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Update

Ist das der Start der Gegenoffensive? : Ukraine greift auf breiter Front im Donbass an

Erst meldet Moskau einen Erfolg bei der Verteidigung. Doch dann wird klar, dass ukrainische Truppen wohl in besetztes Gebiet vorgedrungen sind. Russische Beobachter sind alarmiert.

| Update:

Am frühen Montagmorgen vermeldete das Verteidigungsministerium in Moskau einen Erfolg. Eine „großangelegte Offensive“ der Ukraine im Süden der Region Donezk im Donbass sei zurückgedrängt worden. Mehr als 200 ukrainische Soldaten seien dabei insgesamt getötet worden. Der Angriff habe auf fünf Achsen stattgefunden.

Die ukrainischen Truppen hätten „den aus ihrer Sicht schwächsten Bereich der Front angegriffen“. „Der Feind hat sein Ziel nicht erreicht, er hat es nicht geschafft“, hieß es abschließend.

Nach allem, was bis zum Montagnachmittag über die Lage an der Front bekannt wurde, handelt es sich dabei jedoch eher um einen Versuch Moskaus, die missliche Lage der eigenen Truppen auf dem Schlachtfeld zu kaschieren.

Denn nur wenige Stunden nach der vermeintlichen Erfolgsmeldung widersprach der russische Feldkommandeur Alexander Chodakowski im Messengerdienst Telegram seinen Vorgesetzten. Und auch russische Militärblogger schildern eine andere Lage an Front.

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Insgesamt wurden am Montag mindestens zwei größere Angriffe ukrainischer Truppen im Donbass bekannt, hinzu kamen weitere kleinere Angriffe, einer davon in der Region Saporischschja, einer nahe Bachmut auf Soledar. Außerdem sollen ukrainische Truppen einen Ort nahe Bachmut erobert haben, der zuvor von Wagner-Söldnern gehalten wurde. Die „New York Times“ berichtet unter Verweis auf Satellitenbilder des US-Militärs außerdem von einer deutlichen Zunahme des Artilleriebeschusses.

Nach Monaten russischer Angriffe auf ukrainische Stellungen sind es die ersten breit angelegten Versuche der Ukraine, die Dynamik der Schlacht wieder an sich zu reißen. Der britische „Economist“ schrieb unter Berufung auf westliche Offizielle davon, dass die ukrainische Gegenoffensive damit begonnen habe. Militärexperten sprachen am Montag allerdings davon, dass es noch zu früh für eine solche Aussage sei.

Aller Wahrscheinlichkeit nach handele es sich um Probeangriffe, um Schwachstellen in der Verteidigung zu finden. Die Regierung in Kiew bestätigte am Montagnachmittag „offensive Aktionen“. Ob damit die Großoffensive begonnen habe, sagte man nicht. Wie viele Soldaten und Fahrzeuge an den Vorstößen beteiligt sind, bleibt unklar.

Bisher werde der Feind „von Erfolg begleitet“, schrieb Feldkommandeur Chodakowski am Montag auf seinem Telegram-Kanal. Seiner Darstellung nach handelt es sich bei den Angriffen westlich von Wuhledar um eine begrenzte taktische Operation der Ukrainer. Chodakowski leitete seit 2014 die Brigade „Wostok“ der Separatisten im Donbass-Gebiet. Seine Einheiten wurden nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in die russische Nationalgarde eingegliedert.

Wo die Ukraine vorzurücken versucht

Zunächst hätten die ukrainischen Truppen den Eindruck erweckt, den Druck auf den Frontabschnitt bei Welyka Nowosilka (siehe Karte weiter unten) zu verstärken, wo ihnen Sonntag bereits ein Durchbruch gelungen sei, berichtet Chodakowski. Der Ort liegt südwestlich der von Russland besetzten Provinzhauptstadt Donezk.

Dabei soll es auch zu ukrainischen Verlusten gekommen sein. Videoaufnahmen zeigen mindestens vier sogenannte „Mine Resistant Ambush Protected Vehicle“ (kurz Mraps) der Ukraine, die offenbar durch die russische Armee zerstört wurden.

Geolokalisierte Aufnahmen bestätigen zudem einen Vorstoß der Ukrainer westlich von Welyka Nowosilka aus der Richtung der Region Saporischschja.

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Der russische Vertreter Russlands in Saporischschja Waldimir Rogow sprach gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Tass von mindestens 10 gepanzerten Einheiten und etwa 50 Kämpfern, die die Ukrainer aus dieser Richtung verloren hätten. Auf seinem Telegram-Kanal schrieb Rogov zudem, die Angriffe der Ukraine hätten sich im Vergleich zu den Tagen zuvor noch einmal verstärkt.

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Währenddessen ist offenbar ein ukrainischer Stoßtrupp fast unbemerkt 15 Kilometer weiter östlich von Welyka Nowosilka auf die Ortschaft Novodonets’ke vorgerückt. „Wie üblich den Funkverkehr störend, ist es dem Feind gelungen, uns in eine schwierige Lage zu bringen“, schrieb Alexander Chodakowski. Die Lage sei im Fluss.

Wie der „Economist“ unter Berufung auf westliche und ukrainische Quellen berichtet, seien ukrainische Soldaten in der Gegend mehrere Kilometer vorgerückt. Angesichts der stark ausgebauten russischen Verteidigungsanlagen in den besetzten Gebieten wäre das ein beachtlicher Erfolg.

Auch ein russischer Militärblogger berichtet von heftigen Kämpfen rund um die Ortschaft. Der Ukraine sei es gelungen, mindestens zwei Kilometer in das von Russland kontrollierte Gebiet vorzudringen „und sich am Rand des Dorfes festzuklammern“. Auch aus dem Westen gelieferte Leopard-Kampfpanzer sollen an dem Angriff beteiligt sein. Unabhängig prüfen lässt sich die Information derzeit nicht.

Sollten jedoch tatsächlich westliche Kampfpanzer im Einsatz befinden, würde das bedeuten, dass nun die in Nato-Ländern ausgebildeten für die große Gegenoffensive neu geschaffenen Brigaden eingesetzt werden. Der Beginn der ukrainischen Gegenoffensive wäre damit offiziell eingeläutet.

Dass die russische Aufklärung den Vorstoß verschlafen hätte und die ukrainischen Soldaten unbemerkt vordringen konnten, bestätigt der Militär-Blogger hingegen nicht.

Berichte gibt es zudem über eine zweite Angriffswelle der ukrainischen Streitkräfte in Soledar, nordöstlich von Bachmut. Ein erster Angriff sei unter hohen Verlusten zuvor abgewehrt worden, berichtet ein weiterer russischer Militärblogger auf dem Messenager-Dienst Telegram. Zudem sollen ukrainische Einheiten laut dem Chef der Wagnergruppe, Jewgeni Prigoschin, Teile des Ortes Berchiwka nahe Bachmut zurückerobert haben. Prigoschin sprach von einer „Schande“.

Wie ist der ukrainische Vorstoß zu bewerten?

Bei dem Vorstoß handelt es sich wahrscheinlich nicht um den Hauptschlag der ukrainischen Offensive. Stattdessen testen Kiews Truppen die feindlichen Stellungen und versuchen so, die russischen Reserveeinheiten an bestimmte Stellen der Front zu locken.

Sicher ist jedoch, dass sowohl Frequenz als auch die Intensität der Angriffe derzeit massiv zunehmen. Dazu passen die Berichte russischer Militärblogger, wonach die Situation an der Front zwischen Welyka Nowosilka und Wuhledar mit jeder Stunde alarmierender werde.

„Die nächsten 48 Stunden werden es zeigen, ob der Krieg nun wirklich in eine neue Phase eintritt“, erklärt der Militär-Experte Franz-Stefan Gady gegenüber dem Tagesspiegel. Eine ukrainische Hauptachse, entlang der zentrale Stoß erfolge, sei aktuell noch nicht zu erkennen. Kiew sei derzeit immer noch dabei, russische Reserveeinheiten von dort wegzuziehen, wo am Ende der Hauptangriff erfolge.

Auch der Geheimdienstoffizier, Ultranationalist und Kremlkritiker, Igor Girkin, glaubt, dass Kiew weiterhin Kräfte zurückhalte. „Es ist klar, dass der Feind seine Hauptstreitkräfte noch nicht voll eingesetzt hat“, scheibt Girkin. Er rechnet damit, dass die Intensität der Kämpfe in den kommenden Tagen weiter zunimmt.  „Die Schlacht beginnt gerade erst“, analysiert er.

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