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Mindestens 2000 Menschen starben und nochmal so viele wurden bei dem Erdbeben verletzt, Tausende sind noch immer vermisst.

© REUTERS/Nacho Doce

Erdbeben in Marokko: „Die Krankenhäuser sind mit der Menge der Menschen überfordert“

Nach dem schweren Erdbeben in Marokko ist die Lage weiter unübersichtlich. Petrus Herpoele ist für das Deutsche Rote Kreuz vor Ort. Ein Interview.

Am Freitagabend hat ein schweres Erdbeben Marokko erschüttert, das schlimmste seit Jahrzehnten. Wie ist die Lage vor Ort, Herr Herpoele?
Die Lage ist unbeständig und chaotisch. Viele Gebäude sind eingestürzt oder liegen in Trümmern, die Stromleitungen sind unterbrochen. Die Situation ist gefährlich – weitere Nachbeben können folgen. Derzeit befinden sich viele Menschen auf der Straße oder auf öffentlichen Plätzen. Das Erdbeben hat die Menschen unerwartet und unvorbereitet getroffen – sie stehen unter Schock.

Wie laufen die Bergungsarbeiten?
Es ist noch zu früh, um von einer Erholung zu sprechen. Derzeit geht es vor allem darum, Leben zu retten, schwer zugängliche Gebiete zu erreichen und besser zu verstehen, was wo benötigt wird. Unser Team hat ununterbrochen daran gearbeitet, unsere Partner in der Region, den marokkanischen Roten Halbmond, dabei so gut wie möglich zu unterstützen. Der Rote Halbmond hat sofort und schnell reagiert und hilft seit dem Erdbeben in Marokko den Menschen in Not.

Warum ist es so schwierig, die Krisengebiete zu erreichen?
Die ländlichen Gebiete sind oft schwer zu erreichen, da die Straßenverhältnisse schlecht sind. Daher ist es nicht einfach, dort Hilfe zu leisten. Hinzu kommt, dass die Infrastruktur durch das Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen wurde, was weitere Schwierigkeiten verursacht.

Wie ist die Situation in den Krankenhäusern?
Die Krankenhäuser sind mit der Menge der Menschen, die medizinische Versorgung und Dienstleistungen benötigen, überfordert. Und natürlich haben die Beben auch Auswirkungen auf das medizinische Personal und ihre Familien. Es ist schwierig, unter solch chaotischen Bedingungen einen Schichtplan einzuhalten oder zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren. Die marokkanische Gesellschaft des Roten Halbmonds hat ihre Freiwilligen zur Unterstützung in den Krankenhäusern mobilisiert.

Bis Rettung kommt, kann es dauern: Auch viele ländliche Regionen wurden bei dem Beben stark zerstört.
Bis Rettung kommt, kann es dauern: Auch viele ländliche Regionen wurden bei dem Beben stark zerstört.

© REUTERS/Nacho Doce

Wie kann das Deutsche Rote Kreuz helfen?
Das Deutsche Rote Kreuz pflegt eine langjährige Partnerschaft mit dem Marokkanischen Roten Halbmond. Derzeit stehen wir in engem Kontakt mit unseren Partnern in der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, um die Lage zu beurteilen und den Bedarf in den betroffenen Regionen zu ermitteln. Wir mobilisieren unsere eigenen Ressourcen, um unsere Partner in jeder Form zu unterstützen, wo und wie sie unsere Hilfe benötigen. Dazu gehören ausgebildete technische Experten wie Wasseringenieure oder medizinisches Personal sowie Spezialausrüstungen und Hilfsgüter, die wir nach einer eventuellen Anforderung schnell ins Land bringen können.

Erleichterung über Überlebende: Ein junger Mann küsst die Hand einen älteren.
Erleichterung über Überlebende: Ein junger Mann küsst die Hand einen älteren.

© REUTERS/Nacho Doce

Marokko scheint bisher nur langsam auf internationale Hilfsangebote zu reagieren. Warum?
Es steht mir nicht zu, über die Entscheidungen der marokkanischen Regierung zu spekulieren. Unsere Aufgabe als Teil der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist es, denen zu helfen, die unsere Hilfe am dringendsten benötigen, ohne zu fragen, wer sie sind. Das haben wir seit Beginn des Erdbebens getan, und wir werden es auch weiterhin tun, so gut wir können.

Rettungskräfte sind pausenlos im Einsatz, um Verschüttete zu befreien.
Rettungskräfte sind pausenlos im Einsatz, um Verschüttete zu befreien.

© REUTERS/Nacho Doce

Wie werden die nächsten 48 Stunden verlaufen?
Die größte Chance, Menschen zu retten, besteht innerhalb der ersten 24 Stunden, weshalb eine frühzeitige Reaktion so wichtig ist. Je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird es, Überlebende zu finden. Dennoch wird die Hilfe fortgesetzt und versucht, so viele Menschen wie möglich zu retten. Es besteht immer eine Chance. Sie wird nur kleiner, je mehr Zeit vergeht. Aus diesem Grund haben wir in die Kapazitäten des marokkanischen Roten Halbmonds investiert: Er ist seit dem Ereignis einsatzbereit und verliert keine Zeit durch lange Einsatzwege.

Neben der Rettung der Verschütteten: Was braucht das Land noch, um die Betroffenen zu versorgen?
In dieser Phase brauchen die Menschen vor allem Nahrung und Wasser. Außerdem ist es von entscheidender Bedeutung, Notunterkünfte für diejenigen einzurichten, die ihre Häuser verloren haben, und sie mit Decken zu versorgen. Neben den materiellen Bedürfnissen ist es auch wichtig, die vom Erdbeben Betroffenen psychologisch zu unterstützen, da viele unter Schock stehen.

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