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Kanzler Olaf Scholz in Freiburg.

© REUTERS/Heiko Becker

Update

„Keine Pläne für Nato-Kampftruppen in der Ukraine“: Macron hält Einsatz von westlichen Truppen für möglich – Scholz erteilt ihm Absage

Der Kanzler und Nato-Chef Stoltenberg erteilen Macrons Überlegungen zur Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine eine Absage. Litauen schließt eine solche Unterstützung nicht aus.

| Update:

Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist kein Einsatz westlicher Truppen in der Ukraine geplant. „Die Nato-Verbündeten unterstützen die Ukraine in noch nie dagewesener Weise“, sagte er der Nachrichtenagentur AP. „Aber es gibt keine Pläne für Nato-Kampftruppen vor Ort in der Ukraine.“ Ein Sprecher der Nato bestätigte Stoltenbergs Äußerung am Dienstag auf Anfrage der dpa.

Er reagierte damit auf Überlegungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu einer Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine.

Diesen erteilte auch Bundeskanzler Olaf Scholz zuvor eine Absage. Es hat auf der Pariser Ukraine-Konferenz Einigkeit gegeben, „dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder von Nato-Staaten dorthin geschickt werden“.

„Das ist wichtig, sich immer wieder darüber zu versichern und dass das als Verständigung stattgefunden hat, ist aus meiner Sicht ein ganz ganz guter und ganz wichtiger Fortschritt“, fügte Scholz am Dienstag in Freiburg hinzu.

Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas wiederum schloss die Möglichkeit nicht aus, dass das baltische EU- und Nato-Land Soldaten in das von Russland angegriffene Land entsenden könnte. Zugleich betonte er, dass die nur für Ausbildungszwecke in Frage käme, nicht für eine Beteiligung an Kampfhandlungen.

Auch ein Berater von Staatspräsident Gitanas Nauseda sagte zu einer möglichen Ausbildungsmission litauischer Soldaten in der Ukraine: „Wir sprechen über diese Möglichkeit und tun dies ganz offen. Es gibt viele Nuancen darüber, was passieren könnte und unter welchen Bedingungen.“ Die Unterstützung der Ukraine mit Waffen und Munition bleibe aber vorerst die Hauptpriorität, sagte er einem Bericht der Agentur BNS zufolge. 

Emmanuel Macron bei der Pariser Ukraine-Konferenz.
Emmanuel Macron bei der Pariser Ukraine-Konferenz.

© IMAGO/Lemouton Stephane

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nach der Konferenz am Montag erklärt, dass ein Einsatz westlicher Bodentruppen im Kampf der Ukraine gegen Russland nicht ausgeschlossen sei, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern.

„Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden“, meinte Macron. „Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“

Viele Menschen, die heute „nie, nie“, sagten, seien dieselben, die vor zwei Jahren sagten, „nie, nie Panzer, nie, nie Flugzeuge, nie, nie Raketen mit längerer Reichweite“.

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Heute drehe sich die Diskussion darum, bei der Lieferung von Panzern und Raketen schneller und stärker zu werden. „Also ist alles möglich, wenn es hilfreich ist, um unser Ziel zu erreichen“, sagte Macron zum Auftakt der kurzfristig organisierten Konferenz.

Das Auftreten Russlands verhärte sich sowohl auf politischer Ebene als auch an der Front in der Ukraine, wo neue russische Angriffe drohten. Eine russische Niederlage sei nötig für die Stabilität und Sicherheit in Europa.

Deshalb müssten sich die Unterstützer der Ukraine einen Ruck geben, so Macron. „Russland kann und darf in der Ukraine nicht gewinnen.“

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„Wir sind dabei, unsere Sicherheit heute und morgen zu gewährleisten“, sagte Macron. „Wir wollen nicht mit dem russischen Volk in einen Krieg treten“, meinte der Präsident auch.

Die Reaktion des Kremls zu einer Entsendung von westlichen Truppen in die Ukraine fiel knapp, aber klar aus: „Das ist absolut nicht im Interesse dieser Länder, darüber müssen sie sich bewusst sein“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag zu Journalisten.

Ablehnung in Deutschland

In Deutschland stoßen die Äußerungen von Macron derweil parteiübergreifend auf Ablehnung. Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil sagte am Dienstag im NDR, er sei strikt gegen ein entsprechendes Mandat für die Bundeswehr. Kritik kam auch von CDU, Grünen, AfD und Linkspartei.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, Deutschland müsse Macrons Einschätzung nicht teilen; sie lobte den Präsidenten aber als „Antreiber“, während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein „Bremser“ sei.

Ministerpräsident Weil geht nicht davon aus, dass diesen Überlegungen auch Taten folgen werden. Stattdessen müsse der Westen der Ukraine weiter mit Waffenlieferungen helfen. „Daran ist ihnen am meisten gelegen“, sagte der SPD-Politiker.

Der SPD-Außenexperte Michael Roth nannte den möglichen Einsatz westlicher Bodentruppen „eine Phantomdebatte“. „Ich kenne niemanden, der das ernsthaft will, auch nicht in der Ukraine“, schrieb Roth auf X, vormals Twitter. „Die brauchen vor allem Munition, Luftverteidigung, Drohnen, Langstreckenwaffen.“

Auch die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger kritisierte die Äußerungen Macrons. Damit überschreite Frankreich eine Linie, die Deutschland, aber auch andere Länder wie die USA, klar gezogen hätten, sagte Brugger im Deutschlandfunk. Wichtig sei stattdessen, bei der Unterstützung der Ukraine geschlossen aufzutreten.

Die Worte Macrons lenkten von anderen wesentlichen Dingen ab, die zur Unterstützung der Ukraine gemeinschaftlich beschlossen worden seien, so Brugger. Dazu gehörten etwa die Lieferung weiterer Waffen sowie neue Sanktionen gegen Russland. Auf diesen Bereichen solle der Fokus liegen. Auch Frankreich könne hier noch mehr beitragen.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), reagierte ablehnend auf Macrons Äußerungen. Westliche Bodentruppen in der Ukraine stünden nicht zur Debatte, sagte Frei im rbb-Inforadio. Entscheidend seien aber weitere Waffenhilfen.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Moosdorf nannte das „Gerede über Truppenentsendungen in die Ukraine“ ein „Spiel mit dem Feuer“. „Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich durch diplomatische Initiativen für eine schrittweise Entspannung einzutreten“, zitierte die AfD-Bundestagsfraktion Moosdorf bei X.

Scharfe Kritik kam aus der Linkspartei. „Macron ist offenkundig nicht mehr zu retten. Wenn ein Nato-Staat oder gar mehrere Nato-Staaten Bodentruppen in die Ukraine entsenden, haben wir den 3. Weltkrieg. Das ist völlig indiskutabel“, warnte Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linken-Gruppe im Bundestag.

Polen und Tschechien nicht zu Einsatz in der Ukraine bereit

Vor seiner Abreise zu dem Pariser Treffen hatte auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico vor einer „gefährlichen Eskalation der Spannungen“ mit Russland gewarnt.

Einzelne Länder, die er nicht namentlich nennen wollte, seien offenbar bereit, eigene Soldaten direkt in die Ukraine zu schicken. Das aber würde Russland nicht zum Einlenken bewegen, sehr wohl aber die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts vergrößern.

Macron sagte nach der Konferenz auf die Frage eines möglichen Einsatzes von Truppen durch Polen, jedes Land könne eigenständig und souverän über den Einsatz von Bodentruppen entscheiden. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala stellte indes bereits klar, keine Entsendung von Soldaten in die Ukraine zu erwägen.

Die allgemeine Feststellung heute ist, dass unser aller Sicherheit auf dem Spiel steht.

Emmanuel Macron, Präsident Frankreich

Und auch Polen plane nicht die Entsendung eigener Einheiten, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag nach einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Petr Fiala in Prag. Man müsse sich heute darauf konzentrieren, die Ukraine in ihren eigenen militärischen Anstrengungen gegen die russische Invasion maximal zu unterstützen. Er wolle zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren, ob es in der Zukunft unter bestimmten Unterständen zu einer Änderung dieses Standpunktes kommen könne.

Im gleichen Sinne äußerte sich auch Fiala. „Es ist nicht nötig, neue Wege zu suchen“, betonte der liberalkonservative Politiker. Er verwies auf eine Initiative seiner Regierung, in Kooperation mit anderen europäischen Staaten wie den Niederlanden Artilleriemunition aus Drittländern zu beschaffen und an Kiew zu liefern. Tusk betonte, wenn sich alle EU-Mitgliedstaaten so sehr wie Tschechien und Polen engagieren würden, müsse man gar nicht erst über andere Formen der Unterstützung diskutieren.

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Bei dem Treffen sei die Bildung einer Koalition beschlossen worden, die die Ukraine mit Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite für Schläge weit hinter die russischen Linien versorgen soll, sagte der französische Präsident.

Kurzfristig solle außerdem auch aus eigenen Beständen und aus Drittländern zusätzliche Munition für die Ukraine mobilisiert werden.

Macron will bis Mitte März in die Ukraine reisen

Verständigt habe man sich unter anderem auf Initiativen zur Cyberabwehr, zur Koproduktion von Waffen, zu militärischen Fähigkeiten und Munition in der Ukraine sowie zur Verteidigung von Ländern, die direkt von der russischen Offensive in der Ukraine bedroht sind, insbesondere Moldau.

Zudem wolle man die Ukraine an ihrer Grenze zu Belarus mit nichtmilitärischen Kräften unterstützen, sagte Macron. Auch sei es um das Entschärfen von Minen gegangen.

Eine Lieferung französischer Mirage-Kampfjets sei aktuell nicht beschlossen worden. Geprüft werde aber weiterhin, welches französische Militärmaterial der Ukraine helfen könne, sagte Macron, der bis Mitte März selber in die Ukraine reisen will.

Auf der Konferenz sei grundsätzlich beschlossen worden, schneller mehr Hilfe für die Ukraine bereitzustellen, sagte Macron. Frankreich unterstütze zudem Überlegungen, mit gemeinsamen Schulden europäische Rüstungsausgaben angesichts des Ukraine-Kriegs zu finanzieren.

Ähnlich wie in der Corona-Krise seien auch von Russlands Aggression sämtliche europäischen Länder betroffen, was den Sonderweg gemeinsamer Schulden rechtfertige.

Der zu der kurzfristig organisierten Konferenz mit einer Videobotschaft zugeschaltete ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte weitere Hilfe gefordert, damit Russland seine Aggression nicht auf weitere Länder ausdehnt. (dpa/Reuters)

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