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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Unternehmertag Nordrhein-Westfalen in den Düsseldorfer Rheinterrassen.

© action press/Christoph Hardt

Die SPD kämpft um ihr Profil : Jetzt beginnen die Grundsatzdebatten

Dauer-Zoff in der Koalition, miese Umfragewerte und drohende Wahlschlappen: Nach Monaten des Schweigens werden in der SPD Rufe nach einem Kurswechsel laut.

Angesichts geringer Zustimmungswerte bemüht sich die SPD um ein stärkeres eigenes Profil innerhalb der Ampelkoalition. So fordert der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD, Raed Saleh, eine Grundsatzdebatte in der Bundespartei über die Verteilung der Kosten von Krieg und ökologischer Transformation der Gesellschaft.

„Die zentrale Generationenaufgabe des Klimaschutzes darf nicht zu der Ungerechtigkeit führen, dass gleichzeitig die Konzerngewinne und die Lebenshaltungskosten der Menschen explodieren“, sagte Saleh dem Tagesspiegel. Saleh forderte dazu eine Überarbeitung des SPD-Grundsatzprogramms. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht nur eine allgemeine Umverteilungsdebatte führen müssen“, sagte Saleh. „Unser Grundwert Gerechtigkeit zwingt uns bei der ungerechten Kluft zwischen Konzerngewinnen und Belastung der Menschen zunächst zu einer Zurückverteilungsdebatte.“

Ökonomen wollen „Wachstumsagenda“

Zehn SPD-nahe Wirtschaftsexperten forderten die Bundesregierung zu einem Kurswechsel auf. Nötig sei „ein ökonomischer Neustart der Ampelkoalition mit klaren wirtschafts-, finanz- und industriepolitischen Prioritäten im Rahmen einer Wachstumsagenda“, schreiben die Autoren in ihrem Papier, berichtet der „Spiegel“. Zu den Unterzeichnern zählt Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig.

Blockadehaltungen diese Art sind ärgerlich, aber lösbar.

Ines Zenke, Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums, über die Blockade des Wachstumschancengesetzes

Das SPD-Wirtschaftsforum, das sich selbst als der unternehmerische Berufsverband an der Seite der Sozialdemokratie, bezeichnet, rief dazu auf, den Koalitions-Zoff um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu beenden. „Die Diskussion um das Wachstumschancengesetz zeigt einmal mehr, dass in der Ampel um Positionen gerungen wird. Blockadehaltungen diese Art sind ärgerlich, aber lösbar“, sagte Wirtschaftsforums-Präsidentin Ines Zenke dem Tagesspiegel.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Ende der Sommerpause mit einem Durchbruch bei mehreren Gesetzen der Ampelkoalition zelebrieren wollen. Das Veto von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gegen das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber verhagelte dem Kanzler einen Neustart.

Während seiner Rede beim NRW-Unternehmertag am Mittwoch wurde Scholz kräftig ausgebuht. Scholz positionierte sich hier gegen einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen. „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben“, sagte er. Weite Teile der SPD, Union Gewerkschaften und Industrie werben für einen Industriestrompreis.

In seiner eigenen Partei gibt es bislang keine offene Kritik am Kanzler, obgleich dessen Beliebtheitswerte in Umfragen fallen. Viele SPD-Abgeordnete schreiben den Gewinn ihres Mandates der Rolle von Scholz beim SPD-Wahlsieg 2021 zu.

Verhaltene Kritik an der Regierungsführung des Kanzlers ließ Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kürzlich erkennen, indem er Vorbehalte gegen das von seiner Partei mit geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG) äußerte.

Angesichts der miserablen Umfragewerte im Bund drohen der SPD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen neuerliche Schlappen. In Bayern liegt die SPD laut Umfragen bei neun Prozent, im einstigen SPD-Stammland Hessen bei rund 20 Prozent. Gewählt wird am 8. Oktober. In SPD-Kreisen hält man eine Wahl von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur hessischen Ministerpräsidentin für extrem unwahrscheinlich.

Derweil legte die SPD in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen um zwei Punkte auf 19 Prozent zu, wie aus dem ZDF-„Politbarometer“ hervorgeht. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die Union auf 26 Prozent (minus eins). Die Grünen verlieren einen Punkt und kommen auf 15 Prozent. FDP und AfD bleiben bei sieben beziehungsweise 20 Prozent. Die Linke gewinnt einen Punkt und landet bei fünf Prozent. 51 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der Arbeit von Kanzler Scholz. Zufrieden darüber äußerten sich nur 43 Prozent. 

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