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Die Burg und das slowakische Parlament in Bratislava.

© Getty Images | Bearbeitung: Tagesspiegel

Wahlen in der Slowakei: Rückt das nächste EU-Land nach rechts?

Am 30. September wählt die Slowakei ein neues Parlament. Die prorussischen und populistischen Kräfte liegen in den aktuellen Umfragen deutlich vorne. Drei Experten analysieren, womit zu rechnen ist.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger am Samstag in der Slowakei ihre Stimme abgeben, könnte Robert Fico erneut das Rennen machen. Er war schon einmal Ministerpräsident, musste damals wegen schwerer Korruptionsvorwürfe das Amt räumen. Sollte er wieder gewählt werden, wäre jedenfalls eines sicher: Der bisherige Westkurs der Slowakei wäre beendet.

Schwenkt die Slowakei nach rechts? In unserer Rubrik „3 auf 1“ geben drei Expert:innen ihre Einschätzung. Alle Kolumnen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Es droht ein Sieg des Populismus über die Demokratie

Im slowakischen Wahlkampf der letzten Monate gingen viele Politiker mit Feindbildern auf Stimmenfang. Es ging um sexuelle und ethnische Minderheiten, Migranten, „den Westen“. Ukrainer mussten als Sündenböcke für die wirtschaftlich und politisch instabile Lage im Land herhalten.

Robert Fico, der Vorsitzende der populistischen SMER-Partei, die in Umfragen bei knapp über 20 Prozent liegt, plant sein Comeback. 2018 musste er das Amt des Ministerpräsidenten räumen. Nach dem Mord am Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová, der bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist, hatte es damals starke Proteste gegeben. Denn Kuciak hatte dazu recherchiert, dass Ficos damalige Regierung in kriminelle Machenschaften verwickelt sein könnte.

Künftig wird wahrscheinlich eine prorussisch ausgerichtete Koalition bestehend aus SMER und kleineren konservativen und rechten Parteien die Regierung bilden. Es wäre nicht nur ein Rechtsruck für die Slowakei, die Region und Europa. Es wäre ein weiterer Sieg des Populismus über die liberale Demokratie.


Die Slowakei geht in Richtung Linkspopulismus

Nein, es wird keinen Rechtsruck geben. Die Slowakei wird sich in Richtung Linkspopulismus bewegen. Die SMER-Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico ist – zumindest dem Namen nach – sozialdemokratisch.

Die wichtigste Geschichte dieser Wahlen ist Ficos Wiederauferstehung: Als eine Art linker Orbán hat Fico geschickt soziale und kulturelle Ressentiments auf dem Land ausgenutzt. Um seine Basis zu festigen, machte er „Hassreden“ salonfähig, setzte Desinformation ein und legitimierte die Proteste von Impfgegnern.

Sein Angebot an die Wähler ist, die Sozialausgaben zu erhöhen, die Migration zu bekämpfen und die Außenpolitik „neu auszurichten“. Dazu zählt er auch die Beendigung der militärischen Unterstützung für die Ukraine.

Sollte Fico als Ministerpräsident zurückkehren, muss Bundeskanzler Olaf Scholz versuchen, politische Distanz mit strategischem Engagement zu vereinbaren. Fico wird versuchen, die Visegrad-Gruppe wiederzubeleben und eng mit Viktor Orbán zusammenzuarbeiten – und je nach Ausgang der Wahlen in Polen auch mit der Regierung in Warschau.


Russische Propaganda findet fruchtbaren Boden

Es war noch nie so schwierig, das Ergebnis einer Wahl und der anschließenden Koalitionsverhandlungen in der Slowakei vorherzusagen. Viele Wähler werden ihre Entscheidung erst kurzfristig treffen. Etliche Parteien versuchen, durch lautstarken Populismus die Verunsicherung und Unzufriedenheit der Menschen auszunutzen.

Umfragen belegen die verbreitete Politikverdrossenheit wie auch die großen wirtschaftlichen Sorgen vieler Menschen. Jeder achte Bürger in der Slowakei steht am Rande der Einkommensarmut. Außen- oder Europapolitik spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle.

Eine dysfunktionale Politik – ein Gesundheits- und Bildungssystem am Rande des Zusammenbruchs, eine schlechte Wirtschaftslage, steigende Preise und anhaltende Krisen – haben bei vielen Wählern den Wunsch nach einer „erfahrenen“ und „führungsstarken“ Regierung wachsen werden lassen.

Diese Faktoren bieten einen fruchtbaren Boden für russische Propaganda und Desinformation. Bis zum Samstag könnten sie noch so manche Wahlentscheidung beeinflussen.

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