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Raed Saleh, Landesvorsitzender der SPD Berlin und Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

© dpa/Carsten Koall

„Die Konzerne lachen sich ins Fäustchen“: Berlins SPD-Chef fordert von Bundespartei linke Kurskorrektur

Raed Saleh fürchtet um die Demokratie, wenn Belastungen für Bürger weiter steigen. Die SPD müsse stärker an der Seite der Bürger stehen. Dafür will er das Grundsatzprogramm der SPD überarbeiten.

Der Landes- und Fraktionschef der Berliner SPD, Raed Saleh, fordert eine Grundsatzdebatte in der Bundespartei über die Verteilung der Kosten von Krieg und ökologischer Transformation der Gesellschaft. „Die zentrale Generationenaufgabe des Klimaschutzes darf nicht zu der Ungerechtigkeit führen, dass gleichzeitig die Konzerngewinne und die Lebenshaltungskosten der Menschen explodieren“, sagte Saleh dem Tagesspiegel am Freitag.

Der Berliner SPD-Chef regt dafür auch eine Überarbeitung des Grundsatzprogramms der Bundes-SPD an. Die Sozialdemokraten müssten in dieser Frage klare Orientierung bieten. Insbesondere soll dafür der für die Sozialdemokratie zentrale Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ stärker ausbuchstabiert werden.

„Wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht nur eine allgemeine Umverteilungsdebatte führen müssen“, sagte Saleh. „Unser Grundwert Gerechtigkeit zwingt uns bei der ungerechten Kluft zwischen Konzerngewinnen und Belastung der Menschen zunächst zu einer Zurückverteilungsdebatte.“

Es geht um die Unterstützung staatlichen Handelns

„Wir Sozialdemokraten müssen den Menschen garantieren, dass sie nicht stärker an den Kosten der Transformation beteiligt werden als die Konzerne“, sagte Saleh. „Die meisten Menschen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, aber sie haben auch ein berechtigtes, starkes Ungerechtigkeitsgefühl, wenn Konzerne in der Krise Rekordgewinne einfahren und Milliardensubventionen erhalten.“

Das ließe sich auch nicht mit besserer Kommunikation ausbessern, sondern erfordere eine Grundsatzdebatte in der SPD: „Eine einseitige Belastungspolitik löst sich nicht durch besseres Erklären von Politik, sondern ist eine Grundsatzfrage von Gerechtigkeit, die von der Partei grundsätzlich und transparent diskutiert und entschieden werden muss.“

Saleh hatte zuletzt häufiger die Arbeit der Ampel-Koalition in der Krise kritisiert. Er fürchtet in der Koalition mit FDP und Grünen nun offenbar um das linke Profil seiner Partei. Als Negativ-Beispiele nannte er die 2022 geplante und dann gestoppte Gasumlage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Fast 40 Milliarden Euro sollten von den Bürgern zu Rettung der Energiekonzerne übernommen werden, kritisierte Saleh.

Auch bei der Pflicht zum Heizungsumbau würden Mieter aus der Sicht des Sozialdemokraten über Gebühr belastet. „Die Konzerne lachen sich ins Fäustchen“, meinte Saleh.

Der SPD-Mann sorgt sich um den seit Monaten anhaltenden Aufstieg der AfD und sieht einen Zusammenhang zur starken finanziellen Belastung in der Krise: „Unsere Geschichte, die Geschichte Deutschlands, Europas und der Welt zeigt, dass gerade in Zeiten komplexer Krisen eine gefährliche Verführung in simplen und radikalen Antworten liegt.“

Die Konzerne lachen sich ins Fäustchen.

Raed Saleh, Berliner SPD-Chef

Als Beispiele nennt er das Infragestellen des Klimawandels, das Ausspielen von Asylsuchenden gegen Deutsche und Kritik an der Milliardenhilfe für die Ukraine. Saleh fordert daher: „Wenn wir über Nacht 100 Milliarden Euro zusätzlich für Militärausgaben bereitstellen, dürfen sich nicht zugleich die Lebensverhältnisse der Menschen erheblich verschlechtern. Nur so erhält man die Akzeptanz und Unterstützung in der Bevölkerung für staatliches Handeln.“

Viele Konzerne erzielen Rekordgewinne

Der Berliner SPD-Chef hatte schon vor seinem Vorstoß für eine Programm-Debatte in seiner Partei den temporären Wegfall der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und eine Senkung der Stromsteuer gefordert. Auch für eine sogenannte Übergewinnsteuer hatte sich der Landeschef ausgesprochen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Aus der Berliner SPD wird in diesen Zusammenhang auf die Rekordgewinne vieler Konzerne in der Krise hingewiesen: So spülten die stark gestiegenen Energiepreise den Energiekonzernen Rekordgewinne in die Kassen.

Die Berliner Sozialdemokraten argumentieren außerdem mit Studien unter anderem des ifo-Instituts, wonach die Inflation nicht nur eine Kosteninflation sei, sondern zum großen Teil eine „Gewinninflation“ – vor allem im Handel, Bau- und Gastgewerbe sowie in der Landwirtschaft. Saleh sagte: „Ich möchte das ändern, denn es belastet die Menschen im Übermaß.“

Zurzeit ist das „Hamburger Programm“ das Grundsatzprogramm der SPD. Es wurde auf einem Bundesparteitag im Jahr 2007 in der Hansestadt beschlossen und löste das bis dahin gültige Berliner Programm aus dem Jahr 1989 ab. Es nennt als ausdrückliches Ziel den auch in der SPD umstrittenen Begriff des „demokratischen Sozialismus“. Ein Meilenstein war damals die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen. Diesen gibt es in Deutschland inzwischen seit dem Jahr 2015.

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