpolitiker im Land. Selbst in der Direktwahl-Umfrage liegt er erstmals vor Olaf Scholz. Das liegt einerseits zwar am Einbruch der Beliebtheit fast aller Regierungsmitglieder, aber eben auch an steigenden Werten für ihn. In Partei und Fraktion sitzt Merz, wenn man sich dort umhört, inzwischen sowieso fester denn je im Sattel. Er scheint sehr von seinem neuen Generalsekretär zu profitieren: Carsten Linnemann setzt präzise, scharfe Attacken; Merz kann leichter den Staatsmann geben.

Die Rebellen von einst sind heute eher Außenseiter

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der sich mutig in die vorderste Linie der Merz-Kritiker begab, wird stattdessen auf Sitzungen des CDU-Bundesvorstandes lieber gemieden. So beschreiben es Teilnehmer der Sitzungen. Die Partei scheint ihren Frieden damit gemacht zu haben, dass Merz den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur hat. „Wenn er für sich entscheidet, dass er ins Rennen gehen will, dann wird er Kanzlerkandidat“, ist so eine Aussage, die man jetzt von vielen Seiten hört.

Kai Wegner machte ihm richtig zu schaffen: Friedrich Merz und der Regierende Bürgermeister von Berlin werden wohl keine Freunde mehr.
Kai Wegner machte ihm richtig zu schaffen: Friedrich Merz und der Regierende Bürgermeister von Berlin werden wohl keine Freunde mehr.

© imago/Jens Schicke

Der Vize-Vorsitzende des sozialpolitischen Flügels der CDU, Dennis Radtke, sagt inzwischen Sätze über Merz wie: „Friedrich Merz ist ansprechbar, offen für Ideen und bemüht, die unterschiedlichen Strömungen in der Partei mitzunehmen.“ Radtke, wirklich kein Merzfan der ersten Stunde, spricht vom gemeinsamen „Geist“, den es für den Erfolg brauche. Vize-Fraktionschef Jens Spahn sagte dem Tagesspiegel: „Friedrich Merz trifft mit seiner Mischung aus Führung und Debatte zulassen den richtigen Ton in der Fraktion.“ Kann Merz doch noch erreichen, wie es sein Freund Wolfgang Schäuble gehofft haben soll, was diesem nie gelang, also die Kanzlerschaft?

Ein guter Auftritt im Fernsehen und einige Wochen ohne die alte Fettnapftreterei reichen dafür nicht. Darauf wird im Adenauer-Haus genauso hingewiesen wie bei Merz’ innerparteilichen Gegnern. Einen Ruf als politischer Hitzkopf wird man nicht in der Winterpause der Fußballbundesliga los. Wenn ihm die Halsschlagader anschwillt, das wissen alle, die ihn länger kennen, platzt es aus ihm raus, dass draußen der Schnee schmilzt.

Das konnte ihm am Sonntag in der wohltemperierten Sendung von Caren Miosga kaum passieren. Aber die Kanzlerqualitäten des neuen Mitte-Manns Friedrich Merz werden schon noch herausgefordert werden, spätestens dann im Wahlkampf, diesem Höllenritt. Der hat schon deutlich ruhigere Gemüter wie Armin Laschet das Kanzleramt gekostet.

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