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Die Abwahl Pedro Sánchez’ gilt als wahrscheinlich.

© Reuters/Ints Kalnins/Bearbeitung: Tagesspiegel

Wahl in Spanien: Fällt die nächste Linksregierung?

An diesem Sonntag wählt Spanien. Die Linkskoalition unter Premier Sánchez wird die Wahl wohl nicht überleben. Was sind die Gründe? Drei Einschätzungen von Fachleuten.

Von
  • Luise Rürup
  • Fernando Vallespín
  • Idoia Villanueva Ruiz

Von Nord bis Süd, von Finnland bis Griechenland, scheinen linke, ja selbst gemäßigt sozialdemokratische Parteien aktuell wenig Chancen zu haben. In Spanien könnte bei der Parlamentswahl am Sonntag die Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Vox drohen.

In unserer Kolumne „3 auf 1“ bewerten drei Expert:innen die politische Entwicklung in Spanien ( alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Die Fortsetzung der Linksregierung wäre wichtig

Spaniens Koalitionsregierung war ein Damm gegen die Rechtslastigkeit der EU und hat in einem sehr komplizierten Moment wichtige Fortschritte im Sinne der Arbeiterklasse erreicht. Die Deckelung der Gaspreise (die es nur in Spanien und Portugal gibt), Sondersteuern für Banken und Energieunternehmen oder die Vergemeinschaftung der Schulden sind einige der Initiativen, die die linke Regierung förderte und die nicht der gesamten EU zugutegekommen wären, wenn wir nicht darauf gedrängt hätten.

Die Fortsetzung dieser Regierung ist deswegen so wichtig, weil wir, nachdem wir zunächst auf die Pandemie und den Krieg reagieren mussten, jetzt die politischen Grundlagen für die kommenden Jahre festlegen wollen: eine Steuerreform, Klima- und Energiegesetze und die Entscheidung, wer die Kosten der kommenden Veränderungen tragen wird.

Sparpolitik und „Jeder für sich“ gegen soziale und Steuergerechtigkeit: Das steht am Sonntag auf dem Spiel. Die Spanier wissen, dass die Sozialistische Partei dies alles ohne die Anstöße von Unidas Podemos nicht umgesetzt hätte. Spanien braucht am 23. Juli eine starke Sumar-Koalition, damit die Sozialistische Partei nicht wieder nach rechts schaut.


Die Rechte wird in unsicheren Zeiten als fähiger wahrgenommen

Jüngsten Umfragen zufolge besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der rechte Block eine ausreichende Mehrheit erhält, um zu regieren. Selbst wenn sie nicht die erforderlichen Sitze erhalten, würden die Rechten auf jeden Fall ein gutes Ergebnis erzielen. Damit folgen wir einem Trend, der sich in Europa durchgesetzt zu haben scheint. Unklar ist jedoch, warum.

Die Ursache könnte darin liegen, dass wir in schwierigen Zeiten leben, in einer Zeit, in der entschlossene Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlich sind, geopolitische Streitigkeiten wieder aufgeflammt sind und sich ganz allgemein ein Gefühl der Unsicherheit breitmacht.

In einem wichtigen Teil der Gesellschaft wird der rechte Flügel mit seiner Tendenz, die nationalen Regierungen zu stärken, als fähiger wahrgenommen, diese Zeit des Aufruhrs zu bewältigen und das „größere Übel“ zu vermeiden. Dies sind keine günstigen Zeiten für Utopien, so bescheiden sie auch sein mögen. Was dabei nicht berücksichtigt wird, ist, dass mehr supranationale Regierungen, mehr Europa, ein viel wirksameres Mittel zur Lösung dieser Probleme sind als eine Rückkehr zu nationalen Politiken.


Eine Richtungswahl auch für Europa

Knapp ein Viertel der Spanierinnen und Spanier sind noch unentschlossen, wo und ob sie ihr Kreuz setzen wollen. Spaniens erste Koalitionsregierung kann auf eine äußerst produktive Legislaturperiode zurückblicken.

Unter den widrigen Bedingungen der Krisen sind viele Kompromisse zwischen den Sozialpartnern, wie im Parlament zu dringenden Reformen in der Renten-, Arbeits- und Sozialpolitik, erfolgreich verhandelt und umgesetzt worden. Spanien steht wirtschaftlich und sozial gut da.

Die Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten dieser Erfolgsbilanz scheint den Parteien im rechten Spektrum, der Partido Popular und Vox, die die Regierung des Premiers Pedro Sánchez (PSOE) ablösen möchten, zu mühselig: Sie bekämpfen im Wahlkampf lieber pauschal den „Sanchismus“.

Noch ist offen, welche Sichtweise sich durchsetzt. Klar ist, dass es eine Richtungswahl für Spanien und Europa sein wird. In jedem Fall kann Spanien stolz sein auf die demokratiepolitische Leistung dieser Legislatur: Unter progressiver Führung wurde – nicht zuletzt im Katalonien-Konflikt – das Land befriedet und Wirtschaft und Demokratie vorangebracht.

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