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Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. März nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) unter dem Vorsitz von Hessen.

© dpa/Michael Kappeler

Update

Reaktionen auf Verhandlungsaufruf an die Ukraine: Scholz weist „Weiße Fahne“-Äußerung des Papstes zurück

Nach den Worten des Papstes bestellt die Ukraine den Vatikan-Botschafter ein. Auch deutsche Spitzenpolitiker äußern sich irritiert. Aus der Opposition kommt aber auch Anerkennung.

| Update:

Das Werben von Papst Franziskus für eine „Weiße Fahne“ der Ukraine und für Friedensverhandlungen mit Russland stößt in der deutschen Politik auf meist negative Resonanz.

Bundeskanzler Olaf Scholz wies die Äußerungen des katholischen Kirchenoberhauptes zurück. „Wie Sie sich vorstellen können, ist der Bundeskanzler in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. „Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehrt.“

Hebestreit verwies aber auch darauf, dass man die Einordnung eines Vatikan-Sprechers zu den Äußerungen des Papstes zur Kenntnis genommen habe. Der Sprecher Matteo Bruni hatte Darstellungen widersprochen, der Papst habe die Ukraine in einem Interview des Schweizer Fernsehens zur Kapitulation aufgefordert.

Papst Franziskus Anfang März im Vatikan.
Papst Franziskus Anfang März im Vatikan.

© Imago/Zuma Wire/Evandro Inetti

Franziskus hatte mit Blick auf den inzwischen mehr als zwei Jahre laufenden Krieg in der Ukraine gesagt: „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Zudem legte der 87-Jährige der Ukraine den „Mut zur weißen Fahne“ und zu Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahe.

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Stoltenberg stellt sich gegen die Aussage von Papst Franziskus

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisiert die Aussage von Papst Franziskus, die Ukraine müsse eine „weiße Fahne“ hissen. „Wenn wir eine dauerhafte friedliche Lösung auf dem Verhandlungsweg wollen, dann ist der Weg dorthin die militärische Unterstützung der Ukraine“, sagt er der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine Kapitulation der Ukrainer zu sprechen.“ Dies wäre eine Tragödie für die Ukrainer und „auch für uns alle gefährlich“. 

Baerbock und Strack-Zimmermann kritisieren Papst-Äußerung

Diese Äußerungen stießen auch bei Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf Unverständnis. „Ich frage mich wirklich, was er sich dabei gedacht hat“, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. „Ich versteh’s nicht.“

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Der Vorstoß des Pontifex sei nicht nachvollziehbar für Menschen, die selbst das Kriegsgebiet im Osten des Landes besucht, die Folgen des Angriffs und das Leid der Bevölkerung dort gesehen hätten, sagte Baerbock. „Da frage ich mich: Wo ist da der Papst? Der Papst muss davon wissen.“ Die Ukraine wehrt sich seit gut zwei Jahren gegen eine russische Invasion.

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zeigte sich ebenfalls entsetzt über die Wortwahl des Papstes. „Die Opfer sozusagen aufzufordern, nicht mehr zu kämpfen, das ist schon bemerkenswert“, sagte sie dem WDR.

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Der Papst solle „diesbezüglich sich mal sortieren“, sagte Strack-Zimmermann. „Nicht die Ukraine muss die weiße Flagge heben, sondern letztendlich muss er Russland ansprechen.“

Unionspolitiker äußern sich irritiert

Auch in der Unionsspitze gab es deutliche Kritik am Appell von Papst Franziskus. Er halte die Aussage des katholischen Kirchenoberhaupts für „grundfalsch“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Montag in Berlin.

Er sei davon „überrascht gewesen, um das Mindeste zu sagen“, erklärte der Unions-Fraktionschef. Auch die Geschichte habe gezeigt, dass auch die katholische Kirche „nicht frei von Irrtum“ sei.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz in Berlin.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merz zum Europawahlprogramm der Unionsparteien, dass die Ukraine von Russland angegriffen worden sei.

Die Menschen in der Ukraine wünschten sich Frieden, sagte sie. Es müsse aber „ein echter, ein gerechter Frieden sein“ und „keine Okkupation“. Frieden könne es in dem Moment geben, in dem Präsident Wladimir Putin die Waffen niederlege. „Er ist der Aggressor“.

„Durch das Hissen von weißen Flaggen ist in der Ukraine nichts gelöst, ganz im Gegenteil“, sagte Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) am Montag in Berlin.

Ihm falle als gläubiger Katholik schwer, „nachzuvollziehen, was der Papst da gesagt hat. Es entspricht nicht meiner Meinung. Ich habe eine völlig andere Sicht der Dinge“, ergänzte er.

CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner sagte, sie sei als Katholikin „mehr als irritiert“. Wenn man fordere, dass sich jemand ergebe, der überfallen werde, „dann ist das eine Aufforderung an Herrn Putin, mit kirchlichem Segen einfach weiterzumachen“.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sagte über die Papst-Äußerungen, er tue sich „schwer, diesen Hinweis nachzuvollziehen. Es entspricht nicht meiner Vorstellung von Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts der Ukraine.“ Er fügte hinzu: „Deswegen sollte man vielleicht von gegebener Seite diese Äußerung neu einordnen.“

Kretschmer verteidigt Verhandlungsaufruf

Allerdings stellte sich aus der Union zugleich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hinter die Äußerungen des Papstes. „Seinen Aufruf ‚Mut zu Verhandlungen‘ teile ich“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz Ende Februar in Chemnitz.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz Ende Februar in Chemnitz.

© dpa/Hendrik Schmidt

Es sei klar, dass die Ukraine unterstützt werden müsse und Russland der Aggressor in diesem Krieg sei, sagte Kretschmer weiter. „Dennoch müssen wir uns mehr anstrengen, das Sterben im Krieg zu beenden.“

Nouripour zeigt sich irritiert von Papst-Aussage

Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich irritiert gezeigt über Äußerungen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg. Es sei verständlich, dass der Wunsch nach Frieden größer werde, insbesondere in der Ukraine, sagte Nouripour am Montag in Berlin. Er erinnerte an die ukrainischen Verluste. „Vor diesem Hintergrund ist es schwer verwunderlich, was Papst Franziskus zu diesem Thema dieser Tage gesagt hat. Wir dürfen eines nicht vergessen: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann ist die Ukraine zu Ende, und zwar unter russischer Besatzung.“

Die aktuelle Unerträglichkeit der Lage dürfe nicht dazu führen, dass der Ist-Zustand eingefroren werde zugunsten des Aggressors und auf Kosten der Ukraine, sagte Nouripour. „Das hilft nicht, das hilft der Sicherheit der Ukraine nicht und auch nicht der Sicherheit Europas.“

Wagenknecht und Chrupalla

Unterstützung erhielt Franziskus zudem vom linken und rechten Rand der Opposition. Der Papst habe „völlig recht, dass zwischen Russland und der Ukraine die weiße Fahne gehisst werden muss, um Friedensverhandlungen beginnen zu können“, erklärte der Linken-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi über die Plattform X.

Gysi griff zugleich „Rüstungslobbyisten in Deutschland“ an, die „versuchen, den Papst zu diskreditieren, weil sie ihn absichtsvoll missverstehen“.

Die ehemalige Linken-Politikerin und jetzige Co-Vorsitzende vom BSW, Sahra Wagenknecht, nannte den Aufruf des Papstes „mutig und klug“, die Kritik daran respektlos.

Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz Ende Februar.
Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz Ende Februar.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

„Anders als die Bellizisten aus Union, Grünen und FDP, die unser Land mit Taurus-Lieferungen direkt zur Kriegspartei machen möchten, nimmt Papst Franziskus die Friedensbotschaft des Christentums ernst“, sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla begrüßte auf X die Papst-Aussage. „Jeder Amtsträger mit Einfluss auf Weltpolitik sollte sich der Botschaft anschließen: Friede für Ukraine und Europa.“

Deutsche Bischöfe spricht von „unglücklicher Formulierung“

Derweil bezeichnete die Deutsche Bischofskonferenz die Äußerungen von Papst Franziskus als „unglücklich“, ihn aber gleichzeitig gegen den Eindruck in Schutz genommen, der Ukraine eine Kapitulation nahezulegen.

„Diese Formulierung war unglücklich“, sagte Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Aus der Sicht der deutschen Bischöfe müsse die Ukraine selbst abwägen, wann der Moment für Friedensverhandlungen gekommen sei. „Dass Papst Franziskus die hier genannten Punkte in seinem Interview nicht aufgegriffen hat, hat bei vielen Beobachtern Irritationen ausgelöst, die wir nachvollziehen können“, so Kopp. „Es wäre gut, wenn der Heilige Stuhl in diesen Fragen eine inhaltliche Klärung seiner Position kommuniziert.“

Ukraine bestellt Vatikan-Botschafter ein

Als einer der ersten internationalen Politiker hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Papst-Äußerung bereits zurückgewiesen. Die Kirche sei bei den Menschen, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache.

„Und nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will“, so Selenskyj.

Die Ukraine hat nun wegen des Aufrufs des Papstes zum Hissen der „weißen Fahne“ im Krieg gegen Russland den Botschafter des Vatikans einbestellt. Dem Apostolischen Nuntius Visvaldas Kulbokas sei bei dem Gespräch mitgeteilt worden, dass Kiew „enttäuscht“ sei über die Worte des Papstes, teilte das ukrainische Außenministerium am Montag mit.

Durch die Äußerungen könne sich Moskau ermutigt fühlen, „das Völkerrecht weiter zu missachten“. Der Papst hätte sich „an den Angreifer und nicht an das Opfer wenden sollen“. (dpa, KNA, AFP, Reuters)

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