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Die spanische Infantin Sofia, ihre Schwester Kronprinzessin Leonor, Königin Letizia und Prmeier Pedro Sánchez am Dienstag auf dem Weg zur Vereidigung der Kronprinzessin.

© picture alliance / abaca/Europa Press/ABACA

Regierungsbildung in Spanien: Pedro Sánchez ist fast am Ziel

Dreieinhalb Monate nach der Parlamentswahl hat Spanien noch keine neue Regierung. Sozialdemokrat Pedro Sánchez wirbt um Unterstützung für seine linke Minderheitsregierung. An einer Partei könnte er noch scheitern.

Von Juan F. Álvarez Moreno

Pedro Sánchez steht mit schwarzem Frack im Congreso de los Diputados, dem spanischen Parlament, und klatscht mit zufriedener Miene. Wenig deutet darauf hin, dass sein Job als Ministerpräsident immer noch wackelt. Rechts an seiner Seite Kronprinzessin Leonor, die an diesem Dienstag volljährig wurde und deswegen den Eid auf die Verfassung leisten muss. „Es lebe die Verfassung, es lebe Spanien!”, ruft die Parlamentspräsidentin Francina Armengol unter dem Applaus der Abgeordneten. „Es lebe der König!“

Doch nicht alle Mitglieder des Parlaments sind erschienen: Mehr als 50 boykottieren den Festakt, darunter drei Minister. Linke und Separatisten, die entweder das Königshaus oder den spanischen Staat ablehnen. Doch Sánchez ist auf sie angewiesen, wenn er Ministerpräsident bleiben will.

Seit mehr als drei Monaten wird Spanien von einer geschäftsführenden Regierung geführt: Bei der Parlamentswahl am 23. Juli verpassten die regierenden Sozialdemokraten und Linken eine eigene Mehrheit.

Ende September stellte sich der Chef der Konservativen, Alberto Núñez Feijóo, zur Abstimmung im Parlament, scheiterte jedoch, da kleinere Parteien seinen Pakt mit der rechten Partei Vox ablehnten. Seitdem versucht Sánchez, eine Mehrheit im Parlament zu bekommen. Noch vier Wochen bleiben ihm, sonst müssen laut Verfassung Neuwahlen ausgerufen werden.

Erst vor einer Woche beschlossen seine sozialdemokratische PSOE und die linke Partei Sumar einen Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Minderheitsregierung. Eckpunkte sind die Senkung der Arbeitszeit auf 37,5 Stunden pro Woche, strengere Klimaziele und die finanzielle Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems. Vizepremierministerin soll Yolanda Díaz bleiben, die Chefin der linken Sumar.

Die Parteimitglieder müssen Ja sagen

Von den Kleinparteien, auf deren Unterstützung die Koalitionäre angewiesen sind, waren daraufhin keine großen Einwände zu hören. Nur um die Unterstützung einer katalanischen Partei muss sich der Sozialdemokrat noch bemühen: Junts, die Partei des ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, der sich seit dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum 2017 in Belgien aufhält. Bedingung für ihre Kooperation ist die Straffreiheit für Puigdemont und andere von der Justiz verfolgte Separatisten.

37,5
Stunden soll die Arbeitswoche in Spanien dauern, wenn Sánchez und die linke Sumar es schaffen weiterzuregieren.

Am vergangenen Wochenende machte Sánchez nun einen entscheidenden Schritt auf Junts zu und verteidigte bei einem Treffen der PSOE-Parteiführung die Amnestie für die Separatisten. Vor der Wahl hatte er diese noch abgelehnt. Nun heißt es jedoch: Die Amnestie könne helfen, die politischen Spannungen in Katalonien langfristig zu beseitigen.

Aus der Not hat Sánchez eine Chance gemacht.

Ignacio Jurado, Politikprofessor an der Madrider Universität Carlos III

Doch selbst Sánchez musste am Ende zugeben, dass sie vor allem ein Zugeständnis an die katalanischen Separatisten sei, um seine Wahl zu sichern: „Sie ist eine Bedingung für eine Fortschrittsregierung und gegen eine Regierung der Konservativen und Rechten“, so Sánchez.

„Der Pakt mit Junts ist fast sicher“, sagte Ignacio Jurado, Politikprofessor an der Madrider Universität Carlos III, dem Tagesspiegel. Beide Seiten hätten bereits den politischen Preis der Verhandlungen – verstimmte Wähler – bezahlt und würden jetzt keine Neuwahlen riskieren. „Aus der Not hat Sánchez eine Chance gemacht“, so Jurado. Gehe sein Plan auf, könne er Regierungschef bleiben und sich als Befrieder des Katalonienkonflikts präsentieren.

Bis zum 3. November sollen nun die PSOE-Parteimitglieder entscheiden, ob sie Sánchez‘ Weg zur Regierungsbildung unterstützen. Explizit nicht gefragt wird bei der Abstimmung allerdings, ob die Parteimitglieder auch die Amnestie unterstützen, obwohl diese im Zentrum der Verhandlungen steht.

Spätestens in zwei Wochen eine Regierung?

Dass das Mitgliedervotum trotzdem gegen Sánchez ausfällt, glaube Politikprofessor Jurado nicht: „Er hat die Kontrolle über die Partei und die Mitglieder unterstützen seine Agenda.“ Die umstrittene Amnestie werde akzeptiert werden, um die PSOE an der Macht zu halten.

Schon am vergangenen Montag traf ein hochrangiger PSOE-Vertreter Puigdemont in Brüssel – vor der Wahl noch ein Tabu. Bei dem Treffen standen beide Politiker dann vor einem metergroßen Abbild einer Wahlurne des illegalen Unabhänigkeitsreferendums von 2017 – eine Demütigung für die Sozialdemokraten, die das Verbot der Abstimmung damals unterstützt hatten.

Bis zum 27. November hat Ministerpräsident Sánchez nun noch Zeit, um die Stimmen der letzten Unterstützer einzusammeln. Laut Politikprofessor Jurado könnte die eine oder andere Partei auf den letzten Metern die Verhandlungen etwas bremsen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, da bisher nur Puigdemont im Fokus stand.

Doch der Politologe ist überzeugt, dass die Regierungsbildung beschlossene Sache ist und Sánchez sich im Parlament bald einer Abstimmung stellen kann: „Ende kommender Woche, spätestens die Woche danach.“

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