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Außenministerin Annalena Baerbock zu Besuch in Bosnien und Herzegowina.

© Imago/Armin Durgut/PIXSELL

Der Krisenmodus, der keiner sein darf : Regierung gibt sich in Abhöraffäre betont gelassen

Nach der Veröffentlichung der Offiziersbesprechung zu Taurus-Marschflugkörpern versucht die Ampelkoalition außenpolitisch Flagge gegenüber Moskau zu zeigen – und die Verbündeten zu besänftigen.

Im Regierungsviertel ist es zu Beginn dieser Woche ohne Bundestagssitzung eher ruhig. Der Kanzler ist ausgeflogen und besucht Mercedes in Sindelfingen. Die Außenministerin weilt auf dem Balkan. Von den in der Abhöraffäre am meisten betroffenen Ressortchefs hält sich nur Verteidigungsminister Boris Pistorius in Berlin auf.

Jenseits dessen, dass der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner versichert, alle Beteiligten stünden miteinander im Austausch, steckt eine Botschaft in diesem vermeintlichen Business as usual. „Die Bundesregierung lässt sich nicht einschüchtern“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in der Bundespressekonferenz am Montagmittag.

Am leichtesten fällt es der Ampelkoalition noch, die russische und von der AfD verbreitete Erzählung zu kontern, die abgehörten Offiziere hätten einen Angriffskrieg geplant. Baerbocks Haus verweist darauf, dass es eben Moskau sei, das einen solchen Angriffskrieg gegen die Ukraine führe – und russische Drohungen bis hin zum Atomwaffeneinsatz leider nichts Neues seien.

Moskau bloß kein neues Futter liefern!

Dem Kreml geht es auch nach Meinung der grünen Verteidigungspolitikerin Sara Nanni darum, „von den Wirecard-Enthüllungen und der Solidarisierung mit dem getöteten Oppositionsführer Alexei Nawalny abzulenken“. Mit einer Einbestellung des russischen Botschafters in Berlin diese Eskalationsrhetorik noch zu unterstützen, während Alexander Graf Lambsdorff als deutscher Vertreter in Moskau zu einem angeblich schon länger geplanten Gespräch geladen ist – das will die Regierung an diesem Tag unbedingt vermeiden.

So entspannt wie bei ihrem Antrittsbesuch Ende 2021 dürfte es an diesem Dienstag in Paris für Außenministerin Annalena Baerbock nicht werden – für die deutsch-französischen Beziehungen war es eine Katastrophenwoche.
So entspannt wie bei ihrem Antrittsbesuch Ende 2021 dürfte es an diesem Dienstag in Paris für Außenministerin Annalena Baerbock nicht werden – für die deutsch-französischen Beziehungen war es eine Katastrophenwoche.

© Kay Nietfeld/dpa

Ein politischer Sturm fegt trotzdem durch die Hauptstadt: Innen- wie außenpolitisches Krisenmanagement tut not. Neben der Aufklärung des konkreten Falles gilt es, die politischen Angriffe in der Taurus-Frage zu kontern als auch die irritierten Verbündeten zu besänftigen.

Dafür reist Baerbock nun an diesem Dienstag kurzfristig nach Paris – und empfängt am Donnerstag den Londoner Amtskollegen David Cameron in Berlin. Schließlich hat die indirekte Bestätigung einer britischen wie französischen Militärbeteiligung beim Betrieb ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper eine europapolitische Katastrophenwoche gekrönt. Man werde das „intern besprechen, nicht auf offener Bühne“, sagt Baerbocks Sprecher auf die Frage nach dem außenpolitischen Schaden.

Innenpolitisch ist das ein gefundenes Fressen für die Opposition, die den Kanzler frontal angreift. Die Union will ihn am liebsten noch in dieser Woche im Verteidigungsausschuss sehen.

Ich finde es extrem bedauerlich, dass sich die Union allein auf Taurus fokussiert, statt das größere Bild zu betrachten.

Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen

Den Gefallen aber will ihr dessen Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht tun. Sie verweist auf eine bereits stattfindende Unterrichtung der Verteidigungspolitiker durch das Ministerium: „Alles Weitere werden wir erst entscheiden, wenn wir die ersten konkreten Informationen haben.“ Vonseiten des Militärgeheimdienstes MAD wird aber erst am Mittwoch oder Donnerstag mit ersten Erkenntnissen gerechnet.

„Die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zur Abhöraffäre wird vermutlich am Montagabend kommender Woche stattfinden“, sagt deshalb die Grüne Nanni, „ohne den Kanzler“.

Appelle aus der Ampel an die Union

Das dient zwei Zielen, die nicht nur sie verfolgt, sondern die gesamte Koalition. Der Krisenmodus soll nicht dadurch offensichtlich werden, dass Abgeordnete außerhalb der regulären Sitzungswoche nach Berlin kommen müssen. Zudem will die Ampel den eigentlichen Skandal im russischen Informationskrieg verorten und Scholz mit seiner Taurus-Politik aus der Schusslinie nehmen.

„Ich bin die Letzte, die sagen würde, dass rund um das Thema Taurus alles perfekt gelaufen ist“, sagt Nanni, fügt aber hinzu: „Ich finde es extrem bedauerlich, dass sich die Union allein auf Taurus fokussiert, statt das größere Bild zu betrachten.“ Ihr Parteifreund Konstantin von Notz warnt die Union, dass der Gesprächsmitschnitt „nicht die alleinige undifferenzierte Grundlage dieser Diskussion“ sein dürfe. Es sei „schon schlimm genug, dass die AfD und die Wagenknechts inzwischen offen als Sprachrohr Moskaus agieren“.

Scholz ist nicht mehr frei in seinen Entscheidungen. Putin hat ihm durch den Leak den Rückweg verbaut.

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul über das bekräftigte Nein des Kanzlers zu Taurus

In dieselbe Richtung geht auch Strack-Zimmermanns Appell an die Opposition, mit Ernsthaftigkeit auf die aktuelle Lage zu reagieren: „Putin möchte nämlich nur eines, dass wir jetzt übereinander herfallen.“ Sie prophezeit: „Den Gefallen werden wir ihm nicht tun.“ 

Die CDU aber verstärkt an diesem Montag ihre Kritik am Kanzler noch und sieht keinen Anlass, den Appellen aus der Ampel zu folgen: „Der Kanzler hat dieses Chaos in der Taurus-Frage doch selbst angerichtet“, sagt Fraktionsvize Johann Wadephul: „Der abgehörte Mitschnitt wäre nur halb so brisant, wenn Scholz mit uns Parlamentariern einmal Tacheles geredet und sich in der Öffentlichkeit weniger kryptisch geäußert hätte.“

Nun sieht er nach der erneuten Bekräftigung des Neins zu Taurus durch Scholz in Sindelfingen sogar einen russischen Geheimdiensterfolg: „Scholz ist nicht mehr frei in seinen Entscheidungen. Putin hat ihm durch den Leak den Rückweg verbaut.“ Für seinen Parteifreund Roderich Kiesewetter ist Scholz gar „zu einem Sicherheitsrisiko in Europa geworden. Deshalb ist es unsere staatspolitische Verantwortung, den Druck aufrechtzuerhalten.“

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