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Bundesinnenministerin Faeser (SPD) bei einer Pressekonferenz  Ende März.

© dpa/Paul Zinken

Die Malaise der Nancy Faeser: Scheitert die Asyl-Reform, ist wohl lange nichts mehr möglich

Die Bundesinnenministerin will das EU-Asylsystem komplett umkrempeln, mehr abschieben und nebenher hessische Ministerpräsidentin werden. Das kann kaum gut gehen.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Nun also noch das Staatsbürgerschaftsrecht. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will Einbürgerungen vereinfachen. Ihr Gesetzentwurf wird gerade zwischen den Ressorts abgestimmt, soll im Sommer vom Kabinett beschlossen werden.

Mangelnden Ehrgeiz kann man Faeser kaum vorwerfen. Im Gegenteil: Sie versucht, das ganz große Rad zu drehen. Im Auftrag von Kanzler Olaf Scholz soll Faeser eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durchsetzen ­– ein Jahrhundertprojekt. Scholz macht Druck. Er will eine Einigung noch vor der Europawahl im Juni 2024. Damit weckt er hohe Erwartungen. Eine Mehrheit für die Reform? Bisher nicht in Sicht.

Faeser plädiert unter anderem für Asyl-Verfahren an den EU-Außengrenzen; Vorhaben also, die weder Otto Schily noch Horst Seehofer durchsetzen konnten. Sie will Migrationsabkommen schließen. Außerdem hat sie eine heimische Agenda: die deutsche Grenze effektiver kontrollieren, schneller über Asylbegehren entscheiden, weitere sichere Herkunftsstaaten definieren und mehr Ausreisepflichtige abschieben.

Die AfD profitiert vom Unmut

Faeser weiß: Die Malaise ist groß. Länder und Kommunen klagen über mangelnde Unterkünfte und die starke Zunahme von Asylbewerbern. In Deutschland leben bereits gut eine Million geflohene Ukrainer, zu Recht dem Asylverfahren enthoben.

Schon jetzt aber sagen drei von vier Deutschen: Die Parteien kümmern sich zu wenig um die Probleme durch Zuwanderung. Die AfD, obgleich politisch untätig, profitiert von diesem Unmut. Dass sich der jüngste Flüchtlingsgipfel von Kanzler und Ministerpräsidenten bei der Grundsatzfrage nach dem Geld auf November vertagt hat, ist Wasser auf deren Mühlen.

Die bisherige Bilanz Faesers ist bescheiden. Die großspurig angekündigte „Rückführungs­offensive“ (Koalitionsvertrag 2021) lässt auf sich warten. Im vorigen Jahr wurden kaum mehr Menschen abgeschoben als 2021. Die Zahl der Asylbewerber stieg derweil. Bemerkenswert ist Faesers rhetorischer Schwenk. Während sie ihr Amt mit der Betonung auf dem humanitären Aspekt der Migrationspolitik antrat, schimmert jetzt Otto Schily durch. Kommt da noch mehr?

Abschieben nach Afghanistan? Schwierig.

Niemand sollte so tun, als ließ sich die Zahl der Abschiebungen per Fingerschnippen steigern. Abschieben nach Afghanistan, nach Syrien, in den Iran? Das lässt sich schwer rechtfertigen. Warum indes Moldau und Georgien noch keine sicheren Herkunftsstaaten sind, müssen die Grünen erklären. Moldau und Georgien sind EU-Beitrittskandidaten. EU-Beitrittskandidat und nicht-sicheres Herkunftsland ­– das passt nicht zusammen.

Nicht einmal die Kategorie „sicherer Herkunftsstaat“ garantiert etwas. Das Dublin-Verfahren, das die „Sekundärmigration“ innerhalb Europas stoppen soll, liegt danieder. Wer in Griechenland Asyl beantragt hat und nach Deutschland weiterreist, darf hierbleiben.

Sollte im EU-Innen- und Justizministerrat Anfang Juni die von Faeser angestrebte Asyl-Reform versanden, ist vielleicht bis auf lange Zeit nichts mehr möglich. Im Sommer werden aber wohl noch mehr Menschen nach Deutschland fliehen als im Winter. Just dann will Faeser in den Wahlkampf ziehen, um Ministerpräsidentin in Hessen zu werden.

Unglückliche Konstellation

Schon im Umgang mit Arne Schönbohm, dem einst obersten Cyberabwehr-Chef, hat Faeser keine gute Figur gemacht. Natürlich kann eine Ministerin einen Behördenchef versetzen. Faeser aber ließ den Eindruck zu, auf eine Anklage des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann zu reagieren, der Schönbohm zu große Nähe zu einem Cyberverein mit angeblichen Kontakten zu russischen Geheimdiensten vorwarf.

Die Konstellation ­– hier Ministerin, dort Wahlkämpferin ­– war schon unglücklich, als Faeser sie erdachte. Wenn nun immer mehr Flüchtlinge kommen, gilt das erst recht. Derweil kann Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), den Faeser ja ablösen will, im Land omnipräsent sein. Rhein hat Beinfreiheit, Faeser nicht. Die Parteien jenseits der SPD fragen bei jedem ihrer Termine zu Recht: Wer tritt hier nun auf, die Ministerin oder die Wahlkämpferin?

In Hessen werden die Genossen in den kommenden Monaten ihre Spitzenkandidatin immer mal wieder vermissen. Das kann dem Rest des Landes herzlich egal sein. Nicht egal aber kann es den Deutschen sein, wenn eine Innenministerin ihr Amt nur mit bedingter Kraft ausübt. Man muss sich gar nicht den Horror eines Terroranschlags ausmalen, um festzustellen: Eine Teilzeit-Innenministerin kann sich Deutschland in diesen Zeiten nicht leisten.  

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