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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt sich vom Hydrologen Luke Olang (M) in der Sopa Lodge am Naivasha-See die ökologischen und ökonomischen Veränderungen erläutern.

© picture alliance/dpa

Der Außen-Kanzler: Olaf Scholz findet Gefallen an der Weltpolitik

Zurückhaltend formulieren, bloß keine Provokation. So diplomatisch hält es Scholz auch in der Außenpolitik. Andere mögen forscher sein – doch er ist weiter gekommen als viele SPD-Genossen.

Nur eine Drohne, die surrend hin- und herfliegt, lenkt die Besucher immer mal wieder ab. Eben ist Olaf Scholz auf einem langen roten Teppich die Ehrengarde abgeschritten. Er hörte die deutsche Hymne. Er salutierte der Flagge. Er baute sich auf neben seinem Gastgeber, dem Präsidenten von Kenia. Viel Tschingderassabum, alles sehr feierlich hier am Freitag, unter der Sonne in Nairobi.

Gut zwei Stunden später, am selben Ort, vor dem Präsidentenpalast. Die Gastgeber haben flott für die Delegationen einen riesigen Sonnenschutz aufgebaut. Heizungen, ja gesetzliche Vorschriften für Heizungen, dürften bei Terminen von Kenias Präsidenten hier, knapp südlich des Äquators, eher selten ein Thema sein. Heute sind sie es.

Scholz mag auf Auslandsreise sein, neun Flugstunden südlich von Berlin. Doch die deutsche Innenpolitik ist mitgereist: Zuwanderung, Fachkräftemangel, erneuerbare Energien – und eben Heizungen. Selbst das Schicksal eines beamteten Staatssekretärs ist Thema in Kenias Sonne.

Die deutsche Innenpolitik reist mit nach Afrika

Nach der Zukunft des Gebäudeenergiegesetzes also wird Scholz in Kenia von einer deutschen Reporterin gefragt, und danach, ob Robert Habeck seinen Staatssekretär Patrick Graichen entlassen muss. Und Scholz? Der sagt erst noch einmal etwas zur Migration, in sehr ordentlichem Englisch. Dann würdigt er den Zweck von Habecks Gesetz. Keine Regierungsfraktion stelle es „in der Essenz“ infrage. Im Parlament könne vieles besser werden, er sei da „sehr zuversichtlich“.

 Ich gehe davon aus, dass alles andere entsprechend der Regeln, die wir haben, erfolgen wird.

Olaf Scholz (SPD) zum Fall Graichen

Ein echter Scholz: internen Streit klein reden, wolkig bleiben. Über die Causa Graichen sagt Scholz, der Wirtschaftsminister habe sich dazu geäußert. „Ich gehe davon aus, dass alles andere entsprechend der Regeln, die wir haben, erfolgen wird.“ Ich gehe davon aus. Regeln. Erfolgen. Mit Technokraten-Deutsch sichert sich Scholz ab, vermeidet eine Positionierung. Sollte Graichen irgendwann gehen müssen? Scholz kann dann sagen, dass er doch damals alles dazu gesagt habe. Damals, jenseits von Deutschland, in Afrika.

Dass die Außenpolitik so sehr seine Kanzlerschaft prägen würde, wie sie es seit Russlands Krieg gegen die Ukraine tut, das hatte Scholz selbst wohl am wenigsten erwartet. Nach einem Wahlkampf mit dem Ruf nach „Respekt“, sicheren Renten und höherem Mindestlohn war Scholz 2021 ins Ziel gelaufen. Zwei strauchelnde Mitbewerber um die Kanzlerschaft, Annalena Baerbock und Armin Laschet, wurden zu Paten des SPD-Siegs.

Außenpolitisch war Scholz ja fast noch ein Novize. Gewiss, als Hamburger Bürgermeister hatte er mal einen G-7-Gipfel beherbergt (eher unglücklich) und Donald Trump die Hand geschüttelt. Doch im Grunde war er in Hamburg Kommunalpolitiker. Als Arbeitsminister und SPD-Fraktionsvize beackerte er heimisches Terrain. Da ging es um demografische Faktoren, Rentenpapiere, solche Sachen. Der Finanzminister Scholz reiste ein wenig in der Welt herum, bevor die Pandemie zuschlug.

Und nun Äthiopien und Kenia innerhalb von 48 Stunden. Demnächst G-7 in Japan, außerdem Südkorea. Dazwischen noch ein paar europäische Trips. Plus ein Besuch von Wolodymyr Selenskyj wohl bald in Berlin. Längst ist Scholz der Außen-Kanzler.

Scholz spricht aus, was Biden längst forderte

Wladimir Putin hat kräftigen Anteil daran. Scholz’ Zeitenwende-Rede vom 27. Februar 2022 dürfte eingehen als ein maßgeblicher außenpolitischer Kurswechsel der jüngsten deutschen Geschichte.

Ukraine, Russlands Aggression, Chinas Machtanspruch, Klima-Krise, nun der Bürgerkrieg im Sudan – es gibt wohl keinen Tag, an dem der Kanzler keine Außenpolitik macht. Er tut das überlegt, vorsichtig. Seine „Respekt“-Vokabel hat er längst in die Außenpolitik übertragen, verlangt in Addis Abeba mehr „Respekt“ vor Afrika. Der „Respekt“, für Scholz eine innenpolitische Lehre aus Hillary Clintons respektlosem Blick auf Menschen jenseits der Oberschicht, ist für ihn eine Art Geländer. Darin hält er sich fest, ob in Aachen oder Addis Abeba.

Und die Vorsicht? Im Hauptquartiert der Afrikanischen Union (AU) spricht sich Scholz am Donnerstag für einen Sitz der AU im Kreis der G20 aus. Eine unverfängliche Forderung, zumal hier, wobei Scholz fast so tut, als handele es sich um seine Idee. Dass ein gewisser Joe Biden schon 2022 genau das forderte, lässt er unerwähnt. Auf die Frage, welche Staaten er hier an seiner Seite habe, blieb er eine Antwort schuldig. Wolkige Formulierungen, darin war Scholz schon immer große Klasse.

Wenn es um Festlegungen, wichtige Entscheidungen geht, trifft Scholz sie erst, wenn es sich gar nicht anders vermeiden lässt. Die Karten immer eng an der Brust halten, statt sie offen zu legen. Schnellschüsse oder Dampfplauderei hat Scholz schon immer verachtet.

Gern naseweis und mit einer Prise Besserwisserei

Der Kanzler betreibt Politik im Stil der Antragskommission, die er bei SPD-Parteitagen gefühlt 120 Jahre lang geleitet hat: hinter verschlossenen Türen verhandeln, „Deals“ machen, Dinge zum Erfolg führen. Jeden Beschluss, gern naseweis und mit einer Prise Besserwisserei, als hervorragend loben. Seht her, wie brillant ich wieder war. „Es war richtig“, „es war gut“ sagt Scholz gern über das, was er so macht. Selbst in Kenia fallen diese Worte.

Ein Menschenfischer war der Hanseat Scholz nie. Sein Erfolg ruht auf Konstitution, Disziplin, Durchhaltevermögen und dem Scheitern anderer. Sein Parteifreund Frank-Walter Steinmeier saß plötzlich im Bellevue. Sigmar Gabriel, Martin Schulz, Peer Steinbrück und Andrea Nahles scheiterten an sich selbst. Übrig blieb „Olaf“, wie er in der SPD genannt wird.

Das Scheitern der anderen – das ist ein essenzieller Teil von Scholz‘ Aufstieg. Noch vor einem halben Jahr galt sein Vizekanzler als möglicher bis wahrscheinlicher Nachfolger. Als Habeck vor dem Präsidenten-Palast in Nairobi Thema wird, hat er längst das Image eines bedauernswerten Tropfes. Die grünen Umfragewerte purzeln, selbst in der Hochburg Bremen.

Galt nicht Habeck schon als Kanzler in spe? Formuliert er nicht stets viel klarer, prägnanter, witziger als Scholz? So wie schon Gabriel oder Steinbrück? Wurde er nicht in Teilen des Volkes verehrt, anders als Scholz?

Scholz betreibt eine fast altmodisch zurückhaltende Rhetorik. Er gibt zwar viele Interviews, sagt darin aber nicht viel. Seine Außenministerin bezichtigt China, aggressiver, repressiver zu sein als einst, zeigt sich „schockiert“ von Peking. Sein Verteidigungsminister sagt: Die Ukraine muss den Krieg gewinnen. Friedrich Merz spitzt zu. Scholz bleibt vorsichtiger als jeder von ihnen.

Olaf Scholz beobachtet, betreibt Fehlervermeidung. Disziplin wahren. Immer eine Hintertür offenhalten. Mal sehen, wer auf der Strecke, und wer übrig bleibt.

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