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So viel zu lernen: Kinder in einer deutschen Grundschule.

© IMAGO/Funke Foto Services/IMAGO/

Milliarden für Brennpunktschulen: Das Startchancen-Programm ist ein bitternötiger Teilerfolg

Zwei Milliarden pro Jahr für Schulen im Rahmen des Startchancenprogramms sind eine gute Nachricht. Und doch hat Saskia Esken recht: Es braucht noch viel mehr.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Mancherorts tropft es durch die Decke, woanders sitzt jedes Kind vor einem Edel-Laptop. Und manchmal trifft beides sogar auf ein- und denselben Ort zu. Die Unterschiede, wie gut oder schlecht Kinder in Nord und Süd, Stadt und Land beschult werden, sind gigantisch.

Der eine trifft auf einen warmherzigen Pädagogen mit fundierter Ausbildung, der andere auf eine überforderte, dauergestresste Quereinsteigerin. Das beeinflusst die Lebenschancen der nächsten Generation dramatisch – und damit die Zukunftschancen des Landes.

Daher ist es gut, dass sich Bund und Länder endgültig auf ein Startchancen-Programm für Brennpunktschulen geeinigt haben. Gemeinsam geben sie in den nächsten zehn Jahren zwei Milliarden Euro pro Jahr. Und zwar nicht nach dem Prinzip Gießkanne. Endlich wird mit Hilfe von Sozialindizes genauer hingeschaut, welche Schulen am dringendsten Hilfe brauchen.

Kann das klappen? Eher nicht.

Auch gibt es eine klare Vorgabe, an der dereinst der Erfolg des Programms wird gemessen werden können: Innerhalb der zehn Jahre soll an den geförderten Schulen die Zahl der Kinder halbiert werden, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathe verfehlen. Kann das klappen? Eher nicht. Aber es klingt ambitioniert, und wer weiß, ob sich in zehn Jahren noch jemand so genau dran erinnert.

Ganz ohne Zynismus: Die Einigung ist eine gute Nachricht. Der Weg bis dahin hat allerdings die Selbstblockade des Bildungsföderalismus schonungslos vorgeführt. Die Verhandlungen waren nicht nur lang, sondern auch zäh. So mancher aufseiten der Länder war nur mühsam dazu zu bringen, nicht nur die eigenen Interessen, sondern das große Ganze zu sehen. Es ist ein Erfolg auch für Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, dass am Schluss alle einig wurden. Dieser Erfolg war aber auch bitter nötig.

Denn in den Schulen wirken Mega-Probleme aufs Ungünstigste zusammen: zum einen das Auseinanderfallen der Gesellschaft in jene Menschen mit Chancen und Perspektive – und jene ohne. Die Probleme, die die Schulen stellvertretend für die Gesellschaft lösen sollen, werden groß und größer. Dazu kommt der Digitalisierungs- und Modernisierungsstau, der auch das Bildungssystem massiv bremst. Und dann ist da noch das Thema Fachkräftemangel.

Wer ein Schulbuch gerade halten kann, darf lehren

In manchen Bundesländern darf Grundschulkindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, wer ein Schulbuch gerade halten kann. Denn sonst ist einfach niemand mehr da. So entsteht immenser Schaden in den Jahren, auf die es vielleicht am allermeisten ankommt: jene Jahre nämlich, in denen Kinder noch ganz von alleine Freude am Lernen haben und in denen es darauf ankommt, diese Freude zu hegen und zu pflegen. Ohne solides didaktisches Fundament geht das nicht.

Eigentlich wissen alle, wo es hingehen müsste für die Schulen. Doch die Wegstrecke scheint auch deshalb unbezwingbar, weil sechzehn Zuständige aus den Ländern und eine eigentlich Unzuständige im Bund mitreden.

Wer nicht zuständig ist, der muss umso mehr mit Ideen überzeugen. Das ist Bettina Stark-Watzinger bisher aber nicht geglückt. Der Freitag war ein Tag des Erfolgs für eine insgesamt erfolglose Ministerin. Im Lande ist sie weithin unbekannt, sie ist noch mit keiner Initiative, keiner eigenen Idee aufgefallen, die eine Debatte entfacht hätte.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken

© Fotostand/Fotostand / Reuhl

Stattdessen sorgte am Tag der Verkündung die SPD-Vorsitzende und Bildungspolitikerin Saskia Esken für Aufsehen. Zwei Milliarden Euro pro Jahr würden gar nicht reichen, sagt sie. Das stimmt, zumal es geschicktes Politik-Marketing ist, überhaupt von dieser Summe zu sprechen. Denn die Länder können manches Geld, das sie auch bisher schon ausgegeben haben, anrechnen lassen.

Esken also will mehr, konkret zehn Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine gute Idee. Im Vergleich zu manch anderem, wofür problemlos Geld da ist, wäre es nicht unbezahlbar. Und in den Schulen wäre das Geld bestens investiert.

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