zum Hauptinhalt
Spyros Rennt fotografiert Momente, in denen Körper körperlich sein dürfen. Oft lässt er die Gesichter unerkannt.

© Spyros Rennt

Intime Einblicke in queere Räume : Spyros Rennt und das Dilemma des privaten Moments

Der Berliner Fotograf Spryos Rennt dokumentiert queeres Leben, explizit und verletzlich. Seine neue Publikation zeigt vor allem: Körper.

Wo Spyros Rennt heute ist, ist auch seine Kamera. Das war nicht immer so, denn eigentlich ist der Berliner Fotograf studierter Ingenieur. Früh musste er aber feststellen, dass ihn diese Arbeit nicht glücklich macht. Er wollte kreativ sein, selbst entscheiden, wann er arbeitet. Mit der Fotografie, so schien es ihm, wären diese Ziele erreichbar.

Das war vor über zehn Jahren. „Ich lebte damals bereits in Berlin, war viel auf Partys. Die meistens meiner Freunde waren Teil der queeren Szene. Ich dachte, es wäre spannend, ihr Leben zu dokumentieren. Ich hatte also das Gefühl, dass ich einem interessanten Thema auf der Spur bin“, erzählt er im Gespräch.

Wie eine nie endende Afterhour

Aktuell stellt er seine bereits dritte Publikation vor, einen fotografischen Sammelband, der wie ein visuelles und sehr persönliches Tagebuch wirkt. „Corporeal“ ist der Titel, „körperlich“ also, und beschreibt treffend, was innerhalb des taubenblauen Einbands steckt: Körper. Ineinander verschlungen, verschlungen in sich selbst, Körper in Bewegung, posierend.

Viele Bilder wirken wie Schnappschüsse, wie flüchtige Erinnerungen an eine nie enden wollende Afterhour. Oft vermittelt Rennt dabei eine explizite Intimität, die aber keinesfalls verlegen macht.

Im Pressetext zum Buch wird das Ergebnis seiner Arbeit als „Erfahrungen und Beobachtungen aus (...) der Queer-Community und der Underground-Club-Szene“ beschrieben. Er selbst betont immer wieder mit Nachdruck, dass er nicht auf den „Party-Fotografen“ reduziert zu werden will.

Rennts neues Buch „Corporeal“ zeigt hauptsächlich Körper.
Rennts neues Buch „Corporeal“ zeigt hauptsächlich Körper.

© Spyros Rennt

Vielleicht ist es die Scheu vor dem Klischee, queeres Leben bestünde nur aus Party, insbesondere in Berlin hält sich dieses hartnäckig. Dabei ist Party nicht gleich Party. Rennt dokumentiert diesen geheimnisvollen Ort, der nicht an einen Raum gebunden ist. Es ist ein Raum der Verletzlichkeit, ein sicherer Raum, in dem Körper körperlich sein dürfen. Ein Raum, um den sich viele Mythen ranken, ein Raum für den Moment, an dem eine Kamera eigentlich nichts verloren hat.

Rennts Bilder sind nicht tragisch, sie feiern das Leben

Dass Rennt es schafft, Einblicke in diese Szene zu bieten, in der Handys mit Stickern abgeklebt oder gleich ganz verboten werden, ist nicht selbstverständlich. Viele seiner neuen Bilder entstanden auf Hauspartys im engsten Freundeskreis. Auch das verleiht dem Rezipienten das Gefühl, man wäre Teil von etwas sehr Privatem.

Voyeuristisch ist der Blick durch die Kamera dabei nicht: Oft würden die Leute seine Arbeit kennen und sie wertschätzen, dadurch würden Hemmungen gesenkt, erklärt er. „Außerdem versuche ich bei intimen Szenen die Gesichter nicht zu zeigen. Ich mache keinen Klatschbericht von etwas. Ich erkläre nicht, warum etwas passiert. Es geht nicht darum, wer etwas macht, sondern darum, dass etwas passiert. Es geht um das Festhalten eines Moments“.

Auf vielen seiner Bilder ist Spyros Rennt selbst zu sehen. Ihm ist es wichtig, dass man weiß, dass er selbst Teil der Szene ist, die er dokumentiert.
Auf vielen seiner Bilder ist Spyros Rennt selbst zu sehen. Ihm ist es wichtig, dass man weiß, dass er selbst Teil der Szene ist, die er dokumentiert.

© Spyros Rennt

Seine dokumentarische Arbeit, die manchmal inszeniert wirkt, einfach weil die festgehaltenen Leben, weil Sex, Liebe und Hedonismus immer auch performativ sind, erinnern in ihrer Verletzlichkeit an die Arbeit der US-amerikanischen Fotografin Nan Goldin. Sie sei ein Vorbild, sagt Rennt. Im Gegensatz zu Goldin seien seine Bilder aber weniger tragisch, sie feierten das Leben und das Verlangen.

Auch an die frühe Szenefotografie von Wolfgang Tillmans fühlt man sich erinnert. Rennts inszenierte, im Studio geschossene Bilder, auf denen die Körper sich künstlich verrenken und unnatürliche Positionen einnehmen, haben wiederum Ähnlichkeiten mit den Arbeiten des chinesischen Fotografen Ren Hang.

Gibt es überhaupt so etwas wie queere Kunst? Eine queere Ästhetik? Spyros Rennt ist sich da nicht so sicher: „Es geht um den Inhalt der Kunst und in meiner Arbeit geht es viel um Identität, sowohl meine Identität als auch die anderer. Ich bin queer, also sind auch Elemente meiner Arbeit queer. Ich glaube aber nicht, dass es queere Kunst in Abgrenzung zu ,normaler’ Kunst gibt“.  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false