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Bewohner fliehen aus ihren Häusern in der Nähe des Epizentrums.

© dpa/Mosa'ab Elshamy

Viele Tote und Verletzte nach Erdbeben in Marrakesch: „Alles um uns herum stürzte zusammen“

Die marokkanische Touristenhochburg und Millionenstadt Marrakesch steht nach dem schweren Erdbeben unter Schock.

Die marokkanische Touristenhochburg und Millionenstadt Marrakesch steht nach dem schweren Erdbeben unter Schock. Viele Bewohner und Touristen waren nach den heftigen und minutenlangen Erschütterungen am späten Freitagabend in Panik auf die Straßen gelaufen und verbrachten die Nacht im Freien. In Marrakesch wurden vor allem in der Jahrhunderte alten Altstadt etliche Gebäude beschädigt – darunter auch traditionelle Touristenhotels, die sogenannten „Riads“.

Der weltberühmte Platz Djemaa el Fna im Herzen von Marrakeschs Altstadt wurde in der Nacht zum Samstag zum Zufluchtsort von Tausenden von Menschen, die dort ausharrten. Sie hatten Angst, in ihre Häuser oder Hotels zurückzukehren. Der Platz, der wegen seiner bunten Marktstände, Straßenrestaurants, Gaukler und Schlangenbeschwörer berühmt ist, gehört wie die gesamte Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe.

„Wir befanden uns in unserem Hotel in der Altstadt, als plötzlich alles um uns herum zusammenstürzte“, berichtete Irene Seixas, eine junge spanische Urlauberin. „Unser Hotel war gerade erst renoviert worden und ist nicht eingestürzt. Aber überall an den Wänden sah man Risse“, sagte Seixas dem spanischen Rundfunksender RTVE. „Dann sind wir schnell auf die Straße gelaufen.“

Auf dem Fluchtweg zum Djemaa-el-Fna-Platz sahen die Touristen erschütternde Szenen. „Zahlreiche Gebäude waren zusammengebrochen. Menschen lagen auf dem Boden“, berichtete der Urlauber Pablo Segarra der spanischen Presseagentur Efe. Die Spanierin Margarita Pacheco dachte zunächst: „Da ist wieder eine Bombe explodiert.“ 2011 hatten Terroristen mit einem Bombenattentat am Platz Djemaa el Fna 17 Menschen getötet. 

Botschaften leisten Krisen-Management

Am Samstag war zunächst unklar, ob auch Urlauber bei dem Erdbeben getötet worden sind. „Wir stehen zu dem Erdbeben und der Lage in Marokko in engem Austausch mit den örtlichen Behörden“, erklärte das deutsche Außenministerium. Viele europäische Botschaften richteten nach dem Erdbeben spezielle Notrufnummern ein. Die meisten großen Hotels liegen außerhalb der Altstadt im modernen Teil Marrakeschs.

Auch viele Urlauber befanden sich zum Zeitpunkt des Bebens im Land: Touristen gehen durch die zerstörten Straßen von Marrakesch.
Auch viele Urlauber befanden sich zum Zeitpunkt des Bebens im Land: Touristen gehen durch die zerstörten Straßen von Marrakesch.

© AFP/PHILIPPE LOPEZ

Marokko wird von vielen Touristen aus den Mittelmeerländern Spanien und Frankreich besucht. Aber auch im deutschsprachigen Raum ist Marokko als Reiseland äußerst beliebt. Der Spätsommer gehört zur Hauptreisesaison. Marrakesch ist eines der beliebtesten Reiseziele im Land.

Historische Altstadt in Trümmern

Auf TV-Bildern sah man, wie in einigen engen Gassen der Medina, der historischen Altstadt, Trümmer lagen. Viele Häuser und Basargeschäfte sind dort noch aus Lehm gebaut. Etliche Zugänge zur Altstadt waren am Samstag gesperrt. Helfer suchten dort nach Opfern und räumten teilweise mit bloßen Händen Trümmer beiseite. Vielerorts bestand Einsturzgefahr. Auch die ockerrote Mauer, welche die Altstadt umgibt und der Marrakesch den Namen „die rote Stadt“ verdankt, wurde beschädigt. 

Ein beschädigter Schuhladen in Amizmiz.
Ein beschädigter Schuhladen in Amizmiz.

© REUTERS/Nacho Doce

Das Erdbeben der Stärke sieben auf der Richterskala hatte sich am Freitagabend kurz nach 23 Uhr ereignet. Das Epizentrum lag nach marokkanischen Behördenangaben in etwa 18 Kilometer Tiefe rund 75 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort, in der Provinz Al Haouz, soll es die meisten Opfer gegeben haben.

Im Bergdorf Asni, unweit des Epizentrums, sollen die meisten Häuser beschädigt oder zerstört worden sein „Unsere Nachbarn liegen unter den Trümmern“, berichtete der Dorfbewohner Montasir Itri der Agentur Reuters. Viele Zufahrtsstraßen in der Bergregion sollen wegen zerstörter Fahrbahnen, eingestürzter Brücken und Erdrutschen unpassierbar sein.

Region um Filmstudios betroffen

Auch in der südöstlich gelegenen Touristenstadt Ouarzazate, dem marokkanischen Tor zur Sahara-Wüste, soll es schwere Schäden und zahlreiche Opfer gegeben haben. Ouarzazate ist Ausgangspunkt für touristische Wüstentouren. In der Nähe liegen Marokkos weltberühmte Atlas-Filmstudios („Gladiator“, „Lawrence von Arabien“) und die schönsten historischen Festungsstädte (Kasbahs) des nordafrikanischen Landes. In der südwestlichen Touristenbadestadt Agadir kamen ebenfalls Menschen ums Leben.

Rettungskräfte sind pausenlos im Einsatz, um nach Verschütteten zu suchen.
Rettungskräfte sind pausenlos im Einsatz, um nach Verschütteten zu suchen.

© REUTERS/Nacho Doce

Die Zahl der Todesopfer dieses Erdbebens war am Samstag noch nicht abzusehen. Doch es muss mit mehreren tausend Toten gerechnet werden. Marokkos Innenministerium korrigierte die Zahl der Toten mehrfach nach oben. Am Samstagnachmittag sprach Marokkos Regierung von 820 Toten und 672 Verletzten, die bisher geborgen worden seien. Die Bevölkerung wurde zu Blutspenden aufgerufen.

Die wirkliche Zahl der Opfer dürfte jedoch deutlich höher liegen, da immer noch viele Menschen vermisst werden. Zudem gilt die Informationspolitik des Staates, in dem König Mohammed VI. das Sagen hat, als wenig transparent.

Das Beben war in ganz Marokko spürbar. Auch in den nördlich gelegenen Großstädten Rabat und Casablanca wackelten die Wände. Größere Schäden wurden dort aber nicht gemeldet. An der südspanischen Mittelmeerküste waren ebenfalls leichte Erschütterung vernehmbar.

Es war das schwerste Erdbeben in Marokko seit über hundert Jahren. Zuletzt wurde Marokko 2004 von schweren Erdstößen erschüttert. Damals kamen – nach offiziellen Angaben – rund 600 Menschen im Norden des Landes ums Leben.

Die EU, die UN und zahlreiche europäische Staaten boten Marokko an, bei den Rettungs- und Aufräumungsarbeiten zu helfen. Auch trafen Beileidsbekundungen aus aller Welt ein. „Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko“, schrieb etwa Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst X. „In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe.“

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