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Feuerwehrleute versuchen am 2. Juni den Brand an einem Haus im Dorf Sobolevka in der Region Belgorod zu löschen.

© REUTERS/Gouverneur der Region Belgorod

Update

Moskau entgleitet Kontrolle über Grenzregion: Kremlfeindliche Kämpfer verkünden Einnahme russischer Ortschaft

Putins Sicherheitskräfte bekommen die Situation nicht in den Griff. Auch polnische Söldner sollen für die Ukraine im Einsatz sein. In der Stadt Belgorod gab einen Großbrand.

| Update:

Kremlfeindliche Kämpfer haben in der russischen Region Belgorod nach eigenen Angaben die Ortschaft Nowaja Tawolschanka komplett unter ihre Kontrolle gebracht. Weil der russische Machtapparat sich nicht für das Schicksal der Region interessiere und die Lage nicht mehr im Griff habe, hätten sie nun das Handeln übernommen, teilte das Russische Freiwilligenkorps RDK am Montag mit. 

Nowaja Tawolschanka sei kein kleines Dorf, sondern ein Ort mit einst 5000 Einwohnern. „Jetzt ist er leer“, sagte ein Bewaffneter auf einem Video. Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, räumte nach tagelangem Beschuss des Gebiets indirekt ein, in dem Ort nicht mehr Herr der Lage zu sein.

Der Vorfall zeigt: Auch sechs Tage nach dem Eindringen von Kämpfern in die russische Grenzregion ist die Situation noch immer nicht unter Kontrolle. Am Donnerstag waren Einheiten von der Ukraine aus in das Grenzgebiet vorgestoßen. Noch am selben Tag hatte Moskau verlauten lassen, die Attacke sei zurückgeschlagen worden. Das stellt sich als falsch heraus.

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Selbst der Gouverneur Gladkow bestätigte andauernde Gefechte in der Ortschaft Nowaja Tawolschanka, die etwa drei Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Videomaterial von Sonntag hatte die Präsenz von putin-feindlichen, russischen Soldaten in dem Ort nachgewiesen.

Wie viele proukrainische Kämpfer beteiligt sind, lässt sich aktuell nicht sagen. Es soll sich am Anfang um mindestens einige Dutzend Männer und schweres Gerät wie Panzer und Panzerfahrzeuge handeln.

Zuletzt meldeten russische Militärblogger 20 Männer im Dorf Nowaja Tawolschanka. Laut Berichten sind es drei Korps, die inzwischen in Russland kämpfen: Das „Russische Freiwilligenkorps“, die „Legion Freiheit Russlands“ und laut eigener Aussage ein polnisches Kommando.

Das „Freiwilligenkorps“ besteht vor allem aus russischen Nationalisten und Rechtsextremen, die „Legion“ wohl eher aus liberal bis links orientierten Freischärlern. Beide eint das Feindbild Putin.

Polnische Söldner offenbar an Kämpfen beteiligt

Die Präsenz der polnischen Kämpfer hatten am Wochenende polnische Medien gemeldet. Dabei handele es sich um Söldner, die unter dem Namen „Polnisches Freiwilligenkorps“ auf der Seite der ukrainischen Armee kämpften, berichteten die Online-Nachrichtenportale „Polsatnews.pl“ und „Wprost.pl“ am Sonntag.

Sie beriefen sich auf eigene Mitteilungen der Gruppe im Messaging-Dienst Telegram und ein Video, das Soldaten auf dem Weg in Richtung Belgorod zeigen soll. Nach Informationen von „Polsat“ soll das „Polnische Freiwilligenkorps“ im Februar gegründet worden sein.

Anfangs habe es als nur aus Polen bestehende, eigenständige Einheit an der Seite der ukrainischen Armee gekämpft. Inzwischen agiere die Truppe auch gemeinsam mit einem „Russischen Freiwilligenkorps“. Wie viele Polen beteiligt sein sollen, ging aus den Berichten nicht hervor.

Knapp 30 Quadratkilometer „befreites“ Gebiet

Russlands Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, es sei gelungen, eine „Sabotage- und Aufklärungsgruppe ukrainischer Terroristen“ am Überqueren eines nahe gelegenen Flusses zu hindern. Auch das spricht für andauernde Operationen im Grenzgebiet.

Aktuelle Karten, die Beobachter anhand von geoverifizierten Fotos und Videos erstellen, zeigten am Montag ein Kampfgebiet von rund 28 Quadratkilometern nahe der Ortschaft Schebekino, das aktuell wohl nicht mehr von der Regierung in Moskau kontrolliert wird. Schebekino liegt nur rund 30 Kilometer von der Provinzhauptstadt Belgorod entfernt.

Mehrere Mitglieder der paramilitärischen Korps veröffentlichten am Sonntag zudem ein Video, in dem sie behaupteten, mehrere Soldaten der russischen Armee gefangen genommen zu haben. Als Bedingung für deren Freilassung forderten die Männer ein Treffen mit Gouverneur Gladkow.

Dieser zeigte sich wenig später tatsächlich offen für ein Gespräch - laut den Anti-Putin-Kämpfern kam es letztendlich aber nicht zustande. Sie erklärten, die Gefangenen deshalb der ukrainischen Seite zu übergeben. In einem Video wurden zwölf der Gefangenen gezeigt. Von dort gab es zunächst keine Reaktion.

Die aktuellen Gefechte in der Region Belgorod stellen schon den zweiten größeren Einfall nach Russland dar. Der erste fand am 22. Mai statt. Schon Anfang März hatte das „Russische Freiwilligenkorps“ einen Grenzübertritt in der russischen Region Bryansk. Die Kämpfe dauerten mehrere Stunden.

Die Vorgänge sind für die Militärführung in Moskau peinlich. Nicht nur war der Grenzschutz und die Flugabwehr gegen die mit dem Überfall einhergehenden Drohnenangriffe beim ersten Mal unzureichend; verbessert haben ihn die Militärs offensichtlich nicht. 

Besonders an der aktuellen Situation: Um tagelang zu kämpfen, brauchen die Einheiten wohl auch Nachschub - und die muss über die Ukraine organisiert werden. Das spricht für eine größer geplante Aktion.

Deren Ziel ist derweil wohl weniger, Gebiete in Russland dauerhaft zu befreien, sondern russische Truppen in der Grenzregion zu binden. Am Montag (5. Juni) scheint die ukrainische Großoffensive mit ersten Vorstößen in der Region Donetsk begonnen zu haben. Je weniger Soldaten Russland für die Verteidigung bleiben, desto besser für Kiew.

Russland, das vor mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen hat, beklagte in den vergangenen Wochen zunehmenden Beschuss des eigenen Staatsgebiets. Opferzahlen und Schäden stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den Kriegsfolgen in der Ukraine, wo seit Beginn der russischen Invasion Tausende Zivilisten getötet wurden. (mit Reuters/dpa)

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